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Tat-sächlich ist nur die Katastrophenhilfe
Die Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft veröffentlichte am 22. Juni eine Untersuchung, die sich mit der Einstellung der österreichischen Bevölkerung zu Fragen der Entwicklungshilfe befaßte. Kurz einige Ergebnisse:
Rund ein Viertel der Befragten (26 Prozent) vertrat die Ansicht, Österreichs Beitrag zur Entwicklungshilfe solle eingeschränkt oder eingestellt werden. 58 Prozent sprachen sich für die Beibehaltung der gegenwärtigen Leistungshöhe und nur neun Prozent für eine Steigerung derselben aus.
Dabei geht man allerdings von völlig falschen Vorstellungen bezüglich der österreichischen Entwicklungshilfeleistung aus. Rund ein Drittel vermutete einen überdurchschnittlichen, zirka die Hälfte einen durchschnittlichen finanziellen Einsatz Österreichs auf diesem Gebiet. Lediglich neun Prozent glauben, Österreich trage eher wenig bei.
Man wiegt sich im Seelenfrieden der Selbstüberschätzung; weil man glaubt, daß genug getan wird, leistet man sich ein gutes Gewissen, das im Sprichwort auf Ruhekissen gereimt wird, auf dem man sanft (weiter)schläft. Nichts ist leichter zu ertragen als fremdes Unglück.
Aber es wäre ungerecht, nur die relative Selbstgefälligkeit zu sehen, die aus den eingangs zitierten Ergebnissen spricht.
Man zeigt auch viel Verständnis für Hilfe für die Ärmsten der Armen; Versorgung mit Nahrungsmittel^, Medikamenten wird als wichtige Tat anerkannt und befürwortet, wobei sich freilich der Verdacht einschleicht; daß man Entwicklungshilfe mit der immer wieder notwendigen Katastrophenhilfe vermengt.
Daß Erschütterung, Betroffenheit und Trauer angesichts der Opfer von Naturkatastrophen die große Hilfebereitschaft der Österreicher tat-sächlich mobilisieren können, ist beweisbar (Friaul, Algerien, Süditalien).
Aber es ist eines, spontan aus Mitleid und Erschütterung zu helfen und ein an-, deres, diese wichtigen menschlichen Gefühle in langdauerndes engagiertes und rationales Handeln münden zu lassen. Eine derartige „Gewöhnung“ an Entwicklungshilfe, die zu einer Routi- nierung von hilfreichem Verhalten führen könnte, wird auch vielfach erschwert.
Die schrecklichen Schicksale anderer Völker ständig vor Augen zu haben, ist zweifellos belastend; noch dazu.
wenn man sich als einzelner meist ohnmächtig fühlt, etwas dagegen zu unternehmen. Man schiebt die Verantwortung den Mächtigen im Land oder in der Welt zu und wiegt sich in der Sicherheit, daß genug geschieht (siehe oben).
Um sich die wenig beneidenswerte Lage dieser Länder zu erklären, ohne sich selbst allzu betroffen zu machen, sucht man „die Schuld“ bei ihnen: starkes Bevölkerungswachstum, mangelnde Arbeitsbereitschaft oder „schicksalhafte“ Einflüsse des Klimas erlauben eine Interpretation des Unheils, die ein leichteres Abschieben des Problems ermöglicht.
Schwieriger wird einem dies schon, wenn man die Rolle der Industriestaaten in Rechnung stellt, die zum Teil unheilvollen Wirkungen westlicher Modernisierung, die Folgewirkungen der Kolonialisierung etc.
Bestärkt wird die Bevölkerung in ihrer skeptischen Haltung gegen finanzielle Entwicklungshilfe auch durch Berichte, die davon sprechen, daß die Hilfen mißbraucht, von den „Reichen“ in den Entwicklungsländern angeeignet und zweckentfremdend verwendet werden. Ein bestätigtes Vorurteil wiegt schwerer als Gegenbeispiele, die ein Umdenken erzwingen würden.
Sinnvoll wäre aus sozialwissenschaftlicher Sicht zunächst die Aufklärung über die wirklichen Entwicklungshilfeleistungen Österreichs. Ein etwas schlechteres Gewissen muß ja nicht gerade ein Nadelkissen werden. Aber es kann die Bereitschaft zur gemeinsamen Leistung erhöhen.
Das entsprechende Bewußtsein mag es auch einer Regierung leichter machen, notwendige Schritte einzuleiten. Es bedarf in der Öffentlichkeit aber auch sichtbarer Initiativ- und Aktionsgruppen, die dem einzelnen die Möglichkeit öffnen, sich zu betätigen. Die steirische Akademie hat letztes Jahr eine schöne Plattform für den Zusammenschluß Interessierter geboten.
Schließlich sollten zumindest einzelne österreichische Projekte in Entwicklungsländern für die Bevölkerung auch sichtbar sein. Anonymes Helfen ist der Gefahr der zunehmenden Interesselosigkeit ausgesetzt. Sieht man hingegen, was weitergeht - oder scheitert besteht die Chance auf Lernen, Engagement und für ein Anwachsen innerer Verantwortlichkeit.
Der Autor ist Sozialforscher und Geschäftsführer des Dr.Fessel-GfK-Instituts für Markt- und Meinungsforschung.
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