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Öko-Landbau - was sonst?
Die Diskussion um die Zukunft der Landwirtschaft hat eine Viel- zahl von Aspekten. Einer davon ist die Frage nach dem Verständnis des Menschen für seinen Lebens- raum. Wenn im Nachstehenden der Begriff Ökologie verwendet wird, soll klargestellt sein, daß damit nicht nur die wissenschaftliche Be- schreibung der Wechselwirkungen zwischenFauna, Flora und Lebens- raum verstanden wird, sondern auch eine solche der Aktivitäten des Menschen. Der Mensch ist Teil des Lebensraumes Erde und kann daher gar nicht gesondert betrach- tet werden.
Die Inangriffnahme landwirt- schaftlicher Kultivierungsmaßnah- men im Verlaufe der menschlichen Konsequenzen: Aus der Naturland- schaft wird Kulturlandschaft, der Mensch entwickelt sich vom Jäger und Sammler zum Pfleger und Gestalter. Das hat nicht nur einen Eingriff in das Gestaltungsgefüge Evolution zur Folge, sondern be- deutet auch die Übernahme der Verantwortung für die Funktions- fähigkeit der Lebensgrundlagen. Es gibt kein zurück zur Natur: Die Menschheit könnte heute nicht mehr als Jäger und Sammlergesell- schaft in einer Naturlandschaft leben.
Mit wenigen Ausnahmen ist das, was wir in Europa heute leichtfer- tig als Natur bezeichnen, genutzte und gestaltete Landschaft. Durch die Art der Nutzung und Gestal- tung wird einerseits der jeweilige Zustand des Lebensraumes beein- flußt, andererseits der Grundstein für den zukünftigen Entwicklungs- weg gelegt. Die Diskussion um die von der Landwirtschaft verursach- ten Umweltschäden ist wenig fruchtbar, da sie den Kern des an- stehenden Problems nicht berührt. Die Intoxikation von Boden, Luft und Wasser und verminderte Pro- duktqualität sind nur Indikatoren für Fehlverhalten, nicht das Pro- blem an sich.
Die grundlegende Problematik ist aus ökologischer Sicht durch die Linearisierung der heute gängigen Agrarproduktionsmethoden gege- ben. Aus ökonomischen Gründen war in den vergangenen Jahrzehn- ten eine Intensivierung und Spe- zialisierung der landwirtschaftli- chen Produktionsmethoden vorran- gig. Stoffkreisläufe wurden aufge- brochen und vorhandene Regula- tionseigenschaften von Landschaf- ten durch chemisch synthetische Regulation ersetzt. Diese Vorgangs- weise macht die Landwirtschaft von der Zufuhr betriebsexterner Be- wirtschaftungsmittel abhängig, nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch aus ökologischer. Im Bereich der ökologischen Betrach- tungsweise müßte der Begriff be- triebsextern durch standortextern ersetzt werden.
Die zu verzeichnenden Umwelt- schäden können als Resultierende aus der Etablierung linearer Pro- duktionssysteme in Kreislaufsyste- me Biosphäre aufgefaßt werden.
Ökologisch orientiertes Wirt- schaften bedeutet daher, die Pro- duktionsmethoden und alle Gestal- tungsmaßnahmen so einzurichten. daß diese mit den Abläufen der Biosphäre im Einklang stehen.
Die zukünftige landwirtschaft- lich Entwicklung muß neue Wege beschreiten. Landwirtschaft bedeu- tet dann in einem grundlegenden Sinn nicht die Produktion möglichst großer Biomassemengen, sondern eben Gestaltung und Pflege des Lebensraumes und Erzeugung ei- ner ausreichenden Menge von Nahrungsmitteln und biogenen Rohstoffen. Sie sollte Kulturlei- stung im besten Sinne des Wortes sein. Wer mehr produziert, als er braucht und dabei die eigenen Lebensgrundlagen zerstört, straft sich selber Lügen.
Historisch gesehen war das Be- treiben von Landwirtschaft ein Kampf mit der Natur, da Land- wirtschaft an sich nicht „natürlich" ist.
Die Kulturleistung der Landwirt- schaft muß zukünftig darin gese- hen werden, Frieden mit dem eige- nen Lebensraum zu schließen.
Das bedeutet auch Mut zur Äs- thetik in der Landschaftsgestal- tung. Wir können uns zukünftig keine Welt mehr leisten, wo Pro- duktion Häßliches hervorbringt. Dazu bedarf es keiner näheren wissenschaftlichen Erläuterung.
Landwirtschaft wird von Men- schen betrieben. Es bedarf daher auch einer umfassenden Ausbil- dung dieser Menschen nicht nur in Richtung Produktionsmethoden und Rentabilitäten, sondern auch über ökologische Zusammenhän- ge. Der Beruf des Bauern sollte eigentlich der eines angewandten Ökologen sein.
Aus dem bisher Dargestellten geht hervor, daß der ökologische Landbau keine Alternative im Sin- ne der heute diskutierten Alterna- tivkulturen ist. Er stellt vielmehr den einzigen in der Zukunft gang- baren Weg der Landwirtschaft dar. Basierend auf dem heutigen Wis- sensstand wäre es nicht zu verant- worten, weiterhin ökologisch un- angepaßt zu wirtschaften.
Der Aufbau einer neuen Kultur- landschaft nach ökologischen Ge- sichtspunkten, die Schließung der Stoffkreisläufe, die Abstimmung der landtechnischen Maschinen auf die Erfordernisse der Kulturland- schaft, vielfältige und standortge- rechte Fruchtfolgen, Ersatz der chemischen Bekämpfungsmittel durch biologische Pflegemittel, eine artgerechte an die Produktionsflä- che angepaßte Tierhaltung und dies alles im Rahmen der Erhaltung einer bäuerlichen Landwirtschaft sind Aufgaben genug.
Dieser friedliche ökologische Weg wird jedoch nur dann möglich sein, falls die volkswirtschaftlichen Rah- menbedingungen für die Landwirt- schaft ebenfalls neu gestaltet wer- den (siehe Seite 16). Dies gilt umso- mehr im Hinblick auf stattfinden- de GATT-Verhandlungen und EG- Gespräche. Zumindest den Ökolo- gen wird man nicht vorwerfen können, daß sie nicht rechtzeitig ihre Stimme erhoben hätten.
Die Förderung der ökologischen Landbaumethoden anstelle der Subventionierung agrarischer Unvernunft sollte nicht mehr län- ger diskutiert, sondern umgesetzt werden.
Univ.-Doz. Dr. Ludwig Maurer ist Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Biologischen Landbau und Dozent für angewandte Ökologie an der Universität Wien.
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