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Die Rollen der Frauen Arabiens

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Die Lage der arabischen Frauen gut aus westlicher Sicht oft als etwas Besonderes, Absonderliches, Außergewöhnliches. Nichts, das mit gängigen Maßstäben gemessen werden könnte. Ein Hauch exotisch-fremder Haremsatmosphäre, vermischt mit dem Zerr-büd des hakennasigen Semiten — „Kann man als Frau im Orient überhaupt existieren?“ Darauf scheinen Reflexionen und Fragen häufig hinauszulaufen.

So konstruiert sich die westliche Vorstellungswelt zunächst eine eigene Pseudo-Realität des Orients, um in diesem Konstrukt den „Orientalen“ als menschliches Wesen zu situieren und schließlich „die Frau“ davon abzutrennen, als selbstverständliches und allzeitiges Opfer der „Orientalität“. Die Lösung kann aus dieser Sicht nur in der „Ent-orientalisierung“ des „Orients“ bestehen.

Geht man aber vom Mythos zur konkreten Wirklichkeit über, erweisen sich meist die den Frauen im' arabisch-islamischen Raum erwachsenden Probleme — wenn auch nicht als ident — so doch als ähnlich und analog gelagert zu denen westlicher Frauen.

Ein gesetzlicher Nachholbedarf hegt weniger im Bereich politischer und sozialer Rechte, die den Frauen in den meisten arabisch-islamischen Ländern heute in vollem Umfange zustehen. Hingegen besteht ein beträchtlicher Rückstand im Bereich des Familienrechtes: denn dieses ist in den meisten Fällen an traditionalistischen, religiösen Formeln und Sichtweisen festgemacht und sieht damit weder die Selbständigkeit der Frau als Person noch ihre Gleichberechtigung mit dem Manne in Ehe und Familie vor.

Diese Mehrgleisigkeit der Gesetze, die neben uneingeschränkten politischen Rechten für die Frau andererseits ihr Mündigsein im privaten Bereich in Abrede stellen, indem sie die Frau der Vormundschaft des Ehegatten unterwerfen, führt oft zu paradoxen Situationen: so sind in mehreren arabischen Staaten Frauen bis in den Ministerrang aufgestiegen — andererseits ist nach herrschendem Familienrecht der Frau, also auch der Ministerin, eine Auslandsreise nur mit Einwilligung ihres Mannes gestattet!

Nicht sosehr die im islamischen Recht gestattete Polygamie des Mannes, die im Westen aufgrund kulturbedingter Vor- und Werturteile so große Entrüstung auslöst, stellt heute das Hauptproblem für Frauen im islamischen Raum dar, im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung ist die Polygamie ohnedies bereits ausgehöhlt und im Verschwinden begriffen.

Hingegen zählt zu den f amilien-politischen Anliegen der islamischen Frau die gesetzliche Neuregelung des vom Manne mißbräuchlich anwendbaren Scheidungsprivilegs sowie auch eine Neuregelung der Verfügungsgewalt über die Kinder nach der Scheidung. Die Kinder stehen nach traditioneller Anschauung im „Eigentum“ des Mannes und müssen nach der Scheidung bereits in frühem Alter — Buben meist ab dem siebenten, Mädchen ab dem neunten Lebensjahr - von der Mutter getrennt im Haushalt des Vaters aufwachsen.

Derzeit ist es praktisch noch in keinem arabischen Staat möglich, daß die Mutter nach der Scheidung nicht nur das Fürsorgerecht, sondern auch die gesetzliche Vormundschaft über ihre Kinder erwirkt.

So wie auch in anderen Kulturkreisen, wirken sich die patriarchalischen Strukturen der arabisch-islamischen Gesellschaft nicht nur einseitig zuungunsten der Frau aus. So bedeutet zwar die in manchen Regionen noch recht rigide angewandte Segregation der Geschlechter in allen Lebensbereichen einerseits Diskriminierung und Ausgrenzung der Frau aus dem öffentlichen Leben, andererseits ermöglicht sie es Frauen aber auch, zu Kommunikationsformen und Solidarität in einem psychosozial und oft auch örtlich definierten Raum (etwa bestimmte Teüe des Hauses, die den Frauen vorbehalten bleiben) • zu finden, zu denen der Mann keinen Zutritt hat.

Der Islam bleibt ein Fixpunkt in der Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Frauenemanzipation, beide Seiten führen ihn zur Verteidigung ihrer Sichtweisen ins Feld. Gehen die einen von traditionellen Moralvorstellungen der Frauenrolle als ““.Ehegattin Und Mutter“ aus, argumentieren die anderen — ähnlich ferninistischen Theologinnen im Christentum -, daß die Religion in ihren Prinzipien und ursprünglichen Ausprägungen durchaus nicht frauenfeindlich war.

Ein europäischer Wertungsversuch könnte sich am Urteü der ägyptischen Ärztin und Schriftstellerin Nawal as-Saadawi („Tschador, Frauen im Islam“, 1980) orientieren, die meint, daß die enge Verknüpfung von islamischer Religion und Patriarchat nicht religiös, sondern sozial und geschichtlich bedingt sei. Weniger der Inhalt einer Religion als „die fürstliche Stellung des Mannes“ und sein Versuch, an dieser mit allen Mitteln der patriarchalischen Gesellschaft festzuhalten, stünden vorerst größerer Freiheit und Freizügigkeit der islamisch-arabischen Frau noch im Wege.

Die Autorin ist Arabistin.

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