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Gehilfin des Mannes...

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Wie kann heute, in der Zeit der berufstätigen Frauen und Mütter, wo Familie und Gesellschaft sich in einer tiefgreifenden Veränderung befinden, christliche frauliche Existenz gelebt und sinnvoll gedeutet werden?

Einen der bedeutendsten Versuche einer solchen Deutung unternahm die deutsche Theologin Prof. Doktor Elisabeth Gössmann mit ihrem Buch „Das Bild der Frau heute“. Nach ihr ruht das neue Selbstverständnis der Frau auf der Einsicht in die Unableitbarkeit des Frauseins vom Mann, in die gleiche Unmittelbarkeit des Menschseins von Mann und Frau. Neben dem biblischen Bericht von der Erschaffung der Eva aus der Rippe Adams trat bisher die andere Aussage: „Und Gott schuf

den Menschen nach seinem Bild. Als Mann und als Frau schuf er ihn“, ungebührlich in den Hintergrund. Das Bild von der Rippe und das Wort „Gehilfin des Mannes“ aber führten dazu, daß die Frau sich weitgehend vom Mann her verstand, der Mann aber den Existenzsinn der Frau auf sich hin bezog. Die „gottgewollte Unterordnung der Frau unter den Mann“ wird aber allein schon dadurch in ihrer meist primitiv vereinfachenden Deutung anfechtbar, wenn man — nach der neuen Exegese — sich in Erinnerung ruft, daß sowohl „Rippe“ als auch „Gehilfin“ vor allem ein besonderes Nahverhältnis, die sich von der übrigen Schöpfung abhebende „Artgleichheit“ des Menschenpaares, ihre personalle Du-Bezogenheit bezeichnen wollen.

Man muß sich nur der Meinung des heiligen Thomas von Aquin über die Frau erinnern, um zu sehen, mit wieviel historischem, keineswegs theologisch unanfechtbarem Ballast dieser Begriff von der „gottgewollten Unterordnung“ belastet ist, der zum größten Teil schon über Bord ging. Nach Thomas ist die Frau überhaupt nur ein zufälliges Wesen von gerin-

ger Geistes- und Willensstärke, eine minderwertigere Verwirklichung des Menschseins. Lediglich in der Erzeugung von Nachkommenschaft könne die Frau dem Mann eine Gehilfin sein, in jeder anderen Hinsicht sei der Mann dem Mann ein besserer Helfer. Demgegenüber wird heute schon verstanden, daß sich der Auftrag Gottes — „Seid fruchtbar und mehret euch und macht euch die Erde Untertan“ — an beide Menschen richtet, und sich nicht nur auf die Erzeugung von Nachkommenschaft, sondern auf die Bewältigung der Welt schlechthin bezieht. Es ist daher alles einge-

schlössen „eine tiefgreifende allgemeinmenschliche Partnerschaft von Mann und Frau — nicht Kampf, Neid und Wettstreit der Geschlechter; die Fähigkeit zur Begegnung und zur Gemeinschaft, die desto menschlicher wird, je mehr der Mann wie die Frau in sich selbst begründet sind — nicht Verfallensein des einen an den anderen; eine gesunde Entfaltung der in der Menschheit gelegenen Kräfte, sowohl aus der männlichen als auch aus der weiblichen Existenzform — nicht anonymer Beitrag der Frau zu den Schöpfungen des Mannes;

schließlich keine falsche Beschränkung der Frau in bezug auf Bildung und öffentliche Tätigkeit“ (Elisabeth Gössmann).

Fraulichkeit — Mütterlichkeit

Damit wird jedoch die geläufige Identifizierung von Fraulichkeit und Mütterlichkeit hinfällig. Jede Frau muß mütterlich sein, sei sie verheiratet oder unverheiratet. Die Liebe zum Vergänglichen, zum Bergen, Sorgen und Pflegen ist ihr heute wie eh und je aufgetragen. Darin aber erschöpft sich ihr Frausein nicht. Wenn sie heute in- und außerhalb des Berufes Sachlichkeit, klares Urteilsvermögen, selbständiges Denken, Distanz zu Mensch und Dingen zeigt, so sollte dies nicht wie bisher — ziemlich willkürlich und meist von Männern — als „unfraulich, typisch männlich“ bezeichnet werden. Der häufige männliche Trumpf, die Frau habe sich in der Geschichte bis heute als kaum schöpferisch erwiesen, sie sei einfach nur nachschaffend und nicht selbständig gestaltend in der Kultur, nur auf-nehmend-passiv gewesen, sagt vielleicht zunächst nicht mehr, als daß der Frau bisher kaum Raum für die Entfaltung solcher schöpferischen Kräfte gewährt wurde. (Davon abgesehen, daß siCh dies ja mit dem christlichen Frauemdeal kaum vertragen hätte.) Was aber heißt „schöpferisch“? Ist nicht jeder Mensch schöpferisch, wenn er imstande ist, in innerer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit die Welt und das eigene Ich als ständige Quelle neuer Entdeckungen zu erleben, die Strukturen der Welt zu deuten, seine Umwelt zu gestalten, seine Zukunft zu entwerfen? Die heutige Situation gibt der Frau Raum und Möglichkeit zu solchem Schöpferisch-sein.

Die eine Welt

Es ist längst eine Binsenweisheit geworden, daß die zivilisatorische, politische, geistige Entwicklung heute auf die eine Welt hindrängt, Hinter allen noch bestehenden politischen, rassischen, religiösen Gegensätzlichkeiten wächst das Gefühl der Solidarität aller Menschen. Einer Solidarität, für die Papst Johannes und Präsident Kennedy Symbol wurden. Ausdruck innerhalb der Kirche für diese Solidarität ist etwa die Betonung des allgemeinen Priestertums der Laien aber auch des „allgemeinen Ladentums, dem auch die Ordinierten zuzuzählen sind“ (Gössmann).

So ist vielleicht auch das neue Frauenbild letztlich Ausdruck dieser wachsenden Solidarität, der gemein' samen Verantwortung für die Welt und für die Kirche. Es sollte niCht als Suffragettentum in neuer Auf' läge mißverstanden werden. Die heutige Welt braucht Mütterlichkeit — nicht nur die Mütterlichkeit der Mütter, sondern aller Frauen und überall in der Gesellschaft, die gegenwärtig an Kontaktarmut, Ver einsamung, Isolation, dem Zerfall überkommener Formen des Zusammenlebens leidet. Aber sie braucht auch den Beitrag der Frau in allen Bereichen der Gesellschaft, des Geisteslebens. Allgemeinmensch liehe Partnerschaft von Mann und Frau — das heißt, auch gemeinsame Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens, gemeinsame Denkmühe in allen Wissenschaften, auch in der Theologie. Die Offenbarungswahr heiten sind kein ein für allemal sicher erworbenes und zu verwah rendes Gut, sondern müssen immerfort mit einer sich ändernden Welt konfrontiert werden. „Es ist nicht mehr als billig, wenn die Probleme des irdischen Daseins wie auch die strengen Geheimnisse des Glaubens von der Frau ebenso wie vom Mann theologisch durchdacht werden' (Gössmann).

NiCht die Forderung nach Gleich-bereChtigung im strikt juristisch-sozialpolitischen Sinn steht im Hintergrund der hier angestellten Überlegungen (wenngleich auch hierzu noch manches zu wünschen wäre), sondern die Hoffnung, daß es gelingt, in dieser heraufkommenden einen Welt die Fülle des Mensch seins darzuleben und zwar in der evangelischen Zuversicht, die darum weiß, daß das Reich auf uns zu kommt, ja, schon keimhaft und im Glauben da ist, in c'em „nicht mehr gilt Jude oder Heide, nicht mehr Knecht oder Freier, nicht mehr Mann oder Weib“, da „alle eins sind in Christus“ (Gal. 3, 28).

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