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Entwicklung der Völker

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Freisetzung der Kräfte

„Es eilt — zu viele Menschen sind in Not...“

Dieses Wort von Papst Paul VI. Bus der Enzyklika „Populorum Pro-gressio“ ist ein leidenschaftlicher persönlicher Appell des Papstes an die Menschen guten Willens. Die Leidenschaftlichkeit, die diese Enzyklika prägt, ist verständlich aus der Betrachtung der heutigen Situation der Welt:

30 Prozent der Weltbevölkerung, zirka 900 Millionen Menschen, erzeugen und verbrauchen 90 Prozent der Weltproduktion.

70 Prozent der Weltbevölkerung, zirka zwei Milliarden, müssen sich die restlichen 10 Prozent der Weltproduktion teilen.

In Indien stehen pro- Kopf und Jahr zwei Stück Eier zur Verfügung, gegenüber 200 Stück in Österreich; zwei Kilogramm Fleisch gegenüber 50 Kilogramm in Österreich; vier Kilogramm Fett gegenüber 18 Kilogramm usw.

Diese Tatsachen können keinem Menschen gleichgültig sein. Jeder Bürger dieser Welt hat sich mit dieser Not zu identifizieren. Die Enzyklika „Populorum Progressio“ hat den Begriff Entwicklungshilfe sehr breit dargestellt. Es geht nicht nur darum, daß wir von unserem Überfluß geben und die Armen beteilen: Entwicklungshilfe ist so zu verstehen, daß jeder, vornehmlich jene Menschen, die in reicheren Ländern leben, entsprechend ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten Hilfe zu leisten haben; dort, wo die Entwicklung der Welt und der Menschen durch überholte Strukturen, Traditionen und Haltungen gehemmt ist, ist es der Auftrag der Menschen, im besonderen der Christen, durch die Freisetzung der Kräfte die Entwicklung zu ermöglichen.

Daraus ergeben sich unmittelbare Konsequenzen:

• In der öffentlichen Meinung müssen neue Haltungen gegenüber der Entwicklungshilfe geweckt werden.

Es geht nicht darum, Almosen zu geben, sondern alle unsere Möglichkeiten, die weit über das Materielle hinausgehen, müssen ausgeschöpft werden. So wäre zu erwägen, welche Wege es gibt, an Stelle des Militärdienstes Entwicklungshelferdienst zu leisten. Was kann Österreich tun, um den Entwicklungsländern ständig ein bestimmtes Kontingent an Entwicklungshelfern zur Verfügung zu stellen? In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, daß der soziale Status der Entwicklungshelfer angehoben werden muß.

• Angesichts der großen Not in der Welt mag es manchmal bescheiden aussehen, wenn einzelne Organisationen, vornehmlich die Katholische Jungschar, die Katholische Frauenbewegung und die Katholische Männerbewegung, jährlich die öster-

reichische Bevölkerung zur Hilfe aufrufen. Oft hört man in diesem Zusammenhang den Einwand: „Das ist doch nicht einmal ein Tropfen auf einen heißen Stein!“ Diese Haltung ist falsch. Es kann mit kleinen Summen sehr viel getan werden, wenn sie richtig eingesetzt werden. Die christlichen Kirchen finden besonders in den Entwicklungsländern große Anerkennung für ihren ratio-

nellen Einsatz der Personen und Mittel. Einige Beispiele: Mit geringen Mitteln können Experten zur Lösung spezieller Fragen entsandt oder eingeladen werden; mit relativ geringen Mitteln kann man die Elitenbildung in den Entwicklungsländern einleiten; geringe Mittel sind auch nur erforderlich, um den äußerst notwendigen Kontakt zwischen den Eliten in den Entwicklungsländern und in den entwickelten Ländern herzustellen.

• Immer bedeutender wird in der Entwicklungshilfe der Einsatz von Entwicklungshelfern. Ein Experte schrieb mir vor einigen Tagen von einer Studienreise nach Südamerika: „Ich bin für die private Entwicklungshilfe: Sie soll möglichst unten ansetzen beim einzelnen Menschen, bei Familien, kleinen Gemeinschaften usw. Diese Hilfe wird am ehesten und am sichersten wirksam.“

• Es muß aber auch überlegt werden, welche Initiativen der Staat für die Entwicklungshilfe ergreift. Die bisherigen Bemühungen sind wertvoll, aber oft noch zu bescheiden.

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