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SOS aus der Filmwelt

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Während man in den letzten beiden Jahren aus Amerika laufend von den wachsenden Besorgnissen der Filmindustrie über den rapiden Kinobesucherschwund hörte, erschien das kinofreudige Österreich dem oberflächlichen Beobachter von dieser Entwicklung völlig unberührt. Man sah hier die Kinopaläste der Sozialkapitalisten über Nacht aus der Erde schießen und bei pikanten Sensationellen das Volk sich drängen und wälzen... Aber der Rechenstift ist unbestechlich und dringt hinter die schimmernde Fassade. Er stellt kalt und nüchtern auch für Österreich im Jahre 1950 einen Besucherabfall fest, den das „Offizielle Mitteilungsblatt des Fachverbandes der Lichtspieltheater und der Fachgruppen“ bedenklich und besorgniserregend nennt.

Danach betrug die Gesamtbesudier-zahl des Jahres 1950 nur mehr 92,350.000, was gegenüber 1949 (mit 99,500.000) einen Rückgang um 9,2 Prozent im Bun-desduieinschnitt bedeutet. Dazu kommt, daß im Jahre 1950 bereits 1023 Kinos im Betrieb waren (Stand: 1. September 1950 ohne Wanderkinos), während 1949 Österreich nur über 956 Kinobetriebe verfügte. Mit anderen Worten: die 99,5 Millionen Besucher des Jahres 1949 verteilten sich auf nur 956 Kinobetriebe, während 1023 Kinos im Jahre 1950 nur mehr 92,3 Millionen Besucher aufzuweisen hatten. Einem Mehrangebot von rund 20.000 Sitzplätzen steht ein Besucherrüdegang von 7,2 Millionen gegenüber. Hatte ein Kinobetrieb im Jahre 1949 (im errechneten Bundesdurchschnitt) 104.000 Besucher aufzuweisen, so sank diese Zahl im Jahre 1950 auf 90.000. Für den einzelnen Betrieb ergibt sich daher in der Praxis als Folge der vermehrten Kinoanzahl

ein Rückgang um mehr als 13 Prozent, und nicht bloß um 9 Prozent.

Den stärksten Rückgang weist das Burgenland mit 23 Prozent auf, gefolgt von, Niederösterreich mit rund 17 Prozent. Zahlen über Verschiebungen in einzelnen Orten liegen leider nicht vor.

Das genannte Blatt untersucht die Ursachen des Rückgangs und führt dafür in erster Linie das endgültige Aufhören der kriegs- und nachkriegs-bedingten Scheinkonjunktur, die Eintrittspreiserhöhung (einschließlich Kulturgroschen) und

die Sättigung des Marktes mit Kinobetrieben

an. Das mag sicherlich zum Teil zutreffen. Viel wesentlicher aber erscheint die Argumentation des Schlußresümees des genannten Blattes:

„Zu einem kleinen Teil geht der Rückgang aber vermutlich auch auf eine gewisse Kinomüdigkeit zurück. Dieser kann nur begegnet werden, wenn man verlorene Publikumsschichten zurückgewinnt und neue zu erschließen trachtet. D i e Sorge um die Programmgestaltung rückt daher noch mehr als bisher in den Brennpunkt und besonders für eine Anzahl von Betrieben in Städten wird dies der Anlaß sein, ihre besondere Note in der Programmgestaltung xu pflegen. Diese Bemühungen finden aber ihre naturgegebenen Grenzen in der Qualität der angebotenen Filme und in der Tatsache, daß Österreich an sich schon eine verhältnismäßig hohe jährliche Kinobesuchsziffer pro Kopf aufweist (durchschnittlich 13 bis 14 Kinobesuche im Jahr).“

Damit rückt das Problem stark aus dem Bereiche rein wirtschaftlicher und absatztechnischer in jenen psychologischkünstlerischer Überlegungen. Das vernichtende Niveau der derzeitigen Filmproduktion verrät einen deutlichen Leerlauf, viele meinen: eine endgültige Erschöpfung der Stoffe und Formen. Und es gibt nicht wenige zuständige Beobachter, die angesichts dieser Situation den Höhepunkt des Filmsiegeslaufes überhaupt bereits für überschritten halten. Das eröffnet schon heute für die Zukunft kaum absehbare Perspektiven.

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