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Panzer in der Wüste

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„Auch der sagenhafte Reichtum des Königs Krösus“, schrieb kürzlich ein maßgeblicher amerikanischer Publizist, „verblaßt vor der Geldmacht der heutigen ölstaaten des Mittleren Ostens.“

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„Auch der sagenhafte Reichtum des Königs Krösus“, schrieb kürzlich ein maßgeblicher amerikanischer Publizist, „verblaßt vor der Geldmacht der heutigen ölstaaten des Mittleren Ostens.“

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Der reichste ölstaat, Saudi-Arabien, mit seiner Bevölkerung von sieben Millionen, wird in wenigen Jahren mehr Gold und Devisen besitzen als die USA und Japan zusammengenommen. In den letzten Jahren hat sich das Einkommen dieser ölstaaten verdoppelt und wird sich schätzungsweise bis 1980 vervierfachen. Ein Teil der Dollarguthaben von Nichtamerikanern, vor der Dollarabwertung im Betrage von etwa achtzig Milliarden Dollar, die durch Umbuchungen blitzschnell von einem Land in das andere transferiert werden konnten, gehört den nahöstlichen ölstaaten. Nach kürzlich in den USA veröffentlichten Schätzungen soll ein Viertel der vor der letzten Markaufwertung nach Deutschland transferierten Milliardenbeträge im Auftrag arabischer Erdölstaaten nach Deutschland geflossen sein, die, ebenso wie viele andere, ihre Dollars verkauften, um den zu erwartenden Kursverlusten vorzubeugen. Heute fordern sie die künftige Verrechnung ihrer Gewinnanteile statt auf Dollarbasis in wertbeständigem Gold. Auf dem Höhepunkt der jüngsten internationalen Währungskrise wurden amerikanische Andeutungen, man könnte die freie Verfügbarkeit der ölländer über ihren Devisenüberschuß einschränken, mit der Drohung, den Öl-hahn zuzudrehen, beantwortet.

Da jetzt im Falle der Nichterfüllung der Forderungen der ölstaaten die Möglichkeit einer Drosselung der ÖMieferungen aus dem Mittleren Osten in greifbare Nähe rückt, werden in westlichen Ländern, und vor allem in den USA, Pläne für eine viel umfangreichere Erschließung erdölersetzender Energiequellen ausgearbeitet, um die Abhängigkeit von erdölfördernden Ländern einzuschränken. In diesem Zusammenhang ist in den Vereinigten Staaten bekanntgeworden, daß zwei der größten Erdölkonzerne sich nunmehr sogar an der Erschließung von Uran--vorkommen beteiligen wollen.

Nach Berichten von Gewährsmännern erwägt man auch in amerikanischen Regierungskreisen die großzügige Förderung zusätzlicher Energiegewinnung durch synthetische Verfahren, einen rationelleren Kohlenabbau und die Intensivierung der Vorarbeiten zur Nutzung der Sonnenenergie ebenso, wie der Nutzbar----—_i_

machung der Atomkraft, um nicht später zu Rationierungsmaßnahmen übergehen zu müssen. Auch die Massenmedien sollen sich bemühen, die Automobilindustrie zu Neukonstruktionen und die Autofahrer zu einer freiwilligen Einschränkung des Benzinverbrauches zu veranlassen. Es mag ein Faktum am Rande sein — das aber die Araber unruhig werden ließ —, daß die USA in der südkalifornischen Wüste kürzlich die größten Wüstenmanöver der US-Armee abhielten. Die Gl trugen Wüstenhelme und gruben Löcher in den heißen Sand ...

Die Zeiten sind aber vorbei, da noch westliche Länder keiner ziemlich geschlossenen Interessengemeinschaft von öllieferstaaten gegenüberstanden. Sie müssen vielmehr der veränderten Lage offen oder unauffällig Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang wird von manchen die Haltung Willy Brandts bei seinem jüngsten Besuch in Israel gedeutet, mit der viele Israelis nicht sehr zufrieden waren. Bekanntlich erwarten die arabischen Ölstaaten, die den Erdölhahn in der Hand haben, als Gegenleistung auch für das mindeste Entgegenkommen eine proarabische Einstellung zu ihrem Konflikt mit Israel. Allerdings glaubt man nicht, daß die besonnenen arabischen Erdölländer wirklich auf einen Krieg mit Israel hinarbeiten, der ihr gigantisches ölgeschäft stö-

ren, wenn nicht sogar vernichten könnte. Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang die in diesen Tagen in den Vereinigten Staaten erhobenen heftigen Proteste jüdischer Organisationen gegen die Standard Oil Company of California, die, einem in Frankreich veröffentlichten Bericht zufolge, ihren Aktionären und Angestellten kürzlich „die Unterstützung der Aspiration der arabischen Völker“ nahegelegt hat.

Nicht nur im asiatischen Bereich, sondern auch weit darüber hinaus steht das gesamte Kräftespiel vieler Länder im Zeichen der Sorge um die Sicherung ihrer Erdölzufuhren. Um sich vor Überraschungen irgendwelcher Art zu sichern, haben die reichen arabischen ölstaaten, aber auch der Iran, ein gewaltiges Aufrüstungsprogramm in Gang gesetzt. König Feisal von Saudi-Arabien verfügt schon jetzt über eine gewaltige Panzerarmada und hat außerdem kürzlich in England einen zusätzlichen Waffenlieferungsvertrag über mehrere hundert Millionen Pfund Sterling abgeschlossen.

Die Zeiten sind vorbei, in denen noch der Scheich eines kleinen ölge-bietes am Persischen Golf die großen Einkünfte aus seinen Erdöllieferungen in Form von großen Banknotenbündeln in den Kellergewölben seines Palastes einlagern ließ. Heute treten arabische Dollarmultimillionäre sogar auf dem Londoner Immobilienmarkt in Erscheinung und steuern in guter Zusammenarbeit mit Kapazitäten der europäischen, japanischen und amerikanischen Hochfinanz Großbanken in Frankreich, Luxemburg und anderen Ländern.

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