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Mann und Frau als Bild Gottes

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„Gott schuf den Menschen als Mann und Frau“ - mit diesem Bibelzitat ließen sich die diesjährigen Salzburger Hochschulwochen (25. 7. bis 6. 8. 1988) auf ein heikles Thema ein.

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„Gott schuf den Menschen als Mann und Frau“ - mit diesem Bibelzitat ließen sich die diesjährigen Salzburger Hochschulwochen (25. 7. bis 6. 8. 1988) auf ein heikles Thema ein.

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Die Aussagen vom Menschen als Ebenbild Gottes sind spärlich. Im Grund sind es nur drei Belege (außer Genesis 1,27 noch 5,1b und 9,6). Gen 5,lf verknüpft das „Geschlechtsregister Adams“ mit der Schöpfungserzählung und ist stark von Gen l,27f bestimmt. Gen 9,6 begründet beim Bund Gottes mit Noach den Schutz des menschlichen Lebens mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen. „Wer Menschenblut ver-

gießt, dessen Blut wird durch Menschen vergossen. Denn: Als Abbild Gottes hat er den Menschen gemacht.“ (9,6)

Hier werden der Schutz und das Verwirken des Lebens in letzter Instanz auf die Gottebenbildlichkeit zurückgeführt. Der Text hält die einfache Aussage, daß Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, für klar und eindeutig. Die knappen Texte, die keine Erläuterung enthalten, setzen etwas voraus, was den Menschen verständlich war. Im übrigen redet der Text viel mehr davon, wozu die Gottebenbildlichkeit dem Menschen geschenkt wurde, kaum davon, worin sie besteht.

Dies ist zu beachten, wenn wir jetzt eigens nach dem Sinn des Satzteils fragen: Als Mann und

Frau schuf er sie. Hier ist zunächst festzuhalten, daß das hebräische Wort „adam“, das wir gewöhnlich als Eigennamen für den ersten Menschen benützen (vergleiche Gen 5,1), an unserer Stelle als Kollektivbegriff erscheint, also sowohl „Mensch“ als auch „Menschheit“ bedeutet. Hinter dieser schlichten sprachlichen Beobachtung steckt ein großer theologischer Prozeß, indem man nämlich von einem bestimmten Individuum mit Namen Adam abrückt und man sich mehr um eine theologische Formulierung über den Menschen überhaupt kümmert...

Es ist zunächst unübersehbar, was der kleine Versteil zum Ausdruck bringt. Die Zweigeschlecht-lichkeit gehört unmittelbar zur Erschaffung des Menschen. Es kann kein „Wesen des Menschen“ geben, das von seiner Existenz in zwei Geschlechtern einfach absieht. Darum ist im Ernst auch eine androgyne Deutung unserer Stelle ausgeschlossen, obgleich es früher (K. Budde) und heute immer wieder versucht wird. Den Menschen gibt es nur in der Doppelausgabe von Mann und Frau. Von Anfang an existiert das Menschsein in der Ausprägung als Mann und als Frau. Der Text verbietet uns, das Frausein oder das Mannsein — abgesehen von einigen biologischen Merkmalen — nur als Ausdruck gesellschaftlicher Prägung zu begreifen. Die Verschiedenartigkeit ist von der Absicht des Schöpfers her gewollt.

Dies hat wichtige Konsequenzen für das Verständnis der Frau. Offenbar betont die Priesterschrift bewußt die gleichzeitige Erschaffung von Mann und Frau. Ob darin eine gewisse Korrektur gegenüber der jahwistischen Schöpfungserzählung versucht wird, läßt sich nicht beweisen, aber auch nicht ausschließen. Jedoch wird unübersehbar deutlich erklärt, daß die Frau ein ursprünglicher Schöpfungsgedanke Gottes ist. Alle Theorien der Unter- und Uberordnung zwischen

Mann und Frau scheitern letztlich an dieser fundamentalen Aussage.

Deshalb will der Text zunächst zur Anschauung bringen, daß die Frau genauso an der Gottebenbildlichkeit teilhat wie der Mann. Wenn Gen 2,21f hier nicht korrigierend ergänzt wird, so wird auf jeden Fall einem möglichen Mißverständnis vorgebeugt. Ohne Einschränkung wird gelehrt, daß jeder Mensch — auch die Frau — eine königliche Würde hat und teilhat an der Herrscherwürde Gottes. Nicht der leiseste Unterschied in der Wertung der Geschlechter ist zu spüren ...

In Gen 1,27 steckt ein Dilemma: Setzt der Text voraus, daß der Mensch als Mann und Frau Abbild Gottes ist? Muß man dann auf Seiten Gottes selbst ein männliches und ein weibliches Urbild annehmen? Für den Mythos der Umwelt ist es fast selbstverständlich, daß bei den Menschen die bei den Göttern gegebenen Geschlechtsunterschiede „männlich“ und „weiblich“ wieder erscheinen. Die Priesterschrift hütet sich mit größter Sorgfalt, wie das ganze Alte und Neue Testament, in den Bereich Gottes die menschliche * Geschlechtsdiffe-

renz hineinzulegen und zu übertragen. Der Gott Israels ist nie als Geschlechtswesen verstanden worden. Es ist faszinierend zu sehen, daß die Bibel dieser Grunderkenntnis treu bleibt, ohne die Wahrheit zu verkennen, daß Mann und Frau in ihrer Gesamterscheinung Ebenbilder Gottes sind, also zu Gott in völlig gleichwertiger Beziehung stehen ...

Zweifellos sind patriarchalische Familienordnungen, insbesondere die Unterordnung der Frau unter den Mann, zum Beispiel als Eigentum des Mannes (vergleiche Exodus 20,7), in der Bibel religiös legitimiert worden ...

Dennoch muß man zugleich festhalten, daß das Verhältnis von Mann und Frau, wie es sowohl im Judentum als auch in der hellenistisch-römischen Welt in Geltung war, wenigstens in Ansätzen durchbrochen und — wenigstens im Verhalten Jesu selbst — auch aufgehoben wurde. Die Zurücksetzung der Frau gegenüber dem Mann ist an wichtigen Punkten korrigiert worden. Dies gilt zum Beispiel für Jesu Verurteilung des nach jüdischem Recht einseitig dem Mann eingeräumten „Rechtes“ zur Ehescheidung (vergleiche Markus 10,2-12).

Wo sich Elemente der „Unterordnung“ der Frau unter den Mann finden, trifft man auch auf gegenläufige und korrigierende Züge, wie man zum Beispiel an den christlichen Haustafeln feststellen kann, aber auch an anderen Stellen. So heißt es in der christlichen Familienordnung in Epheser 5,21ff zwar, die Frauen sollten sich ihren Männern „wie dem^Ierrn“ unterordnen, aber es wird auch gesagt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen... Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib ... Was euch angeht,

so liebe jeder von euch seine Frau wie sich selbst, die Frau aber ehre den Mann.“ (21.25.28.33)...

So schwanken viele Aussagen der Bibel: Man hat in der Umwelt gültige Grundregeln, Sitten in der urchristlichen Unterweisung beibehalten, aber sie auch aufgrund der in Jesus Christus begründeten Gemeinschaft von Männern und Frauen im Geist der Liebe neu geordnet. In gewisser Hinsicht wurden also die wandelbaren sozialen Verhältnisse — wenigstens in richtungsweisenden Ansätzen — verändert und neu bestimmt. Dabei kam es auch zu Forderungen und „Visionen“, die bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben. Ich zitiere nur das berühmte Wort Ga-

later 3,28: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“...

Der Vorwurf, die Bibel sei als ganze patriarchalisch bestimmt und gleichsam haltlos androzen-trisch orientiert, scheint mir also nicht zu stimmen. Gewiß besteht unsere Aufgabe heute darin, den tatsächlichen Befund der Schrift sorgfältiger und differenzierter zu erheben, in ihrem Licht die Tradition mit ihren Einflüssen kritisch, das heißt in gründlicher Unterscheidung der Geister, zu bedenken und verschüttete Wurzeln wieder freizulegen, die nicht einer patriarchalischen Sprache und Uberlieferung zugehören.

Der Autor ist Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Auszug aus seiner Festrede während der Salzburger Hochschulwochen am 31. Juli 1988.

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