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Unter kalter Dusche

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Wenn es auch in vielen Fremdenverkehrsbetrieben Österreichs bereits Zimmer mit kalter und warmer Dusche oder mit Bad gibt, so bedeutet für die Inhaber der Hotels und Pensionen ein Blick in ihre Geschäftsbücher über die heurige Sommersaison in den meisten Fällen eine kalte Dusche. Auch das Bild der Zahlungsbilanz für 1974 wird sich auf Grund des langsamer fließenden Touristenstroms weiter verdunkeln.

Die Fremdenverkehrsexperten aller zuständigen Stellen haben in den letzten Wochen versucht, daraufzukommen, was alles wohl an dem starken Frequenzrüdegang sowohl in den gewerblichen Beherbergungsbetrieben als auch bei den Privatquartieren schuld sein könnte. Das Handelsministerium und die zuständigen Stellen der Handelskammern wollen neue Aktionen starten.

Zunächst zeigt aber ein Blick auf die offiziellen Zahlen, die vor kurzem von Handelsminister Stari- bacher bekanntgegeben wurden, die wahre Situation: die Übernachtungen in den Hotels und Pensionen, in den Kur- und Erholungsheimen sowie in den Privatquartieren sind in den Monaten Mai bis Juli gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 18,3 Prozent zurückgegangen. Nimmt man nur die Ausländerübemachtungen her, so ergibt sich sogar ein Rückgang von 21,4 Prozent. Bei den Devisenergebnissen sieht es noch trister aus: per Saldo ist in der Zeit Zwischen Mai und Juli gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 27,6 Prozent zu verzeichnen.

Selbst die Campingplätze verzeich- neten einen spürbaren Frequenzrückgang gegenüber den Sommermonaten 1973.

Diese eher betrüblichen Ergebnisse konnten auch durch die teilweise ausgezeichnete Auslastung im August nicht wettgemacht werden. Das Ergebnis von vier Monaten der Sommersaison 1974 (Mai, Juni, Juli, August) dürfte ein Rückgang der Gesamtnächtigungszahl von rund acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum sein. Auch der wirtschaftliche Ertrag ist zurückgegangen, weil nicht nur der Zuspruch, sondern auch die Ausgabenfreudigkeit der Gäste abgenommen hat

Bisher liegt nur eine Analyse der

Ursachen der Abschwächung für die Monate Mai, Juni und Juli vor, die vom Handelsministerium gemacht wurde. Darin wird eine Untersuchung des Wirtscbaftsforschungsin- stitutes zitiert, das den Rückgang der Nächtigungszahlen deutscher Urlauber unter anderem auf die Ferienverschiebung zurückführt Der Fremdenverkehrswirtschaft und ieren Werbeeinrichtunigen wird aber mch der Vorwurf nicht erspart, daß sie nicht in der Lage waren, in allen ieutschen Bundesländern gleich gute Erfolge zu erzielen. Mitschuldig am Rückgang des Tourismus aus be- diimmten Staaten, wie Großbritan- lien, Italien oder USA, sind nach Auffassung des Ministeriums die Paritätsänderungen. Außerdem wird ier Wettergott zur Erklärung heran- »ezogen, der so ungnädig mit den Urlaubsgebieten verfahren ist

Schließlich heißt es in der offiziellen Analyse, daß die Fußballweltmel- sterschaft auf die Fremdenverkehrsentwicklung doch mehr Einfluß gehabt haben dürfte, als ursprünglich angenommen worden war. Der gestiegene Umsatz an Fernsehgeräten, vor allem an Farbfernsehern, lasse vermuten, daß manche Urlaubsreise zugunsten dieser Anschaffung gestrichen worden ist.

Die kurze Aufschwungsphase im August, die vor allem in Kärnten besonders sichtbar geworden ist, wird von örtlichen Experten vor allem mit der Tatsache begründet, daß Urlauber, die sich in Italien oder Jugoslawien aufhielten, aber nicht fix ein Reisebüro gebucht hatten, wegen der enormen Preissteigerungen in diesen Ländern umdisponierten und in den Süden Österreichs übersiedelten. Innerhalb der verschiedenen Kategorien der Beherbergungsbetriebe zeigt sich eine deutliche Abstufung der Minuszahlen. Die A 1- und A- sowie die B- Betriebe haben eindeutig noch besser abgeschnitten als die C- und D-Be- triebe. Hier zeigt sich zum ersten Mal ganz deutlich, daß eine Gruppe den seit langem anhaltenden Aufschwung im Fremdenverkehr nicht genügend mitmachen konnte.

Ministerium und Handelskammern sind jedenfalls durch die Entwicklung aufgeschreckt worden und sinnen nun auf Abhilfe. Minister Staribacher hat fünf Arbeitsgruppen eingesetzt, die Lösungsvorschläge ausarbeiten Sollen, von der Sanierung der C- und D-Betriebe bis zu Steuervereinfachung. Außerdem hat der Minister angekündigt, daß im Budget für das kommende Jahr zusätzlich 70 Millionen Schilling für die Belange des Fremdenverkehrs aufgewendet werden sollen. Qualitätsverbesserung ist Trumpf. Diese Auffassung wird auch in der Fremdenverkehrssektton der Bun- deswirtschaftskammer vertreten, die ihre Beratungstätigkeit auf diesem Gebiet noch verstärken wird. Freilich wird die Fremdenverkehrsindustrie immer ein Spiegelbild der allgemeinen Wirtschaftslage bleiben. Die differenzierte Konjunktursitua- tion in Europa läßt auch für die nächste Zeit keine Aufschwungsphase erhoffen.

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