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Hilft die ..neue 'Hilfe?

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„Entwicklungshilfe muß ein nationales Anliegen werden“, forderte vehement Alois Mock im Rahmen seines Zehn-Punkte-Programms für den Neubeginn in der österreichischen öffentlichen Entwicklungshilfe. Den Ärmsten der Welt muß weiters verstärkt unter die Arme gegriffen werden, es soll mehr geschenkt als wirtschaftlich durch Kreditvergaben kalkuliert werden. Die bilaterale Hilfe wird ausgebaut, wenn auch auf weniger Länder beschränkt.

Klare Worte, wenn auch nicht so neu. An Bekräftigungen unseres Sozialengagements in der Dritten Welt fehlte es ja nie, verbal wenigstens. Die „neue“ Entwicklungshilfepolitik des Außenministers ist außerdem schon in ihren Grundzügen im Arbeitsübereinkommen und in der Regierungserklärung der Koalition festgeschrieben. Wiederholt prangerten Entwicklungshüfe-Programme unsere beschämende Rolle als die Geizkragen der westlichen Industriewelt an. Aber nach wie vor ist Österreich weit entfernt vom selbstgesteckten Ziel der OECD-Länder, mit wenigstens 0,7 Prozent ihres Sozialproduktes die schreiende Not in der Welt zu lindern.

Dabei wird die Situation für viele Entwicklungsländer immer deprimierender. Bis zum Jahr 2025 erwarten sich die Experten nur eine geringe Abflachung der Bevölkerungsentwicklung. Geschätzte 80 Prozent der Staaten werden aber dann als Entwicklungsländer gelten. Allein in Schwarzafrika werden 85 Prozent der Menschen in großem Elend leben, die Wohlstandsexplosion des reichen Nordens vor Augen.

Ob aber Österreich jetzt wirklich massiv in die Entwicklungshilfe einsteigt, oder ob es wieder nur bei Worten bleibt, ist offen. Gute Ansätze sind jedenfalls vorhanden, wenn auch im „neuen Denken“ der Wurm drinnen ist.

Einmal mehr gibt es den direkten Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Entwicklungshilfe. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, muß es eine „langfristige Verbesserung der Marktchancen in den Schwellenländern ... unter Einbeziehung einer effizienten und verstärkten Entwicklungshilfe“ geben, heißt es im Arbeitsübereinkommen. .

Nun ist zwar klar, daß angesichts der globalen Verflechtung der internationalen Wirtschaft Hilfe und Unterstützung für Schwellenländer unter Umständen die größten positiven Auswirkungen haben. Und selbstverständlich kann und soll sich ^.Österreich um diese Länder, die * ökonomisch an der Kippe stehen, auch besonders kümmern, damit sie sich an westliche Wachstumslokomotiven anhängen können. Nur — dies angesichts der tristen und hoffnungslosen Situation anderer als Entwicklungshilfe zu etikettieren, ist äußerst fragwürdig. Echte Solidarität müßte, wie so oft gefordert, endlich von diesen untergeschobenen Interessen befreit werden, die nur Märkte und Konkurrenzfähigkeit sichern soll und eine „verkleidete“ Hilfe der heimischen Wirtschaft ist.

Ein zweiter Schwachpunkt im neuen Konzept ist die geplante Reduzierung der Öffentlichkeitsarbeit. Zu viel, heißt es, wurde bis jetzt für „gesellschaftspolitische Propaganda“ verpraßt. Besonders der österreichische Informationsdienst für Entwicklungspolitik (ÖIE) geriet massiv ins Schußfeld von Politikern und Medien.

108 Millionen Schilling wurden in den letzten fünf Jahren ausgegeben, um den Österreichern die Not der Dritten Welt ins Bewußtsein zu rücken. Das waren durchschnittlich 1,14 Prozent der gesamten bilateralen Entwicklungshilfe. 54 Millionen hat allein der ÖIE „verputzt“. Zweifellos auch für äußerst fragwürdige Aktionen. Daß außerdem satte 27 Leute im ÖIE für Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind, ist ebenfalls ein krasser Mißstand. (Zum Vergleich: Das Rote Kreuz managt nach eigenen Angaben ihre 0,6 Prozent oder 700.000 Schilling jährlich mit zwei Öffentlichkeitsarbeitern und einer ungleich größeren Effizienz.)

Der Vorwurf des falschen Mitteleinsatzes ist aber etwas pharisäerhaft: Die Öffentlichkeitsarbeit jeder Organisation hat Grauzonen, in denen es nicht mehr allein um sachliche Bewußtseins-büdung geht. Der „Sensibilisie-rungsprozeß gegen den Faschismus“ rund um das Hrdlicka-Denkmal ist da der beste Beweis. Wenn also in Zukunft bei der Entwicklungshilfearbeit nur mehr sachliche Argumente in Abstimmung mit dem Außenministerium gefragt sind, so riecht das sehr nach Bevormundung.

Ein weiteres Manko der heimischen Entwicklungshilfepolitik ist mangelnde Zusammenarbeit mit Bildungsstätten wie den Universitäten. Wissenschaftliche^ Fundierung von politischen Absichten muß gewiß nicht übertrieben werden. Aber bei uns verfügen die Entwicklungshilfe-Profis immer noch über einen eher ökonomisch-juristisch geschärften Sachverstand, der allzu leicht dazu verführt, Andersdenkende als kulturell-ideologisch Einäugige abzustempeln.

Auch hier fehlt es an notwendiger Bildungsarbeit für und durch Beteiligte, bevor sich Österreich — wenigstens ansatzweise — als „Anwalt der Armen“ bezeichnen darf.

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