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Ferien im Winter

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Die beiden westlichsten Bundesländer Österreichs haben nicht nur Gemeinsamkeiten in der geologischen Struktur als Länder mit zahlreichen Gebirgszügen, sondern vor allem in den letzten Jahrzehnten auch eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung mit dem steten Vordringen der gewerblichen Wirtschaft als wichtigsten Faktor in der Volkswirtschaft. Die einstigen beiden Agrarländer wandelten sich in den letzten 50 Jahren zu Ländern mit organisch gewachsener Wirtschaft, wo die mittelständischen Unternehmen vorherrschen, wo es aber auch Unternehmen mit großem Mitarbeiterstand gibt.

Das ist für die Fremdenverkehrswirtschaft deshalb von besonderer Bedeutung, weil durch dieses organische Wachstum keine Gefährdung der beiden Länder als beliebter Gebiete für Sport und Erholung eingetreten ist. Denn überall dort, wo die Industrialisierung das Landschaftsbild in Besitz nimmt, stirbt der Fremdenverkehr naturgemäß ab. Der Aufschwung der gewerblichen Wirtschaft in Tirol und Vorarlberg vollzog sich aber erfreulicherweise konform mit dem Aufschwung im Fremdenverkehr,

Die Strukturwandlung von den Agrarländern zu solchen mit betont gemischter Volkswirtschaft, wo Gewerbe, Industrie und Handel und im führenden Maße die Fremdenverkehrswirtschaft Träger von Konjunktur und Wohlstand geworden sind, entspricht einer gesunden Grundlage im wirtschaftspolitischen Bild dieser Länder. Es ist keinesfalls so, daß etwa die Fremdenverkehrswirtschaft ein unsicheres Gewerbe ist, auf das man sich in der wirtschaftlichen Zielsetzung für die Zukunft nicht verlassen könne. Sicherlich hat es mit gewissen Krisen zu rechnen, die beim Fremdenverkehr schneller eintreten können als in anderen Berufszweigen. Bei einer einigermaßen florierenden Wirtschaft in Europa und Ubersee aber wird die Fremdenverkehrswirtschaft in unseren Ländern immer ein bedeutender Faktor bleiben und maßgebend zur Wohlstandsbildung beitragen. Denn ein typisches Merkmal der Fremdenverkehrswirtschaft ist die breite Einnahmenstreuung im gesamten Land. Damit wird eine positive Aufgabe in der Volkswirtschaftspolitik erfüllt, nämlich das Sozialniveau in der Bevölkerung allgemein zu heben. Unter diesem Gesichtspunkt gesehen, wird den Trägern der Fremdenverkehrswirtschaft leider noch viel zu wenig Förderung zuerkannt.

Entscheidend für diesen Aufschwung war auch die Entwicklung im Wintersport, der heute der tragende Pfeiler im Winterreise verkehr geworden ist und eine umfassende Erhöhung bei den Deviseneinnahmen im Fremdenverkehr ausgelöst hat. Dieser an sich sehr junge Fremdenverkehrszweig — seine Bedeutung wurde eigentlich erst in den Jahren nach 1945 offenbar — ist durch ein harmonisches Zusammenwirken von wagemutigen Unternehmern aus dem Hotel- und Gastgewerbe, aufgeschlossenen Bürgermeistern und Gemeindevertretern sowie Freunden aus Sport und Wirtschaft zu einem blühenden Wirtschaftszweig geworden, der nicht nur eine Steigerung im Gesamtvolumen des Reiseverkehrs mit sich brachte, sondern auch vielen neuen Dienstnehmern Arbeitsmöglichkeiten bot. Daher ist die Fremdenverkehrswirtschaft auch sozialpolitisch ein wertvoller Zweig der Volkswirtschaft. Der Fremdenverkehr hat be- , sonders die Festigung des Landbesitzes gefördert, So manche Berggemeinde würde heute vielleicht kaum mehr bestehen, hätte sie nicht den Fremdenverkehr als zusätzliche Ein- nahmsquelle entdeckt. Der Fremdenverkehr ist demnach mehr als nur ein Konjunkturgeschäft, geboren aus dem Wiederaufstieg der europäischen Wirtschaft, er ist ein soziologischer Faktor bei der Hebung des sozialen Niveaus, er ist aber auch ein Bindeglied zu den Menschen jenseits unserer Grenzen mit dem Grundgedanken einer einmal realisierbaren europäischen Integration.

Diese grundsätzlichen Feststellungen müssen gerade bei den beiden Ländern Tirol und Vorarlberg gemacht werden, wenn man das wirtschaftliche Bild richtig erfassen will. Einige Zahlen sollen dies untermauern. In Tirol wurden im Jahre 1956/57 bereits 1,380.000 Gäste mit 7,570.000 Nächtigungen gezählt, davon 84 Prozent Ausländer. Im Fremdenverkehrsjahr 1961/62 sind 2,400.000 Gäste mit 15,135.000 Nächtigungen gezählt worden. Davon entfielen bereits 606.925 Gäste mit 3,880.000 Nächtigungen auf die Wintersaison. Tirol steht damit in der Fremdenverkehrswirtschaft mit einem Anteil von rund 40 Prozent, im Winter 52 Prozent, des gesamtösterreichischen Ausländerverkehrs weitaus an der Spitze. Aber das kleine Land Vorarlberg kann ebenso mit beachtlichen Ziffern aufwarten. 1956/57 wurden hier 439.000 Gäste mit 2,376.000 Nächtigungen gezählt, 1961/62 waren es 660.000 Gäste mit 4,083.000 Nächtigungen. Auch hier ist ein bedeutender Aufschwung in den letzten Jahren zu verzeichnen.

Wenn man diese Zahlen zusammennimmt, so sind im letzten bisher mit Ziffern belegten Fremdenverkehrsjahr 1961/62 nach Tirol und Vorarlberg 3,060.000 Gäste mit 19,218.000 Nächtigungen gekommen, die mit dem vorwiegenden Ausländerverkehr Devisen im Werte von rund 5 Milliarden Schilling in das Land gebracht haben. Wenn man bedenkt, daß diese beiden Länder somit über die Hälfte des Defizits in der Handelsbilanz decken und so maßgebend dazu beitragen, daß unsere Zahlungsbilanz aktiv bleiben kann, dann leuchtet wohl jedem einigermaßen mit wirtschaftlichen Dingen Vertrauten die Bedeutung der Fremdenverkehrswirtschaft für die Konjunktur und für die Stabilität der österreichischen Währung ein.

Über allen diesen Erfolgsbetrachtungen sollen die Probleme nicht übersehen werden, mit denen die Fremdenverkehrswirtschaft zu kämpfen hat und die, schon oft publiziert, in folgende Grundforderungen zusammengefaßt werden können: Milderung der Steuerpro- gression zur Ermöglichung der Wettbewerbsgleichheit mit den Unternehmen im Ausland, Strukturwandel in der weiteren Entwicklung zur erhöhten Qualität in dem Sinne, in der Quantität die Qualität zu sichern, womit auch einer schrankenlosen Bettenvermehrung Einhalt geboten werden muß, Schaffung von Krediten zu tragbaren Zinssätzen für langfristige Investitionen, Förderung der Küchenbetriebe durch Ermäßigung der Umsatzsteuer, Erhöhung des staatlichen Budgets für die Aufgaben der Fremdenverkehrswerbung, schnellerer Ausbau der wichtigsten Einfallsund Fernstraßen, Sicherung des Landschaftsbildes zur Erhaltung der Erholungsgebiete und eine Koordinierung in allen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen mit den Belangen der Fremdenverkehrswirtschaft.

Manches davon ist bereits im Fluß, vieles muß erst erkämpft werden. In der Inns-

brucker Fremdenverkehrsfachmesse hat sich das Hotel- und Gastgewerbe ein Sprachrohr, ein Fundament des Berufsstandes mit einer auf ganz Österreich ausgeweiteten Aufgabenstellung und auch Erfüllung geschaffen. Die Wettbewerbsfähigkeit liegt in der steigenden Leistung, der Erfolg im bleibenden Wagemut unserer Unternehmer in der Fremdenverkehrswirtschaft, die erfreulicherweise auf zahlreiche Persönlichkeiten von europäischem Format hinweisen kann. Kultur und Wirtschaft überschneiden einander im Fremdenverkehr, von den illustren Bregenzer Festspielen am Bodensee bis zur fachlich für die Fremdenverkehrswirtschaft ausgerichteten Innsbrucker Messe reihen sich zusätzlich gestaltende Kräfte, die, mit dem Fremdenverkehr verbunden, gemeinsame Wege gehen, Kernstücke der österreichischen Volkswirtschaft zu sein. Was hier nur skizziert werden konnte, ist das Ergebnis von Generationen schöpferisch tätiger Menschen im Alpenland, die sich immer für die Freiheit, für ein Wirtschaften in Frieden und für ein Zusammengehen in Europa bekannt haben. Die Fremdenverkehrswirtschaft wird diesen Grundlagen auch in der künftigen Zielsetzung nicht untreu werden.

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