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Konjunktur in der Prognose-Sauna
Kaum hatten die österreichischen Konjunkturforscher ihre Prognose für 1977 in Anbetracht der verschlechterten internationalen Situation nach unten revidiert, kommt aus den USA die Nachricht von einer Revision der Prognose nach oben. Dieser Zickzack-Kurs der nationalen und internationalen Vorhersagen verrät die enorme Unsicherheit der Konjunkturforscher, die trotz eines verfeinerten Instrumentariums mehr denn je im dunkeln tappen. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Prognose-Sauna, in der heißer Aufguß und kalte Dusche in rascher Folge einander ablösen.
Kaum hatten die österreichischen Konjunkturforscher ihre Prognose für 1977 in Anbetracht der verschlechterten internationalen Situation nach unten revidiert, kommt aus den USA die Nachricht von einer Revision der Prognose nach oben. Dieser Zickzack-Kurs der nationalen und internationalen Vorhersagen verrät die enorme Unsicherheit der Konjunkturforscher, die trotz eines verfeinerten Instrumentariums mehr denn je im dunkeln tappen. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Prognose-Sauna, in der heißer Aufguß und kalte Dusche in rascher Folge einander ablösen.
Die Unsicherheit ist nicht die Schuld der Wissenschaftler und ihres Instrumentariums. Seit nämlich durch permanente Überforderung die Volkswirtschaften und durch langjährige Bagatellisierung der Inflation auch die Währungen total zerrüttet sind, ist die Konjunktur labil und unberechenbar geworden. Von keiner der bewährten wirtschaftspolitischen Maßnahmen - kann man noch mit Sicherheit sagen, ob sie jene Resultate zeitigen werden, die man von ihnen erwartet, und ob ihre positiven Aspekte durch negative Nebeneffekte nicht mehr als kompensiert werden.
Dies macht auch die neueste amerikanische Prophezeiung suspekt: Sie geht davon aus, daß eine Expansion mit minimaler Inflationszunahme möglich sein werde. Dies ist aber genau das, was mit unseren in Unordnung geratenen Währungen nicht mehr gelingen will.
Konjunkturelle Strohfeuer
Sicherlich kann man mit konzentrierter Anstrengung heute noch immer ein konjunkturelles Strohfeuer entfachen, aber die Situation ist, nachdem es niedergebrannt ist, nur noch trister.
Wir sollten uns daher gar nicht wünschen, daß Amerikas neuer Präsident Carter sich auf ein solches Abenteuer einläßt. Agiert er aber vorsichtig, kann bestenfalls mit einer Fortsetzung der bisherigen Konjunktur ohne allzu starken Einbruch in den darauffolgenden Jahren gerechnet werden.
So unsicher auch die konjunkturelle Situation im Detail sein mag, fest steht jedenfalls, daß - von unvorhersehbaren politischen Ereignissen abgesehen - wir kaum mit viel stärkerem Wirtschaftswachstum als im abgelaufenen Jahr rechnen können. Die Langzeitprognose von „Chase Econometrics“ - dem größten Wirtschaftsprognoseinstitut der USA - sieht jedenfalls für 1977 ein internationales Wirtschaftswachstum von 5,3 Prozent gegenüber 5,8 Prozent im Jahre 1976 vor, für 1978 aber einen Rückgang der Wachstumsquote auf 2,3 Prozent. Auch wenn es Carter gelingen sollte, die internationale Wachstumsquote im Sog einer US-Konjunktur nach oben zu korri gieren, so kann es sich bei einigermaßen solider Wirtschaftspolitik immer nur um Zehntelprozentpunkte handeln.
Die österreichische Wirtschaftspolitik, die das Jahr 1976 erst als Beginn eines neuen Booms ansah und den Staat stärker verschuldete, statt die Schuld zu verringern, liegt daher - welche Prognose nun auch stimmen mag - auf alle Fälle falsch. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß die internationale Konjunktur über das im abgelaufenen Jahr Erreichte längerfristig kaum mehr hinausgehen wird. Der von „Chase Econometrics“ für 1980/81 prognostizierte Boom überschreitet daher die Wachstums-
quote von 1976kaum. Fürdie Folgezeit wird sogar eine längerfristige Konjunkturverflachung prophezeit.
In diese Phase schwächerer Weltkonjunktur tritt nun Österreich mit einer schweren Hypothek. Zu den enormen Defiziten der öffentlichen Haushalte kommt ein rapid wachsendes Passivum des Außenhandels das sich im dritten Quartal 1976 mit 11,36 Milliarden Schilling gegenüber der Vergleichsperiode des vorhergegangenen Jahres nahezu verdoppelt hat.
Zahlungsbilanz mit Schwindsucht
Während aber bisher die Dienstleistungen (Fremdenverkehr, Transportwesen usw.) imstande waren, den Devisenverlust im Warenverkehr zu kompensieren, ist dies gegenwärtig nicht mehr der Fall. Die sogenannte Leistungsbilanz (Handels- plus Dienstleistungsbilanz) war in den ersten zehn Monaten 1975 noch mit 1,24 Milliarden Schilling knapp aktiv. In der gleichen Periode 1976 verzeichnen wir bereits ein Defizit von 7,88 Milliarden Schilling - und die negative Tendenz hält weiter an. Die Zahlungsbilanz dann mit ständig größerer Auslandsverschuldung auszugleichen, ist auf längere Sicht unmöglich.
Der österreichische Staat kann es sich nicht länger leisten, frischfröhlich im In- und Ausland Schulden zu machen und auf den Godot einer Superkonjunktur zu warten. Das ist es, was die Wirtschaftspolitiker endlich begreifen müßten.
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