6868155-1978_12_06.jpg
Digital In Arbeit

Die Sanierung läßt warten

Werbung
Werbung
Werbung

In diesen Tagen wurden der österreichischen Öffentlichkeit die neuesten Daten der Zahlungsbilanzentwicklung im Jänner 1978 sowie eine detaillierte Studie über die Zahlungsbilanz des Jahres 1977 bekannt.

Vergleicht man die jüngste Analyse der Nationalbank über die Zahlungsbilanz des Jahres 1977 mit der ihr entsprechenden Studie der Zahlungsbilanzentwicklung des Jahres 1976, so fallen einem bestimmte Stehsätze auf, die sich seit 1976 kaum verändert haben.

So hieß es schon vor einem Jahr: „Die außerordentlich hohen Importe der österreichischen Wirtschaft lassen sich vor allem auf die starke zyklisch bedingte Aufstockung der Rohstoff-und Industrielager, aber auch auf eine Reihe von Sonderentwicklungen zurückführen.“

In der Analyse der Zahlungsbilanz des Jahres 1977 steht: „Die ungünstige Entwicklung der Handelsbilanz wurde nicht durch abgeschwächte Exporte, sondern vielmehr durch außerordent-lieh hohe Importe verursacht. Neben dem hohen inländischen Einkommensniveau waren eine Reihe von Sonderentwicklungen für den Im-portboom verantwortlich.“

Die Nationalbank bezeichnet dann das Vorziehen von Konsumgüterimporten und die Erhöhung der Mehrwertsteuer als solche Sonderfaktoren. Bei diesem Suchen nach kausalen Gründen für unsere sich verschlechternde Zahlungsbilanzsituation hat die Notenbank nur die Hauptursache, das fortdauernde Budgetdefizit nicht ex-pressis verbis genannt. Übrigens sollte niemand mehr behaupten, in der immer grauer werdenden Landschaft der sozialistischen Finanz- und Wirt-Schaftspolitik stellen Steuererhöhungen eine Sonderentwicklung dar, sie sind bereits die Regel!

Außerdem zeigen die Daten der jüngsten Zahlungsbilanz für Jänner 1978, daß der Importboom noch immer nicht gebrochen ist. Nur der optimistische Generaldirektor der Nationalbank, Heinz Kienzl, erkennt im verminderten Anstieg der Importe (nur 2,6 Prozent im Jänner 1978 gegenüber 14,5 Prozent im Vergleichsmonat des Vorjahres) bereits „die durch die Hartwährungspolitik erzwungenen Verbesserungen“.

Die vielleicht etwas triviale Erklärung, daß gerade eine überdurchschnittliche Zuwachsrate der Importe im Jänner 1977 aus statistischen Gründen zu einer geringeren Zuwachsrate im Jänner 1978 führt, dürfte Kienzl übersehen haben, wie er auch den Glauben an die Wirksamkeit des Steuerpaketes verloren haben muß.

Denn wenn das ganze riesige Maßnahmenpaket, das Österreichs Wirtschaftspolitik im Herbst monatelang lähmte und viele Unternehmer zu Experten im Umbau von Personenkraftwagen zu Steuerkombis aber leider nicht zu Exporteuren machte, nicht einmal für sich alleine eine Reduktion der Wachstumsrate der Importe in den ersten Monaten des Jahres 1978 zuwege bringt, dann muß man wohl den Glauben an die Wirtschaftspolitik der Regierung verloren haben.

Berücksichtigt man die Vorziehkäufe in Milliardenhöhe, dann war die Verbesserung des Handelsbilanzdefizits um 669 Millionen Schilling (laut Außenhandelsstatistik waren es gar nur 244 Millionen) äußerst bescheiden. Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: Das Handelsbilanzdefizit betrug im Jänner 1978 noch immer 5,9 Milliarden Schilling.

Wirklich dramatische Daten liefert die Analyse der österreichischen Auslandsverschuldung. Von Dezember 1976 bis Dezember 1977 stiegen Österreichs Auslandsschulden von 92 Milliarden Schilling um 29 Milliarden auf 121 Milliarden: Das bedeutete im Monatsdurchschnitt eine zusätzliche Verschuldung um fast 2,5 Milliarden Schilling.

Angsichts des ungeheuren Zahlungsbilanzdefizits der USA wird sich die Expansion der anlagesuchenden Dollarguthaben auch 1978 fortsetzen, und in der Gesellschaft der Schuldnerländer ist Österreich noch immer eine der ersten Adressen. Damit wird aber auch fast jedes Zahlungsbilanzdefizit Österreichs kurz- bis langfristig finanzierbar.

Von 1976 bis 1977 ist der Nettozin-senaufwand für Österreichs Auslandsverschuldung von 3,8 Milliarden auf 5,4 Milliarden Schilling angestiegen. Das sind um 900 Millionen Schilling mehr als die Bruttoeingänge aus dem Winterfremdenverkehr im Jänner 1978 mit 6,3 Millionen Ausländerübernachtungen. Eine Woche Skiurlaub für eine Million Ausländer in Österreich, das sind schon jetzt die realen Nettokosten der österreichischen Auslandsverschuldung!

Angesichts dieser Zahlen und einer Regierung, die vor den nächsten Wahlen im Herbst 1979 das Budgetdefizit nur noch vergrößern kann, versteht man, warum sich die für die Währungspolitik und damit auch für die Zahlungsbilanz verantwortlich fühlenden Mitglieder des Generalrats der Nationalbank, Präsident Koren und Generaldirektor Treichl, so gegen eine, letztlich mit Auslandskrediten finanzierte Steuersenkung stemmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung