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Den Gegensatz von Mensch und Natur überwinden helfen

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Die Universität für Bodenkultur ist die einzige Universität in Österreich, die Natur, Technik und Wirtschaft hinsichtlich theoretischer Grundlagen und praktischer Anwendung wissenschaftlich in sich vereinigt. Sie ist die einzige technische Hochschule Österreichs mit ausgeprägt biologisch-ökologischer Orientierung und die einzige Universität, an der Landwirtschaft, Forst- und Holzwirtschaft, Kulturtechnik und Wasserwirt-Schaft sowie Lebensmittel- und Gärungstechnologie studiert werden können. Daneben gibt es noch Spezialstudien wie „Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung“, „Naturschutz und 'Wildbewirtschaftung“, „Wildbiologie und Jagdwirtschaft“.

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Die Universität für Bodenkultur ist die einzige Universität in Österreich, die Natur, Technik und Wirtschaft hinsichtlich theoretischer Grundlagen und praktischer Anwendung wissenschaftlich in sich vereinigt. Sie ist die einzige technische Hochschule Österreichs mit ausgeprägt biologisch-ökologischer Orientierung und die einzige Universität, an der Landwirtschaft, Forst- und Holzwirtschaft, Kulturtechnik und Wasserwirt-Schaft sowie Lebensmittel- und Gärungstechnologie studiert werden können. Daneben gibt es noch Spezialstudien wie „Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung“, „Naturschutz und 'Wildbewirtschaftung“, „Wildbiologie und Jagdwirtschaft“.

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Diese Monopolstellung verpflichtet zu besonderer Leistung und Selbstkritik. Sie bewirkt aber auch, daß von der „Boku“ allgemein mehr erwartet wird, als sie leisten kann. Sie ist für vieles zu arm und zu klein. Als Universität des ländlichen Raumes müßte sie massiv von den Bundesländern und den Interessenvertretungen des ländlichen Raumes unterstützt werden. Als Universität des ländlichen Raumes mit dem Sitz in Wien muß sie aus der Not eine Tugend machen und ständig zu Kooperationen und Kontakten vielfältiger Art bereit sein. Deshalb muß sie auch ihre Informationstätigkeit verbessern.

Die Universität für Bodenkultur ist keine reine „Agraruniversität“. Sie betreibt nicht nur Forschung und Berufsvorbildung für die Land- und Forstwirtschaft, sondern auch für viele andere Gebiete, wie die Wasserwirtschaft, die Bauwirtschaft, die Holzwirtschaft, die Lebensmittel- und Getränkewirtschaft, die Energiewirtschaft, die Verkehrswirtschaft, die Raumplanung und Grünlandgestaltung, für Landschaftspflege und Naturschutz.

Die„Boku“ ist durch eine Vielfalt des Forschungs- und Lehrangebotes charakterisiert. Im Rahmen der vier Fachgruppen arbeiten rund 60 Professoren und 100 Assistenten in über 30 Instituten. Seit jeher wurde hier eine ingenieurmäßige, fachliche, praxisnahe Ausbildung auf universeller Basis und mit einer Vielfalt von Hilfs- und Ergänzungsfächern gepflegt, von denen hier Fremdsprachen, Fächer über Entwicklungsländer, Sozialwissenschaften, spezielle Umwelt sowie Rechts-

fächer hervorgehoben werden sollen. Insgesamt werden den rund 2000 Hörern Lehrveranstaltungen in rund 250 Gegenständen angeboten.

Auf gemeinsamen Grundlagenfächern aller Studienrichtungen - Mathematik, Statistik, Chemie, Physik, Botanik, Zoologie - bauen die Hauptfächer, die produktionstechnischen, technologischen und Wirtschaftsfächer und damit die Spezialausbildung auf. Neben den Diplomstudiengängen, die mit dem „Diplomingenieur“ abschließen, besteht das Doktoratsstudium, das mit dem „Doktor der Bodenkultur“ („Dr. rer. nat. techn.“) beendet wird.

Die Fächervielfalt, durch die der Student sich durcharbeiten muß, wobei das System der Einzellehrveranstaltung und Einzelprüfung vor-

herrscht, wirkt desintegrierend. Deshalb muß das didaktische Bemühen in Richtung einer komplexen Schau und einer ganzheitlichen Sicht gehen, ökologische, ökonomische, juristische und raumplanerische Fächer können integrativ wirken. Sie können der Summe von Einzelheiten eine zusammenfassende Deutung geben.

Der ländliche Raum und die natürliche Umwelt werden in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Daher wird „Bildung durch Ökologie“ mehr und mehr zur politischen Bildung werden. Sie gründet auf Erkenntnis, daß die Natur nach besonderen Gesetzen geordnet ist. Alles Leben ist nur unter bestimmten Umweltbedingungen möglich, wobei jede Organismenart besondere Ansprüche stellt. Organismen sind nur in Lebensgemeinschaften bestimmter Artzusammensetzung und in dynamischen, sich selbstregulierenden Gleichgewichten lebendig. Diese Gemeinschaften, Biozönosen, bilden mit ihrer Umwelt ökologische Einheiten, Ökosysteme, die höchste Stabilität anstreben, aber offen sind. Damit ermöglichen siei Entwicklungen, aber auch Störungen, Dabei beeinflussen alle jeweils ablaufenden Naturprozesse einander wechselseitig und hängen im Zeitablauf zusammen. Jeder Eingriff in die Natur löst daher Kettenreaktionen aus. Dabei vermag der Mensch als einziges Lebewesen planmäßig in das Naturgeschehen einzugreifen und ökologische Gleichgewichte zu stören, sie zu zerstören. Er allein vermag die Gesetze der Natur in den Dienst gegen die Natur und sich selbst zu stellen. Der Unterschied zu früheren Zeiten besteht darin, daß die Menschen heute erstmalig an Grenzen stehen, insbesondere an den Grenzen der Belastbarkeit der Natur.

Der Kampf zwischen Mensch und Natur, ein Motor der Geschichte, hat hinsichtlich Umfang und Intensität die Grenze erreicht. Die seit der Aufklärung einsetzende Rationalisierung der Natur hat diese mehr und mehr zum Herrschaftsobjekt des Menschen gemacht. Was die Menschen von der Natur lernten, war, auch sie auszubeuten, um sie und die Menschen zu beherrschen. Das Wissen, das Macht ist, hat die Natur und dadurch auch Menschen ausgebeutet. Naturerkenntnis wurde zur Naturbeherrschung und Naturausbeutung. Büdung durch Ökologie sollte den Gegensatz von Mensch und Natur überwinden helfen. Sie sollte helfen, eine bessere Welt zu schaffen, in der weder die Natur noch der Mensch ausgebeutet werden. Sie soll die ökologischen Gesetze zur Bewußtseinsverfassung machen. Die Erkenntnis der Grenze der Naturausbeutung und -belastung soll zur Selbsterkenntnis und Selbstbescheidung führen, y

„Bildung durch Ökologie“ setzt ökologische Forschung voraus. Eine der zentralen Aufgaben der „Boku“ ist die Erforschung des Haushaltes und des Kreislaufes der Natur sowie das Studium des komplexen Wirkungsgefü-ges zwischen Biozönosen, also den Lebensgemeinschaften, und ihren Umweltbedingungen. Die Belastbarkeit der Ökosysteme und die Rückführung von Abfallstoffen in den Kreislauf der Natur sind auch für die Praxis von besonderer Wichtigkeit.

Traditionellerweise ist in der Land-und Forstwirtschaft der Grundsatz der

Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung tief verwurzelt: das Streben nach Stetigkeit und Gleichmaß guter Erträge. Nachhaltigkeit ist aber heute nur im Einklang mit ökologischer Forschung möglich. Dabei stehen an der Universität für Bodenkultur naturgemäß die Umweltbereiche Boden, Wald, Wasser und Luft im Vordergrund. Von dieser Forschung wird die Ausbildung beeinflußt, die mehr als früher die Umweltproblematik betont. Manche erwarten die Wende von der ökologisch-technischen „Hegemonie“ zur ökologischen. Der biologisch-ökologische Sektor hat sich jedenfalls in Forschung und Lehre ausgeweitet. Auch das Interesse der Studenten hat diesbezüglich zuge-

nommen. Zu hoffen ist, daß das Interesse der Politik und die Forschungsförderung auf diesem Gebiet ebenso zunehmen.

Das Spezialstudium „Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung“ signalisiert diese Wende in der Geschichte der „Alma mater viridis“. Es schließt eine Lücke, die zwischen hochspezialisierten Technikern ohne biologische Ausbildung und reinen Botanikern und Zoologen ohne technisch-praktische Ausbildung besteht. Es handelt sich um eine Verbindung von ingenieursmäßiger und ökologischer Ausbildung, die dem Absolventen eine Beurteilung technischer und ökonomischer Sachverhalte aus ganzheitlicher ingenieursbiologischer Sicht ermöglicht.

Beim heutigen Landschaftskonsum ist zweifellos ein Bedarf an Landschaftsökologen und -planern gegeben. Gerade die engagierten Studenten wollen ihr Spezialstudium „Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung“ als eigene Studienrichtung eingerichtet sehen. Eine Reihe engagierter Wissenschafter stimmt dem zu. Notwendig ist aber eine Reihe engagierter Politiker. Denn es bedarf einer politischen Entscheidung, einer Entscheidung des Gesetzgebers. Die Vielfalt der „Boku“ macht es jedenfalls dem Gesetzgeber leicht, da keine Kosten zu erwarten sind.

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