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Nur Almosen

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Bundeskanzler Kreisky hat vor nunmehr fast zwei Jahren „verstärkte Anstrengungen“ Österreichs in der Entwicklungshilfe angekündigt. Aber zwei Jahre danach ist von der Ankündigung und den Anstrengungen nicht mehr und nicht weniger zu merken als eben vor zwei Jahren.

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Bundeskanzler Kreisky hat vor nunmehr fast zwei Jahren „verstärkte Anstrengungen“ Österreichs in der Entwicklungshilfe angekündigt. Aber zwei Jahre danach ist von der Ankündigung und den Anstrengungen nicht mehr und nicht weniger zu merken als eben vor zwei Jahren.

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„Geredet wird halt aus aktuellem Anlaß viel“, will der ÖVP-Außen-politiker Dr. Karasek die Bundeskanzlerworte ins rechte Lot bringen. Tatsächlich: 1970 rüstete die Welt — und rüstete Österreich selbstverständlich auch — zur zweiten Entwicklungsdekade. Entwicklungshilfe war in aller Munde, Dr. Kreisky nicht ausgenommen. Außenminister Kirchschläger hat zum gleichen Anlaß ebenfalls versprochen, daß Österreich ein Prozent seines Bruttonationalprodukts als Entwicklungshilfebeitrag anstreben werde, doch auch in diesem Fall blieb es bei Worten.

Die von Österreich geleistete Entwicklungshilfe könnte nämlich heute gar nicht existieren, wenn nicht private Organisationen in die Bresche springen würden: gute drei Viertel der Mittel werden privat aufgebracht, nur ein Viertel steuert der Staat bei.

Dabei sind in der Öffentlichkeit der Gedanke und die Notwendigkeit der Entwicklungshilfe schon fest verankert. Eine Umfrage des Wiener Fessel-Institutes ergab, daß

74 Prozent der Österreicher die Entwicklungshilfe bejahen, 23 Prozent stehen der Unterstützung der Dritten Welt durch industrialisierte Staaten ablehnend gegenüber. Allerdings überwiegt bei den Befürwortern der humanitäre Gedanke und nur 6 Prozent meinen, daß die Industriestaaten zu solchen Hilfeleistungen verpflichtet seien, da nur sie über die notwendigen Mittel verfügen.

Von Seiten der Regierung wurde zur Lösung des Problems ein echt österreichischer Weg eingeschlagen: In Konferenzen und Tagungen — wird nach wie vor fleißig beraten. Das rein äußerliche „Es-geschieht-was“ ist aber nicht mehr als der Versuch, sich mit Scheinaktivität zu begnügen.

Was geschieht wirklich? Staatssekretär Veselsky vermeldet voll Stolz, daß Österreich die Zölle „für

Kaffee, Tee und andere tropische Genußmittel“ aufgehoben habe und damit „seinen Beitrag auf diesem Gebiet“ leiste. Daß Österreich den größten Nutzen daraus zieht — und nicht die Entwicklungsländer —, steht auf einem anderen Blatt, Anderseits legt man die Befreiung von ausländischen Studenten an österreichischen Hochschulen von den Hochschultaxen als „Pioniertat“ der österreichischen Entwicklungshilfe aus. Es wird dabei aber außer acht gelassen, daß es zum größten Teil Studenten aus besser situierten Familien in den Entwicklungsländern sind, die sich ein Studium leisten können

Nun will die ÖVP die Entwicklungshilfe besser ankurbeln. „Wir dürfen nicht glauben, Almosen zu geben, wenn wir Entwicklungshilfe leisten“, meint Karasek. Das Wesentliche sei „die Hilfe zur Selbsthilfe“. Und hier könne Österreich durchaus einen entscheidenden Beitrag leisten. Dem Vernehmen nach wurde in der ÖVP auch bereits das Konzept dazu fertiggestellt.

Als Sofortmaßnahme wird auch ein Entwicklungshilfegesetz angeregt, das im Rahmen eines zentralen Entwicklungshilfefonds eine planmäßige und längerfristige Bud-getierung ermöglicht. Dazu Dr. Karasek: „Das ist die Gelegenheit für alle, die Karten auf den Tisch zu legen: Ob sie helfen oder nur reden wollen.“

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