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15 Jahre gewerbl. Wirtschaft Tirols

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Der rasche Wiederaufbau der gewerblichen Wirtschaft in Tirol nach Kriegsende ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie private Unternehmer durch Wagemut und Tatkraft fast unüberwindlich erscheinende Schwierigkeiten letztlich doch zu überwinden vermögen. Trotz mancher total zerstörter Betriebe, Fehlen fast aller Rohstoffe und der Kohle, trotz Behinderungen vielfältigster Art, wurden fast alle vorhandenen Betriebe in kürzester Frist in Gang gebracht, wo es nicht anders ging, wie z. B. in der Textilindustrie, vorerst einmal mit ausländischen, meist schweizerischen Lohnaufträgen. Innerhalb von knapp zwei Jahren fanden bereits 70.000 Arbeiter und Angestellte in der gewerblichen Wirtschaft Tirols wieder gesicherte Existenz. Angesichts des strukturellen Wandels, der sich in der Tiroler Gesamtwirtschaft bereits vor dem Kriege mit einer Verlagerung des Schwergewichts vom landwirtschaftlichen Sektor auf jenen der gewerblichen Wirtschaft angebahnt und während des Krieges noch fortgesetzt hatte, war diese erstaunlich rasche Ankurbelung der industriellen und gewerblichen Produktion von entscheidender Bedeutung für die Bannung von Arbeitslosigkeit und Not. Schon 1950, fünf Jahre nach Kriegsende, überschritt Produktion und Beschäftigtenstand das Vorkriegsausmaß. Mit der folgenden, von der Bundesregierung herbeigeführten Stabilisierung der Währung, der Angleichung der Wechselkurse und der Beseitigung der Zwangswirtschaft aber begann eine Periode noch nie dagewesener wirtschaftlicher Expansion in nahezu allen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft Tirols. Die folgenden Zahlen veranschaulichen den nur von kurzfristigen kleineren Rückschlägen zeitweilig unterbrochenen Aufstieg der Tiroler Wirtschaft in den letzten zehn Jahren mit aller Deutlichkeit.

Die Tiroler Industrie (ohne Sägeindustrie) erzeugte 1950 Güter im Werte von 1,16 Milliarden Schilling. Im laufenden Jahre 1960 wird der industrielle Produktionswert 4 Milliarden Schilling erreichen, wobei allerdings die Preiserhöhungen von durchschnittlich zirka 51% für diesen Zeitraum zu berücksichtigen sind. 1950 wurden von der Tiroler Industrie 22,7% des damaligen Produktionswertes exportiert, 1960 dürften annähernd 26% der industriellen Gesamtproduktion direkt im Ausland verkauft worden sein.

Die Zahl der in den industriellen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Angestellten erhöhte sich von 18.370 im Jahre 1950 auf einen voraussichtlichen Jahresdurchschnitt von 25.200 im laufenden Jahr. Die Zahl der Industriebetriebe hat sich seit 1950 zwar nur um 18 erhöht, doch befinden sich unter diesen Neugründungen sehr bedeutende Betriebe.

Der Aufschwung, den der Fremdenverkehr nach Kriegsende in Tirol genommen hat, ist enorm. Bereits 1948, drei Jahre nach dem Kriege, waren die Nächtigungszahlen von 1937 um zirka 4% überschritten worden, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch zahlreiche Beherbergungsbetriebe von den Besatzungstruppen belegt waren. Zehn Jahre später, 1958, wurden siebenmal soviel Nächtigungen gezählt wie 1948, im gleichen

Zeitraum erhöhte sich der Anteil der Ausländer-nächtigungen von 8% auf 88%. 1959 betrug die Nächtigungszahl das Zehnfache von 1948 oder das Zwanzigfache vom letzten zum Vergleich heranziehbaren Vorkriegsjahr, nämlich 1937. Im abgelaufenen Jahr 1960 wurden mehr als 11 Millionen Fremdennächtigungen in Tirol gezählt, davon fast 10 Millionen Ausländer-nächtigungen.

Der überragende Anteil der Ausländernächti-gungen an den Gesamtnächtigungszahlen in Tirol (nahezu 90%) drückt sich im Devisenertrag deutlich aus. Während 1948 in Tirol Devisen im Werte von etwa 6 Millionen Schilling durch die Fremdenverkehrswirtschaft aufgebracht wurden, wird der aus dem Tiroler Fremdenverkehr im Jahre 1960 zugeflossene Devisenstrom auf fast 2,5 Milliarden Schilling geschätzt. Das bedeutet, daß die Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft einerseits um rund eine Milliarde Schilling mehr an Devisen schafft als die Tiroler Industrie und das Gewerbe zusammen, anderseits, daß mindestens ein gutes Drittel des Passivums der österreichischen Zahlungsbilanz 1960 allein vom Devisenertrag des Tiroler Fremdenverkehrs ausgeglichen wird. Diese Zahlen sind so eindrucksvoll, daß sie genügen, um die Bedeutung der Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft nicht nur für Tirol selbst, sondern für Österreich überhaupt klar erkennen zu lassen.

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