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Die Schlinge des Prager Kirchenministers

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Die Erklärung der katholischen Bischöfe der Tschechoslowakei, die durch den kommunistisch kontrollierten „Kirchlichen Informationsdienst“ am 25. Oktober ausgegeben wurde und den Geistlichen gestattet, der jetzigen Regierung den Treueid zu leisten, wenn dem Eid die Worte beigefügt werden: .. vorausgesetzt, daß dies nicht im Widerspruch mit den Gesetzen Gottes und der Kirche und mit den natürlichen Rechten des Menschen steht", wurde von der Prager Regierungspresse und ihren kommunistischen Anverwandten im Auslande mit polternden Kommentaren über die Niederlage der bisher hetzenden Bischöfe und des Vatikans ausgegeben. Auf der Erklärung fehlt die Unterschrift der Erzbischofs Beran und dreier' anderer Bischöfe; fast zugleich hat der Apostolische Administrator in Teschen, Msgr. Dr. Ondraček sich gegen Pressedarstellungen verwahrt, daß er das Kirchengesetz unterstütze.

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Die Erklärung der katholischen Bischöfe der Tschechoslowakei, die durch den kommunistisch kontrollierten „Kirchlichen Informationsdienst“ am 25. Oktober ausgegeben wurde und den Geistlichen gestattet, der jetzigen Regierung den Treueid zu leisten, wenn dem Eid die Worte beigefügt werden: .. vorausgesetzt, daß dies nicht im Widerspruch mit den Gesetzen Gottes und der Kirche und mit den natürlichen Rechten des Menschen steht", wurde von der Prager Regierungspresse und ihren kommunistischen Anverwandten im Auslande mit polternden Kommentaren über die Niederlage der bisher hetzenden Bischöfe und des Vatikans ausgegeben. Auf der Erklärung fehlt die Unterschrift der Erzbischofs Beran und dreier' anderer Bischöfe; fast zugleich hat der Apostolische Administrator in Teschen, Msgr. Dr. Ondraček sich gegen Pressedarstellungen verwahrt, daß er das Kirchengesetz unterstütze.

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Die Hintergründe der Vorgänge liegen noch im Dunkel. Es ist noch nicht feststellbar, ob jener Erklärung der Mehrheit der

Bischöfe nicht geheimgehalteneTat- Sachen zugrunde liegen. Eine wahrheitsgemäße Berichterstattung aus Prag ist heute mit allen Mitteln des kommunistischen Totalitätsstaates unmöglich gemacht. So ist gegenwärtig die Voraussetzung für e i n a b- schlleßendes Urteil noch nicht gegeben. Einem unabhängigen Beurteiler d er lag e verdanken wir aber folgenden aufschlußreichen Bericht, der die Methoden des Prager Kulturkampfes durchleuchtet, in die auch die jetzigen Prager Kommentare jener bischöflichen Erklärung eingepaßt sind. „Die F u r ch e“

Schon bei der Debatte über die beiden Kirchengesetze im Prager Parlament fiel es auf, daß zum Hauptredner nicht der zuständige Ressortminister, Unterrichtsminister Nejedly,

ausersehen wurde, sondern Justizminister C e- p i ß k a. Es war aber eigentlich nur die offizielle Anerkennung einer bereits seit längerem übernommenen Rolle, wenn ihn sein Schwiegervater, Präsident Gottwald, dann mit der Leitung des Staatsamtes für kirchliche Angelegenheiten betraute.

Dr. Alexej Cepička, der seit Ende 1947 der Regierung angehört, zunächst als Minister für den Innenhandel, seit Februar 1948, nach dem mysteriösen Fenstersturz seines Vorgängers Dr. Drtina, als Justizminister, vertritt der Kirche gegenüber einen von der bisherigen Haltung seiner Partei unterschiedlichen Standpunkt:

„Solange Menschen leben, die den Glauben an Gott zu ihrem Leben benötigen, müssen wir uns mit dieser Tatsache abfinden können. Es ist die Meinung verbreitet, als ob die Religion etwas überlebtes wäre, um das wir uns nicht mehr kümmern brauchen. Manche glauben, daß die Religion und die gläubigen Menschen zu existieren aufgehört haben, weil sie sie nicht zur Kenntnis genommen haben. Sie tun die religiöse Frage mit einer Handbewegung ab.. .

So Cepička am 25. Juni in einer Kundgebung des Aktionsausschusses der Nationalen Front.

Nicht beiseiteschieben, nicht in die Katakomben drängen will Cepička die Kirdie, er will sie — ein J o s e p h i,n e r des 2 0. J a h r- hunderts in schlimmstem Sinne! — einbauen in die neuen Gesellschaftsformen, sie zu seinem politischen Instrument ausgestalten, vor allem aber dem Einfluß Roms entziehen. Er läßt es nicht an anerkennenden Worten für die Leistungen des Klerus in der Vergangenheit fehlen, mit geradezu begeisternden Tönen schildert er die heutige „glänzende" Lage der Kirche in der Tschechoslowakei.

,Mit Unterstützung der Regierung, die keine finanziellen Aufwendungen scheute, wurden nach dem Kriege alle Kirchen instand gesetzt, die finanzielle Hilfe an die Kirche aus der Staatskasse betrug jährlich mehr als eine halbe Milliarde Tschechenkronen. Der Kirche wurde es ermöglicht, die katholische Pressę in größerem Umfang als vor dem Kriege herauszugeben, die katholische Caritas erhielt Unterstützungen in der Höhe vieler Millionen, die Zahl der Priester stieg, eine Anzahl von Klöstern wurde errichtet, religiöses Schrifttum konnte erscheinen, die Männer an den höchsten Stellen des öffentlichen Lebens sind in der Mehrzahl Angehörige der Kirche; durch Teilnahme ihrer Mitglieder an kirchlichen Feiern bezeugte die Regierung ihre positive Einstellung zur Kirche... In vielen sogenannten katholischen Staaten denkt die Kirche nicht einmal im Traume an solche Lebensbedingungen, wie sie ihr die Volksdemokratie bei uns gewährt.“

Wie in seiner grundsätzlichen Haltung zur Kirche, greift Cepička auch in der Wahl seiner Argumente gegen die Kirche lieber auf das Gedankengut des 18. und 19. Jahrhunderts mit seinen josephinischen und liberalen Strömungen zurück als auf die von Moskau ausgegebenen Parolen; vor allem aber appelliert er an den Nationalismus seiner Landsleute und erweist sich damit offenbar als geschickter Psychologe: die für seine Ziele unerläßliche Trennung des niederen Klerus vom hohen versucht er durch' die Verdächtigung der Bischöfe als „Knechte der Habsburger-Dynastie“ zu erreichen, er wirft ihnen vor, daß sie während des Krieges zu Sammlungen zugunsten des Deutschen Roten Kreuzes aufriefen und die Kirchenglocken für Rüstungszwecke ablieferten, daß sie es heute bedauern, die Wahlen nicht von der Kanzel aus beeinflussen zu können; am Zustandekommen des Münchner Abkommens (!) habe der Vatikan einen beachtlichen Anteil gehabt, und nicht zufälligerweise sei einer von jenen Geistlichen, die mit der Aussiedlung der Deutschen nicht einverstanden gewesen seien und sich um di Rückkehr der vertriebenen deutschen Priester bemüht haben, zum Bischof ernannt worden. Die Exkommunikation der Kommunisten bezeichnet er als die Tat eines Ausländers, der das Land überhaupt nicht kennt, nicht das Volk und nicht sein Fühlen; wer es durchzuführen versucht, werde das Recht verlieren, sich weiterhin als Tscheche oder Slowake zu bezeichnen. „Oft fragen sich heute die Leute, ob die Bischöfe überhaupt noch Angehörige unseres Volkes sind“, rief er in seiner letzten Parlamentsrede aus.

Man wird in der Haltung, die der neue Kirchenminister den Katholiken des Landes und ihrem niederen Klerus verspricht, Wenn sie sich von ihren Bischöfen abwenden, die listig ausgeworfene Schlinge erkennen. Und man wird nicht schließen dürfen, die durch Cepička verkörperte und durch seine Ernennung approbierte neojosephini- sche Strömung habe damit schon einen Sieg über die bisherige, jede Religion völlig ablehnende Haltung des Kommunismus davongetragen. Daß auch dieses Stadium des Kirchenkampfes nur als weiterer Schritt zur Unterhöhlung des kirchlichen Lebens gedacht ist, zeigt ein Ausspruch Minister N e j e d 1 y s, den einmal die Prager Zeitschrift „Katolik", als sie noch erscheinen durfte, den „orthodoxesten aller Kommunisten" genannt hat: er erklärte, daß „die beiden Kirchengesetze das ideologische Verhältnis zur Religion und Kirche in keiner Weise berühren und keine Lösung auf diesem Gebiet herbeiführe. In keiner Weise weichen wirdamit von unseren Ansichten darüber z u r ü c k."

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