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Das Bauerntum erhalten

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Der Bauernstand und die bäuer- liche Lebensform galten immer in einem gewissen Maße als etwas, das einen besonderen Wert hat; einen Wert, der über die bloße marktkon- forme Nahrungsmittelproduktion hinausgeht.

Eine Grundlage solchen Denkens war sehr lange die Angst vor Hun- gersnöten und Krisenzeiten - und damit das Postulat der Ernährungs- Autarkie: Wir müssen die Bauern auf jeden Fall haben, wie teuer sie uns auch kommen, weil wir sie zur Sicherung unserer Lebensmittel- versorgung brauchen, ähnlich wie ein Heer zur Sicherung der Landes- verteidigung.

Dieses Bewußtssein ist heute mit der Auflösung der Ost-West-Span- nung in Europa und mit dem Wach- sen des Welthandels rapid im Schwinden begriffen. Doch bleibt ein grundlegendes Interesse an der langfristigen Wahrung unserer Lebensbasis ökologischer Natur be- stehen. Diese Sorge ist dominant geworden.

Boden, Wasser und genetisches Reservoir sind in einem neuen Sinn Lebensbasis geworden. Dazu kommt noch die Bewahrung der Landschaft und der bäuerlichen Kultur, von Jiedlungsform und Architektur bis zu Brauchtum und Volkskunst.

Wir haben Untersuchungen, die zeigen, daß in Österreich etwa 80 Prozent der Bevölkerung wegen dieser grundlegenden Leistungen unbedingt die Beibehaltung des Bauerntums verlangen. Und das steht in der Priorität noch vor der Forderung nach Beibehaltung der Produktqualität, die etwa von 50 bis 60 Prozent heute schon als wesentliche Leistung der Landwirt- schaft anerkannt wird.

Zu betonen ist „heute schon", denn solche Entwicklungen gehen sehr rasch vor sich, in historischen Zeiträumen gesehen. Ähnliche Untersuchungen in England zeigen in den letzten zehn Jahren schon wieder ein Schwinden des Zutrau- ens in die Landwirtschaft bezüg- lich der Erhaltung ökologischer Grundlagen. Aber auch bei uns wächst die ökologische Kritik an der Landwirtschaft.

Es fehlt an Transparenz und Lei- stungsorientierungen, an Kriterien für Bodenqualität, Grundwasser- qualität, Tier- und Pflanzenbioto- pen, auch an Formen der Kultur- landschaft und des Erholungsrau- mes, die an die Agrarpolitik gebun- den wären. Solche Kriterien müß- ten konkret formuliert werden und klar meßbar und damit auch be- wertbar sein. Transparenz ist sehr wesentlich für die öffentliche Bej a- hung - gerade in der heutigen Zeit, in der alle öffentlichen Aufwen- dungen in den Verdacht der Ineffi- zienz geraten.

Die nächste große Entwicklung unserer Gesellschaft geht sicher dahin, marktähnliche Strukturen auch für kollektive Güter der öf- fentlichen Hand einzuführen, Steu- erungselemente, die genauso klare Kriterien des Erfolges haben müs- sen, wie es die Nachfrage auf dem Markt ist.

Wie kommt man aber zu solchen vollkommen neuen Bewertungs- und damit auch Bezahlungskrite- rien? Es wäre ein grobes Mißver- ständnis zu glauben, man müsse heute das derzeit bestehende Stüt- zungs- und Förderungssystem, die Marktordnung, mit zusätzlichen Direktzahlungen einfach ablösen und durch ein vollkommen perfek- tes, fertiges und neues System er- setzen.

Wo in einem Lern- und Adap- tionsprozeß erst etwas völlig Neues „erfunden" und entwickelt werden muß, ist eine „Revolution" fehl am Platz. Andererseits ist es gerade hier ganz leicht möglich - ja überhaupt der natürliche Weg - durch schritt- weise Innovationen das System in einer sanften Erneuerung völlig um- zuwandeln.

Ansätze sind schon reichlich vorhanden, Direktzahlungen oder an Bewirtschaftungsbedingungen geknüpfte Leistungszahlungen verschiedenster Form gibt es, der Weg der flexiblen Innovation ist schon beschritten.

Der Autor ist Geschäftsführer des Institutes für Empirische Sozialforschung in Wien, sein Beitrag ein Auszug aus Agrarische Rundschau 4/1990.

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