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Kein Wille — kein Weg

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Die Diskussion ist eröffnet: Mitte Jänner lehnte es der Entwicklungshilfebeirat ab, die von gewissen außenpolitischen Kreisen favorisierte „Neubewertung der österreichischen Entwicklungshilfeleistungen“ (siehe Kasten) pauschal zu akzeptieren; eine Debatte auf breitester Basis soll statt dessen Ursachen und mögliche Lösungen für die Misere der heimischen Entwicklungspolitik ergründen.

Die Fakten hegen auf dem Tisch (siehe Graphik): 1986 ist der Anteil der geleisteten Entwicklungshilfe am Bruttonationalprodukt auf 0,21 Prozent gesunken, nach den strengeren OECD-Kriterien würde er gar nur 0,12 Prozent des BNP betragen. Von einem Erreichen des international vereinbarten 0,7 Prozent-Zieles innerhalb der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ist keine Rede.

Eine schlechte Bilanz, die durch den Umstand nicht aufgewogen wird, daß sich Herr und Frau Österreicher, Meinungsumfragen zufolge, als überdurchschnittlich große Wohltäter der Entwicklungsländer betrachten.

Und eine Bilanz, die zusätzlich noch davon überschattet wird, daß sich das gesamte Beziehungsgeflecht Österreichs zur sogenannten Dritten Welt in einem Erosionsprozeß befindet. Einseitige EG- und Nachbarschaftsorientierung haben außenpolitisch nicht zuf ällig die Diskussion über eine Schließung von diplomatischen Vertretungen in Afrika oder über eine Verringerung der (ohnehin geringen) Unterstützung Nikaraguas zur Folge.

Und kurzfristige Profitorientierung hindert heimisches Unternehmertum und handelspolitische Institutionen nur allzuoft, dem durch die internationale Schuldenkrise verursachten Schrumpfen der heimischen Exporte mit langfristigen Strategien der Zusammenarbeit mit der Dritten Welt gegenüberzutreten.

Halten wir fest: Nicht die Sach-zwänge der Budgetsanierung oder mangelndes Verständnis in der Bevölkerung verhindern in erster Linie den immer wieder geforderten entwicklungspolitischen Neuanfang. Es fehlt auch nicht an Grundsatzerklärungen von regierungs- oder parteipolitischer Seite. Woran es mangelt — sachliche Notwendigkeit hin,

Glaubwürdigkeit des Politikers her —, ist of f ensichtlich der politische Wille.

Ein politischer Wille, der sich nicht nur auf die Bereitstellung massiver finanzieller Mittel aus dem Budget für entwicklungspolitische Zwecke beschränken dürfte.

Soll eine tragfähige Basis für ein verstärktes entwicklungspolitisches Engagement Österreichs gefunden werden, so geht es vielmehr auch um eine Anhebung des Stellenwerts von Entwicklungshilfe im politischen Wertsystem:

• etwa um verstärkte Aufklärungsarbeit in Österreich (ein Unterrichtsprinzip „Development Education“ an den Schulen miteinschließend);

• um stärkere Miteinbeziehung von Nicht-Regierungsorganisationen in Entscheidungen der Entwicklungs- und Außenpolitik;

• um den Aufbau eines dichteren Netzes von diplomatischen, aber auch von entwicklungspolitischen Vertretungen Österreichs in der Dritten Welt;

• um die Einbringung entwicklungspolitischer Grundsätze in die Arbeit von Wirtschafts- und

Fmanzministerium, Kontrollbank und Außenhandelsstellen.

Kurz gesagt: Es ginge um die Schaffung anwaltschaftlicher Strukturen in Österreich zugunsten der Interessen der armen Länder, zugunsten eines gerechten Welthandels- und -währungs-systems.

Ein Vorhaben, das freilich auf eine Neuorientierung von Österreichs Dritte-Welt-Politik insgesamt hinauslaufen würde.

Der Autor ist Mitarbeiter des Osterreichischen Informationsdienstes fur Entwicklungspolitik in Wien.

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