6984672-1986_22_08.jpg
Digital In Arbeit

Tirols Tourismus auf langer Talfahrt

19451960198020002020

Schwere Zeiten für Tirols Tourismus: Dem Urlauber-Nachwuchs genügt es längst nicht mehr, die verbaute Landschaft zu genießen oder von Berg zu Berg zu schwitzen.

19451960198020002020

Schwere Zeiten für Tirols Tourismus: Dem Urlauber-Nachwuchs genügt es längst nicht mehr, die verbaute Landschaft zu genießen oder von Berg zu Berg zu schwitzen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Wintersaison ist gelaufen, und - wie die Ziffern zeigen — gar nicht so schlecht. Gesamtösterreichisch gab es ein Nächtigungsplus von fünf Prozent, Tirol schnitt mit 3,3 Prozent auch nicht übel ab. Während der Winterbeginn wegen Schneemangels enttäuschend war und die Fremdenverkehrsstrategen auch im Feber noch lange Gesichter machten, brachte der

Monat März mit Zuwächsen bis zu 23 Prozent die große Trendwende. Die frühen Ostern und die optimale Schneelage gelten als Hauptursache für diesen erfreuli-chen Schlußpunkt des Tourismuswinters.

Bei einzelnen Nationen ergaben sich besonders auffallende Zuwächse. 92 Prozent bei den Italienern, 63 Prozent bei den Dänen und 28 Prozent bei den Engländern. Und sogar die Bundesrepublik Deutschland brachte es auf 24 Prozent. Die professionellen Gastgeber jubeln: Die Deutschen kommen wieder!

Trotzdem, der Ausblick auf den Sommer läßt die Mienen wieder ernster werden. Zu tief sitzt der Schock des Vorjahres. Ein Näch-tigungsminus von 4,5 Prozent in Tirol stimmt nicht zuversichtlich.

Der Sommer war immer schon das Sorgenkind des Tiroler Fremdenverkehrs, obwohl es bis weit in

die siebziger Jahre immer noch Steigerungen gegeben hat. Seit 1981 jedoch geht es bergab. Am stärksten wirkt sich natürlich immer das Verhalten der Deutschen aus. Und die Nächtigungen der nördlichen Nachbarn sind innerhalb von zehn Jahren (1974 bis 1984) von 45 Mülionen im Jahr auf 35 Millionen zurückgegangen. In der Gunst der Bundesbürger hegt

Österreich heute an vierter Stelle nach dem eigenen Land, Italien und Spanien.

Bedenklich für Tirol ist die Tatsache, daß das „Land im Gebirge“ im Sommer 1985 schlechter abgeschnitten hat als andere Bundesländer, aber auch als Südtirol, Bayern und die Schweiz.

Natürlich macht man sich Gedanken über die Ursachen dieser Entwicklung. „Sonne, Sand und See“ scheinen heute die drei magischen „S“ für den Sommerurlauber zu sein. Da kann Tirol natürlich schwer mithalten. Sand und See sind nicht vorhanden,und für die Sonne kann man auch nicht garantieren. Tirol ist nun einmal ein Land der Berge mit allen Vor- und Nachteüen dieser extremen Region. Die Generation der Bergsteiger scheint jedoch zu schrumpfen. Der Urlaubernachwuchs findet es offenbar nicht mehr attraktiv, in einem übererschlossenen Bergland von Hütte zu Hütte zu schwitzen. Die Jungen suchen das Abenteuer der weiten Welt oder das süße Nichtstun im sonnigen Süden. Eine neue Ära ist angebrochen, und darauf wird man sich bei uns einstellen müssen. „Tirol braucht ein neues Image“, sagen die Verantwortlichen. Lederhosenromantik ist zuwenig.

Ökoland Tirol?

Das Angebot muß erweitert werden: mehr Sport - nicht nur Bergwandern, mehr Vergnügen - nicht nur Tiroler Abende, mehr Komfort auch in den unteren Kategorien und auch mehr Familienfreundlichkeit. Und vor allem: mehr Rücksicht auf die Umwelt.

Durch den Bauboom der vergangenen Jahrzehnte geriet Tirol in den Ruf, ein Land der Auto-und Seilbahnen zu werden. „Wir müssen alles tun, um diesen Ruf, Verbetonierer zu sein, wieder loszukriegen“, fordert der Leiter der Tiroler Fremdenverkehrswerbung, Andreas Braun. „Unser Ziel sollte es sein, eine ökoinsel zu werden. Auf dem Gebiet des Ge-

wässer- und Naturschutzes ist in jüngster Zeit schon manches geschehen. Diesen Weg müssen wir weiter beschreiten!“

Das Handikap der relativ hohen Preise, bedingt durch erdrückende Steuer- und Soziallasten, trifft alle Bundesländer. Hier müßte der Staat für bessere Rahmenbedingungen und Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland sorgen. Auch eine flexiblere Handhabung der Öffnungszeiten von Geschäften wäre wünschenswert. Und schließlich soll auch die Gästebetreuung noch verbessert, das Bemühen um den Stammgast und Inlandsgast verstärkt werden.

Große Personalnot

Die Intensivierung der Gästebetreuung wird allerdings durch eine paradoxe Arbeitsmarktsituation erschwert. Während allgemein über zu hohe Arbeitslosenzahlen geklagt wird, leidet die Fremdenverkehrswirtschaft an eklatanter Personalnot. „Wenn wir eine Kaffeeköchin oder ein Zimmermädchen suchen, sind solche Kräfte vom Arbeitsamt auch bei bester Bezahlung nicht zu bekommen“, erklärt der Obmann des Verkehrsverbandes Innsbruck-Igls, Fred Beck.

Trotz all der Probleme glaubt man in Expertenkreisen nicht an einen weiteren Rückgang des Sommerfremdenverkehrs. Das Ausbleiben der Amerikaner—wegen des Dollarverfalls und der Terrorangst — dürfte durch die Erschließung neuer Märkte — Italien, Frankreich, Schweiz — wettgemacht werden. Und auf Grund der guten Erfahrungen in der abgelaufenen Wintersaison wird wieder auf die Treue der Deutschen und der Briten gehofft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung