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Digital In Arbeit

Von Werbung nicht überschwemmt

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Daß jede Art der Werbung ein integrierter Bestandteil der modernen Konsumgesellschaft ist, kann als Binsenweisheit bezeichnet werden, die als solche keiner näheren Ausführung bedarf. Das Niveau der inländischen Werbung aber ist — abgesehen von einigen „high-lights“ — manchmal problematisch, wenn man westeuropäische Maßstäbe anlegt. Auch darüber will die Werbewirtschaftliche Tagung, die derzeit stattfindet, diskutieren.

Dr. Fröch, der Leiter einer Wiener Werbeagentur, bedauert diese Tatsache um so mehr, „weil viele Österreicher in den kreativen Abteilungen ausländischer Spitzenagenturen beschäftigt sind und im Grunde der Österreicher, was die Gestaltung, was das Verlagern der Emotion in die Werbung betrifft, sehr gut ist“. Leider werden die Erkenntnisse der letzten Jahre — und gerade in dieser Zeit hat die Werbung eine stürmische Entwicklung durchgemacht — bei der inländischen Ausbildung schändlich vernachlässigt. Vor wenigen Jahren noch genügte es, die mehr oder weniger bombastische Aussage über die Qualität einer Ware rein illustrativ zu untermauern. Die Gebrauchsgraphik, wie man sie bezeichnete, war weder ausgerichtet noch gezielt und der Intuition des Gestalters vollkommen überlassen, sie „war nur Ausdruck einer künstlerischen Leistung, die den Kaufeffekt erzielen sollte“. Heute hingegen meint man mit Werbegraphik „die graphische Gesaimtgestaltung“; diese unifaßt neben der Zeichnung die graphische Auflösung des Textes, das Ausnützen der Raumproportio- nen, Photos und auch Montagen. Es hat sich zwar nicht das Ziel der Werbegraphik, aber in sehr großem Maße der Weg, auf dem dieses erreicht Werden soll, geändert. ,

Infolge der Produktionsdichte unį der Möglichkeit der Durchleuchtung der Zielgruppe wird die Werbung immer gezielter und differenzierter. Es gibt in Österreich allerdings erst wenige Firmen, die in Marketing so stark entwickelt sind, daß sie den Werbeagenturen einen lückenlosen Informationsbau zur Verfügung stellen können. Dieser Informationsbau, der Vorbedingung für eine erfolgreiche Werbung ist, besteht aus einer Untersuchung der Markt-, Produkt- und Konsumlage. Auf diesen Untersuchungsergebnissen aufbauend, muß die Agentur eine Durchleuchtung der Zielgruppe vornehmen, deren soziologische Struktur, ihre Kapitalkraft und auch ihr durchschnittliches Leitbild erforschen. Erst nach dieser kostspieligen Grundlagenforschung, die einer dauernden

Überarbeitung bedarf und für die in Österreich nicht gerne Kapital bereitgestellt wird, kann mit der Entwicklung eines vorläufigen Werbekonzeptes begonnen werden, an das sich erst die graphische Gestaltung anschließt. Es kommt zwischen Text und graphischem Konzept zu einer „Rückkoppelung“, so daß man diese beiden Arbeitsvorgänge eigentlich nicht trennen kann. Wird der Informationsbau in allen seinen Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft, dann bleibt der Kreativität des Graphikers allerdings nur ein sehr schmaler Grat. Innerhalb der so abgesteckten Grenzen hat der Graphiker jedoch völlige Freiheit, die ihm in zunehmendem Maße auch vom Unternehmer, der in früherer Zeit oft seine „eigenen graphischen

Ideen“ verwirklicht sehen wollte, gewährt wird. Da man sich aber in Österreich noch immer eher an der überholten Methode, der rein illustrativen Graphik, orientiert, die modernen Erfordernisse erst in sehr geringem Maße berücksichtigt und „immer sofort in die Graphik steigt“, kommt es zu einer schwachen Durchformung, die natürlich das Niveau negativ beeinflußt.

„Niedrige Ebene“

Die vom Laien oft kritisierte „Primitivität“ der Werbung ist allerdings oft durchaus gewollt, denn die wirklich gute Kommunikation von Mensch zu Mensch spielt sich „auf einer ganz einfachen, ja niederen Ebene ab“. Das heißt: die einfachste Sache ist das, „was am besten an

kommt“, denn eine komplizierte Sprache bildet Barrieren und ist nicht kommunikativ. Genau das aber ist dem Sinn der Werbung konträr, denn man bemüht sich die Ichbezogenheit des modernen Menschen zu zerstören, ihn zum „Involvement“ zu bringen. Die Ansprechbarkeit des Konsumenten wird nur durch eine glaubwürdige Werbung erreicht, eine Werbung, die sich nicht schreiender Superlative bedient, sondern die in hohem Maße Information bringt.

Louis Jent, ein Mitarbeiter Schweizer Werbeagenturen, behauptet allerdings, daß „sachliche Information und Werbung einander ausschließen, daß die rein mediale Funktion der Information einem Wunschdenken entspringt“. Letztlich bezeichnet er „Information als Kampfmittel im Dienst partikularer Interessengruppen“.

Kapitalarmut

Neben den bereits aufgezeigten Schwierigkeiten, die sich aus der mangelnden Ausbildung, aus dem Verharren in übernommenen Denkmodellen ergeben, macht der Mangel an Kapital volumen in Österreich große Schwierigkeiten. Der Mangel an Kapital macht die antizyklische Werbepolitik, wie sie von der Lehre als Konjunkturstabilisator gefordert wird, unmöglich. Die Folge davon ist, daß in Zeiten der Hochkonjunktur sehr viel geworben wird, während in Restriktionszeiten die wirtschaftliche Flaute durch den Mangel an Werbung noch verstärkt wird. Wäh

rend in Deutschland 1,35 Prozent, in Großbritannien 1,48 Prozent und in den USA sogar 1,77 Prozent des Volkseinkommens für Werbung ausgegeben werden, macht sich der österreichische Aufwand mit 0,92 Prozent eher bescheiden. Damit

liegt Österreich im unteren Mittelfeld der westlichen Industriestaaten. Bedenkt man, daß der Werbung als „Motor der Verteilung“ große Bedeutung zukommt, so erscheint es folgerichtig, daß der Höhepunkt der Werbungswelle, die andere westliche Staaten längst überschwemmt hat, in Österreich noch lange nicht er-

reicht ist.

Inländische Agenturen werden daher, obwohl sie mit wesentlich größere Schwierigkeiten als ausländische Wenbeunternehmungen zu kämpfen haben, per saldo sogar ganz gut abschneiden.

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