Regenbogenkirche - © iStock/CAHKT

Queer und katholisch: Die Schöpfung ist vieldeutig

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Nicht nur in Deutschland outen sich queere Mitarbeitende der katholischen Kirche. Von menschengerechtem Umgang mit ihnen ist die Kirche meilenweit entfernt. Ein Gastkommentar.

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Nicht nur in Deutschland outen sich queere Mitarbeitende der katholischen Kirche. Von menschengerechtem Umgang mit ihnen ist die Kirche meilenweit entfernt. Ein Gastkommentar.

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Gemeinsame Outings sind nicht neu. „Wir haben abgetrieben!“ titelte 1971 die Zeitschrift Stern und ließ 374 Frauen bekennen, gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. 50 Jahre danach outen sich im Süddeutsche Zeitung Magazin 185 lesbische, schwule, bisexuelle, queere, nonbinäre und trans* Schauspieler(innen) mit dem Manifest „Wir sind schon da“. Nun haben sich am 24. Jänner auch 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche mit einem Manifest als queer geoutet (#OutInChurch) und erhielten dafür zahlreiche Solidaritätsbekundungen. Datumsgleich wurde in der ARD die betroffen machende Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ gesendet.

Solche Outings wollen Bewusstsein schaffen und Veränderungen bewirken. Der seit den 1970ern unter bestimmten Bedingungen straffreie Schwangerschaftsabbruch ist und bleibt aber ethisch heikel, da – eine konsistente Argumentation vorausgesetzt – bereits das ungeborene Kind ein eigenes Recht auf Leben hat. Bei LGBTIQ+-Personen geht es analog auch um ein Lebensrecht – bezogen auf die Anerkennung von sexueller Ausrichtung und geschlechtlicher Identität jenseits der heteronormativen Matrix, die nur die binäre Geschlechterordnung im Sinne einer natürlichen Dualität von Mann und Frau akzeptiert.

„Eindeutigkeit“ ist nicht zu retten

Wohl mehr noch als im schauspielerischen Bereich fehlt diese Anerkennung in der katholischen Kirche. Mit dem Manifest ist festzuhalten, dass die einschlägigen lehramtlichen Texte „in ihrem Kern die Diskriminierung und die Exklusion von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten“ aussagen. Das bewirkt für LGBTIQ+-Personen prekäre Lagen, da sie sich sagen lassen müssen, ihre Existenz sei objektiv ungeordnet, wider das natürliche Gesetz, jedenfalls nicht der Schöpfungsordnung Gottes entsprechend.

Zur Rettung dieser Schöpfungsordnung wurde kirchlich stets viel investiert. So wurde Galileis heliozentrisches Weltbild verurteilt und gegen Darwins Evolutionstheorie der historische Charakter der ersten drei Genesiskapitel behauptet, da diese im Wesentlichen, so die Päpstliche Bibelkommission 1909, „Erzählungen wirklich geschehener Dinge“ sind. Auch die Unterordnung der Frau war bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gemäß der Schöpfungsordnung als unveränderbar angesehen.

Diese Rettungsversuche sind heute aufgrund neuer Lesarten kaum mehr relevant. Stattdessen richten sie sich nunmehr gegen die „Gender-Ideologie“, der die Bildungskongregation 2019 als „Kern der Schöpfung“ entgegenstellt, dass Gott den Menschen „männlich und weiblich erschuf“ (Gen 1,27) und hierin Ehe und Familie gründen. Folglich können, so die Glaubenskongregation 2021, gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht „auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt“ und somit nicht gesegnet werden.

Erstaunlicherweise existiert verbreitet die Vorstellung, die Schöpfungserzählun­gen seien unmittelbar verständlich, obwohl vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden entstanden. Wer sie retten will, betont auch heute deren Eindeutigkeit und erklärt die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen als göttlich gesetzte Schöpfungsordnung zur primären Lesart. In diesem Sinne hat Kardinal Schönborn 2017 angesichts der Entscheidung des österreichische Verfassungsgerichtshofs zur Ehe für alle die Zuversicht geäußert, „dass sich langfristig die Einsicht in die Schöpfungsordnung wieder durchsetzen wird“.

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