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Gut gedämmte Häuser mit großen Fensterflächen nach Süden kommen im Winter nur mit der Sonnenwärme aus.

Wer im 1980 erschienenen Buch Energiewende nachblättert, liest auf Seite 74: "Der Wärmebedarf eines Gebäudes kann auch in einem kalten Klima mit entsprechendem Aufwand auf Null gebracht werden." Das klang vor 20 Jahren noch ziemlich utopisch - auch wenn es sich in einigen mit viel Technik aufgemotzten Modellhäusern verwirklichen ließ. Mittlerweile aber ist viel von dem, was die Autoren dieser Untersuchung des Öko-Instituts in Freiburg damals in Aussicht stellten, sogar zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten realisiert worden.

Unter der Bezeichnung "Passivhaus" werden heute Gebäude errichtet, die im Normalfall ohne Heizung auskommen. Sie schneiden damit in Sachen Energie viel besser ab als Niedrig-Energiehäuser, nach deren Standard sich die öffentlichen Förderungen heute überwiegend ausrichten. Dabei sind schon diese Häuser - sie benötigen pro Jahr sieben Liter Heizöl pro Quadratmeter Nutzfläche - ein gewaltiger Fortschritt in Sachen Energienutzung im Vergleich zu älteren Gebäuden. Insbesondere in den sechziger Jahren nahm man ja so gut wie keine Rücksicht auf Wärmedämmung. Dementsprechend hoch ist daher auch der Sanierungsbedarf dieses Gebäudebestandes.

Exzellente Wärmedämmung

Grundbedingung für das Funktionieren von Passivhäusern ist eine Gebäudehülle, die Wärmeverluste auf ein Minimum reduziert. Das bedeutet eine Dämmung der Mauern, die so gut ist, dass die Außenwände innen um maximal ein Grad kühler als die Raumluft sind. Nebenbei bemerkt wirkt sich die gute Isolierung auch im Sommer positiv aus: In Passivhäusern bleibt es dann deutlich kühler als in anderen Gebäuden. Man erspart sich also auf jeden Fall eine Kühlanlage.

Gute Isolierung bedeutet auch ausgezeichnet abdichtende Fenster: Dreischeiben-Verglasung, sehr gut gedämmter Rahmen, nur geringer Verlust am Glasrand. Rahmen aus Kunststoff, Holz, Polyurethan und Kombinationen dieser Stoffe (auch mit Alu) entsprechen diesen hohen Anforderungen.

Die Fenster sind deswegen von so großer Bedeutung, weil Passivhäuser so ausgerichtet sind, dass sie viel Sonne in die Räume einlassen. Das heißt große, nach Süden ausgerichtete Fenster, die im Winter bei niedrigem Sonnenstand viel Wärme aufnehmen (bei hochstehender Sonne im Sommer schützen schirmähnliche Vordächer vor Überhitzung). Mittels thermischer Solaranlagen in Kombination mit Biomasse-Verbrennung wird Warmwasser erzeugt und bei Bedarf Wärme zugeführt. Ausgelegt ist das System auf Raumtemperaturen von 20 Grad bei Außentemperaturen bis -10 Grad.

Die Erfahrung lehrt, dass das Lüften der Räume etwa 3,5 Liter Heizöl pro Quadratmeter kostet. Will man diese Menge einsparen, muss man die Häuser so konzipieren, dass sie ohne Lüften auskommen. Da Frischluft für das Wohlbefinden aber unbedingt notwendig ist, muss sie über ein Lüftungssystem eingebracht werden, das die Wärme der abgesaugten Luft auf die zugeführte überträgt. Solche Wärme-Rückgewinnungsanlagen sind jedoch teuer. Sie kosten etwa 5.000 e, eine Investition, die nur durch eingesparte Betriebskosten nicht hereingespielt werden kann.

Wenn heute die Passivhäuser dennoch zu ökonomisch vertretbaren Preisen mit Lüftungssystemen ausgestattet sind, so liegt dies daran, dass diese auch als Heizung für die Wohnung fungieren. Damit entfallen die aufwendigen Investitionen für Heizkörper, Heizungsrohre und größere Brennstoff-Lagerräume.

Einen Schritt weiter geht der Deutsche Architekt Rolf Disch mit seinen "Plus-Energie-Häusern". Sie liefern mehr Energie als sie verbrauchen. Dieses Konzept wird in der Solarsiedlung am Schlierberg in Freiburg, einer Wohnhausanlage mit 200 Einheiten verwirklicht: Reihenhäuser und ein großes Gebäude mit Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen. Die Reihenhäuser sind mit den Wohnräumen nach Süden, den Serviceräumen nach Norden ausgerichtet und die Abstände so gewählt, dass im Winter die Sonne in die Räume scheint.

Stromlieferanten

Die Bauten sind sehr gut gedämmt. 500 Quadratmeter Warmwasser-Kollektoren versorgen die Siedlung über ein Leitungsnetz mit Wärme. Auf den Hausdächern sind Solarstromanlagen eingerichtet. Der Elektrizitätsüberschuss wird ins öffentliche Netz eingespeist. Anstatt hoher Ausgaben für Heizzwecke, spiele ein Plus-Energie-Haus sogar Einnahmen aus dem Stromverkauf ein, die zwischen 150 und 350 e liegen, rechnet Disch vor.

Energieeffizientes Wohnen sei heute zu vernünftigen Preisen möglich, behaupten jedenfalls einschlägige Untersuchungen, die sich auf internationale Erfahrungen stützen. Sie werden unter anderem im Rahmen des EUForschungs- und Demonstrationsobjekts für Passivhäuser CEPHEUS ("Cost Efficient Passive Houses as European Standards") gesammelt und verwerten die Daten von Gebäuden an 14 Standorten in Deutschland, Frankreich, Schweden, der Schweiz und Österreich mit insgesamt 2210 Wohneinheiten.

Sie zeigen, dass es eine wirtschaftliche Alternative zu der nach wie vor üblichen Bauweise gibt, die immer noch den Energieverbrauch zu wenig berücksichtigt. Um hier eine Wende herbeizuführen, wird man wohl nicht nur auf eine Verteuerung der fossilen Energie, sondern auch auf eine neue Architekten-Generation warten müssen. Dennoch sei festgehalten: Was 1980 als frommer Wunsch von Öko-Fantasten angesehen wurde, ist mittlerweile zur Marktreife gediehen.

ZUM THEMA: Energie-Wende

Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und und Uran. Von Florentin Krause, Hartmut Bossel, Karl-Friedrich Müller-Reißmann, S. Fischer, Frankfurt a. M. 1980, 234 Seiten.

Passivhäuser

Schwerpunkt-Thema der Hefte 00-1 und 02-3 von "erneuerbare energie - Zeitschrift für eine nachhaltige Energiezukunft".

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