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Die geballte Urlaubsladung

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Der Urlaubsreiseverkehr, der im letzten Jahrzehnt zu einem weltweiten Massenphänomen geworden ist, wird sich aller Voraussicht nach auch im heurigen Jahr weiter verstärken. Die neue Mindesturlaubsregelung bringt für zirka 800.000 Dienstnehmer eine zusätzliche Urlaubswoche mit sich, was zweifellos eine Intensivierung des Inländerfremdenverkehrs bedeuten wird.

So erfreulich diese Aussicht auf eine Verstärkung des Fremdenverkehrs ist, so groß sind gleichzeitig auch die Sorgen, mit denen ein zur stürmischen Aufwärtsentwicklung parallel laufendes Phänomen betrachtet wird, nämlich die Konzentration des Urlaubs- und Reiseverkehrs auf wenige Wochen im Hochsommer. Innerhalb dieses Zeitraumes ist eine besonders starke Massierung während der Wochenende festzustellen.

Es sei in diesem Zusammenhang auf die Überbeanspruchung der öffentlichen Verkehrsmittel und die Verstopfung der Straßen, die dem Normalverkehr schon kaum mehr gewachsen sind, hingewiesen. So haben von 12,5 Millionen Einreisenden im Monat August des Vorjahres 10,8 Millionen mit dem Auto die Grenze überschritten, während es im Monat September desselben Jahres nur noch 5,3 Millionen waren.

Neben dieser Zuspitzung auf dem Verkehrssektor hat der Massenandrang während der Hochsaison vor allem Schwierigkeiten auf dem Verpflegssektor zur Folge. Vor allem an Regentagen und zu Wochenenden kommt es während der Hochsaison vor, daß lange Wartezeiten auftreten. Diese Verpflegungsengpässe, die trotz aller Anstrengungen der gewerblichen Betriebe nicht völlig verhindert werden können, werden auch in Zukunft kaum zu verhindern sein, weil die Erweiterung der Küchen- und Sesselkapazität nach dem Bedarf weniger Wochen im Jahr für die Verpflegungsbetriebe nicht zu lösen ist. Dazu kommt noch, daß der immer spürbarer werdende Mangel an Fachkräften und Hilfspersonal, hier vor allem auf dem Küchensektor, eine anstandslose Versorgung des Urlauberzustromes während der Hochsaison immer schwieriger gestaltet.

Im Gegensatz zu diesen Ballungen im Juli und August sind die anderen Sommermonate verhältnismäßig gering ausgelastet. Die Monate Juni beziehungsweise September zeigen eine wesentlich geringere Frequenz an Urlaubssuchenden, obwohl gerade sie auf Grund ihrer Wetterbeständigkeit und ihrer ausgezeichneten klimatischen Verhältnisse für Urlaube besonders geeignet wären. So betrugen die Nächtigungen im Juni 1964 6,5 Millionen, stiegen im August auf 16,3 Millionen an und fielen im September wieder auf 6,8 Millionen zurück.

Dieses Gefälle zwischen Haupt- beziehungsweise Vor- und Nachsaison ist sowohl fremdenverkehrspolitisch als auch gesamtwirtschaftlich gesehen äußerst unbefriedigend. Da es auf Grund des einschneidenden Personalmangels unmöglich ist, zu Beginn der Hochsaison das für den Spitzenbedarf notwendige Personal aufzutreiben, sind die Fremdenverkehrsbetriebe gezwungen, schon Anfang der Vorsaison ihr ganzes Personal für die volle Dauer der Saison aufzunehmen.

Die geringe Auslastung während der Vor-und Nachsaison und die dadurch gegebene geringe Rentabilität der Betriebe, die schlechte Auslastung des Personals, die starken Preisauftriebstendenzen, die Engpässe auf dem Verpflegssektor, die steigende Verkehrsunsicherheit usw. lassen daher eine Dezentralisierung des Fremdenverkehrs als vordringlich erscheinen.

Um hier Abhilfe schaffen zu können, muß man vorerst feststellen, auf welche Gründe diese Konzentration während weniger Wochen zurückzuführen ist. Diese sind sehr unterschiedlich!

Da nur ein relativ geringer Prozentsatz von Menschen allein auf Urlaub gehen, sondern meist zu zweit oder mit der Familie, treten naturgemäß bei einer Mehrheit von Personen eine Vielzahl von Komponenten auf, die gemeinsame Urlaubspläne beeinflussen. Das Gros der Berufstätigen ist oft schon aus beruflichen Gründen an bestimmte Zeiten gebunden. So schließen eine Reihe von Betrieben aller Wirtschaftssparten im In- und Ausland während der Hochsaison für zwei oder drei Wochen und setzen damit direkt den Urlaubszeitraum ihrer Arbeitnehmer und indirekt auch den deren Familienmitglieder fest. Mit zunehmender Eingliederung der Frau in den Arbeitsprozeß, in Österreich waren Ende Juni 1963 888.000 Frauen, das sind 36,8 Prozent aller Berufstätigen, in einem Dienstverhältnis, kommt noch dazu, daß viele Firmen im Interesse eines übereinstimmenden Urlaubstermines für getrennt arbeitende Ehepartner ihre Betriebe gleichzeitig schließen.

Die Hauptursache der Ballung des Fremdenverkehrs auf die Monate Juli und August liegt jedoch letztlich in der Schulferienordnung in fast allen europäischen Ländern, die die Schulferien auf einen ganz kurzen Zeitraum zusammenfallen lassen.

Die innige Verflechtung des europäischen Fremdenverkehrs führt nun auf Grund der zeitig gleichgelagerten Ferienordnungen zu einer Massierung des Fremdenverkehrs in ganz Europa während der Monate Juli und August. So hat bei unserem wichtigsten Fremdenverkehrspartner, der Bundesrepublik Deutschland, die Zusammendrängung der Schulferien auf 67 Tage bewirkt, daß sich im Hochsommer eine Oberschneidung von 15 Tagen ergibt. Während dieses Zeitraums sind sämtliche Schulen geschlossen und alle Schüler auf Urlaub.

In Österreich konnte nur nach langwierigen Verhandlungen eine Beibehaltung der bisherigen Staffelung von einer Woche zwischen Ost- und Westösterreich erreicht werden. Es sind jedoch Bestrebungen seitens der Bundeswirtschaftskammer im Gange, eine weitere Staffelung der Schulferien unter weiterer Einbeziehung der Monate Juni und September zu erreichen.

Die Bemühungen, eine Entspannung für die Hochsaison zu erreichen, sind allen Fremdenverkehrsländern gemeinsam. Von besonderem Interesse sind für uns vor allem die Bemühungen in Deutschland. Man ist dort seit langem bemüht, die Schulferien, die länderweise geregelt sind, auf einen größeren Zeitraum zu verteilen, und zwar von derzeit 67 Tagen auf 90 Tage.

Auch in Österreich wird man darangehen müssen, hier ein Konzept zu erarbeiten. Es ist vorauszusehen, daß durch Maßnahmen für den Bereich Österreich nur zum Teil eine Erleichterung erreicht werden kann, da ja das Hauptkontingent unserer Urlaubsgäste durch Ausländer gestellt wird. Aber schon eine teilweise Regelung für den österreichischen Bereich könnte Erleichterungen schaffen. Sollte es gelingen, für jene 30 Prozent des österreichischen Fremdenverkehrs, die durch den inländischen Feriengast repräsentiert werden, eine vernünftige Staffelung der Urlaube zu erreichen, so wäre ein wirksamer Schritt nach vorne getan, um die allerärgsten Spitzen während der Hochsaison zu verhindern.

Als erster Schritt in dieser Richtung wäre eine stärkere Aufgliederung der Ferienordnung unter Einbeziehung der letzten Juni-und ersten Septemberhälfte sowie eine Verlagerung des Ferienbeginnes vom Wochenende auf einen Tag Mitte der Woche anzustreben.

Hand in Hand mit der Aufgliederung der Schulferien über einen Weiteren Zeitraum müßte dann versucht werden, die Betriebs-schließungen in der Wirtschaft, soweit es möglich ist, einer gewissen Staffelung zu unterziehen. Jene Firmen, die einen gemeinschaftlichen Betriebsurlaub durchführen und den Betrieb für eine bestimmte Zeit schließen, sollten für den Schließungstermin tunlichst nicht die Hauptsaison wählen und mit den anderen Firmen Absprachen über eine Staffelung halten.

Ein weiterer Schritt zur Auflockerung der Urlaubsballung wäre es auch, wenn jene Firmen, die nicht generell schließen, Urlaubspläne aufstellen und deren strikte Einhaltung beachten.

Sollte es gelingen, durch eine Verlagerung der Urlaube a,uf die Monate Juni beziehungsweise September eine Entspannung für die Hochsaison zu erreichen, so muß seitens der Fremdenverkehrswirtschaft gewährleistet werden, daß zur Zeit der Vor- und Nachsaison qualitativ das gleiche Angebot besteht wie in der Hochsaison.

Die Fremdenverkehrsorte müssen für ein vollwertiges Unterhaltungsprogramm während der verlängerten Saison Vorsorge treffen, und auch die öffentlichen Verkehrsmittel sollten in demselben Umfang wie zur Hochsaison zur Verfügung stehen.

Größere finanzielle Begünstigungen des Urlaubsgastes während der Vor- und Nachsaison — wie sie ja derzeit schon überall geboten werden — müßten verstärkte Anreize bieten.

Es wird daher notwendig sein, mit Hilfe der modernen Massenmedien vorerst einmal dem Urlaubsgast alle Vorteile der Vor- und Nachsaison zum Bewußtsein zu bringen. Es wird vor allem auf jenen Personenkreis, der gesteigerten Wert auf Ruhe und Erholung legt und in der Lage ist, während des ganzen Jahres Urlaub zu nehmen, Bedacht zu nehmen sein. Eine forcierte Inlandwerbung, wie sie derzeit von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft unter dem Motto „Nicht daheim und doch zu Hause — Urlaub in Österreich“ — Symbol dafür das Eichhörnchen — durchgeführt wird, trägt diesem Gedanken Rechnung.

Eine Besserung der gegenwärtigen Situation kann aber nur dann erreicht werden, wenn das Problem der zeitlichen Konzentrierung des Fremdenverkehrs im Hochsommer von allen Seiten zugleich in Angriff genommen wird.

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