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515 Prozent

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Österreichs Fremdenverkehr, erster Devisenbringer dieses Landes, steckt augenscheinlich in einer Krise. Hatten schon die Nächtigungszahlen im letzten Sommer düstere Gewitterwolken über den Planungsstellen des österreichischen Fremdenverkehrs aufziehen lassen, gab es jetzt mit der Verlautbarung der Zahlen für das erste Viertel dieses Jahres ein echtes Unwetter: 14,3 Millionen Nächtigungen in den ersten drei Monaten 1973 bedeuten einen Rückgang um fast viereinhalb Prozent. Noch krasser kann man aber den Rückgang aus den Übernachtungszahlen für März ablesen: 13V2 Prozent Rückgang. Aus-ländernächtigungen, die immerhin

mehr als drei Viertel der Gesamt-nächtigungen ausmachten, gingen im gleichen Zeitraum sogar um 15 Prozent zurück.

Selbst wenn man die schlechte Witterung, die ungünstige Schneelage zu Jahresbeginn und die Tatsache, daß Ostern heuer im Gegensatz zum Vorjahr voll in den April fiel, in Rechnung stellt, sind diese Zahlen doch erschreckend.

Was ist der Grund dafür? Ist es, wie verschiedene Fachleute feststellen, das zu geringe Qualitätsangebot der österreichischen Fremdenverkehrsbetriebe? Dafür würde sprechen, “daß die Aüsländernächtigungen weit stärker zurückgingen als jene

der Inländer. Oder war wirklich nur das Wetter schuld? Die ersten April-zahlen aus den westlichen Bundesländern sind jedenfalls ähnlich alarmierend schlecht wie jene für den Monat März.

Diese Trendumkehr im Fremdenverkehr hat aber neben einer konjunkturell bedingten starken Steigerung der österreichischen Importe im ersten Jahresviertel geradezu katastrophale Auswirkungen auf die österreichische Zahlungsbilanz: im ersten Quartal stieg das Zahlungsbilanzdefizit auf fast das Doppelte, rund 3,8 Milliarden Schilling.

Noch stärker war aber das Abrutschen ins Defizit im Monat März zu bemerken: Einer Einfuhrsteigerung von fast 19 Prozent stand ein Exportzuwachs von nur wenig mehr als zehn Prozent gegenüber. Die Fremdenverkehrszuflüsse blieben fast gleich wie im Jahr zuvor. Fazit: Ein Defizit von rund 250 Millionen Schilling im März des Vorjahres wuchs im gleichen Monat dieses Jahres um 515 Prozent (!) auf 1,525 Milliarden Schilling.

Erste Aufgabe der österreichischen Wirtschaftspolitik wird auch in den kommenden Monaten die Stabilisierung sein. Aber es scheint so, als hätte die liberalisierende Tendenz bei verschiedenen Einfuhren nicht gerade positive Auswirkungen auf die österreichische Handels- und damit auch Zahlungsbilanz bewirkt. Es wäre jedoch zu simpel, das Problem der unausgeglichenen Zahlungsbilanz nur aus diesem Aspekt zu sehen: das Mißverhältnis, das in den letzten Jahren als ökonomisch notwendig toleriert wurde, beginnt jetzt zum echten Problem zu werden. Auswege müssen aber erst gefunden werden.

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