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Solidarität ist gut - zahlen besser

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Der ÖCV'-Studentenverband hat in diesen Tagen seine Solidarität mit der Dritten Welt durch Vorträge, Ausstellungen und andere aufklärenden Veranstaltungen an den Hoch-schulorten Wien, Graz und Salzburg demonstriert. Eindrucksvoll trat dabei zu Tage: Die katholischen Studenten betrachten das Thema Entwicklungshilfe nicht als intellektuelle Spielwiese, auf der sich alles austobt, was auf sich hält, für sie ist das Thema Anlaß zu ernster Sorge über die gefährliche Praxis, die Zukunft einfach durch lineare Fortschreibung der Vergangenheit zu bewältigen.

Die tiefe Skepsis der Jugend den Lösungsmodellen der Vergangenheit gegenüber hat ja bekanntlich auch dem Abstimmungsergebnis vom 5. November einen entscheidenden Stempel aufgedrückt. Mit Aufklärung über technische Vorgänge und lehrbuchhafte ökonomische Zusammenhänge ist dieser Skepsis nicht beizukommen. Es geht um Lebensqualität, bisher nicht oder kaum geortete Sinnfragen, die Errungenschaften des Humanismus; und es geht für den Christen um die Frage, ob er sich nicht doch das falsche Religionsbekenntnis ausgesucht hat.

Der CV hat bei seinen Solidaritätsveranstaltungen mit der Dritten Welt auch ein „entwicklungspolitisches Solidaritätsprogramm in zehn Punkten“ zur Unterschrift aufgelegt. Bemerkenswert ist jener Punkt, in dem eine langfristige Aufklärungskampagne über die Probleme und die Notwendigkeit einer gerechten Entwicklungspolitik gefordert wird. Darin heißt es auch, die Bewußtseinsbildung der österreichischen Bevölkerung sollte in Richtung „eines weltweit angemessenen durchschnittlichen Energieverbrauchs“ gestärkt, die Bevölkerung „zu notwendigen Abstrichen an Luxus und Vergeudung“ angehalten werden, „um eine gerech-

tere Verteilung der auf der Erde vorhandenen Ressourcen zu ermöglichen“.

Eine Umfrage unter 2000 Jugendlichen, die der CV im Herbst durchführen ließ, fördert in Sachen Entwicklungshilfe freilich auch Beschämendes zu Tage: Die jungen Österreicher wissen um die Ungerechtigkeit, die den Hungernden in der Dritten Welt widerfährt, sie meinen auch, daß geholfen werden sollte. Die wenigsten Jugendlichen sind aber auch in der Praxis bereit, in die Tasche zu greifen.

So meinten 82 Prozent der Befragten, daß die Industrieländer

den Entwicklungsländern bei der Bewältigung ihrer Probleme selbstlos helfen müssen. Vor die Alternative gestellt, 100 Schilling für Gasthausbesuche auszugeben oder für die Entwicklungshilfe zu spenden, entschieden sich dann 60 Prozent der befragten Jugendlichen fürs Wirtshaus.

Der CV hat mit seinen Aktionen zum Thema Entwicklungshilfe sicher wertvolle Arbeit geleistet und durch die gemeinsame Ausstellung in der Wiener Messe mit Am-nesty International, dem Afroasiatischen Institut, dem Lateinamerika-Institut, dem Entwicklungshelferdienst und vielen anderen Institutionen auch demonstriert, daß die Jugend ein gemeinsames Thema hat: über Parteigrenzen und viele die heimische Innenpolitik kennzeichnende lächerliche Querelen hinweg.

Es sollte die wirklich nicht so abwegige Erkenntnis gewonnen und akzeptiert werden, daß nicht irgendein imaginärer.„Staat“ für die Dritte Welt in die Tasche greifen muß, sondern jeder einzelne Staatsbürger.

Schließlich sind in der Dritten Welt auch nicht imaginäre Staatsapparate hungrig, sondern Menschen.

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