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Konzilsbeginn

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Das Zeichen, das mit diesem Konzil gesetzt ist, kann durch die Christenheit zum Heil erkannt werden, es kann aber auch verfehlt werden. Nur eines ist von diesem 11. Oktober 1962 an nicht mehr möglich bis zum Ende aller Geschichte: Es kann nicht mehr übersehen, vergessen, ungeschehen gemacht werden. Dieses Konzil steht unwiderruflich in der Geschichte, und unsere gesamte christliche Generation wird daran gemessen werden, wie sie sich vor ihm bewährte. Ob sie es gaffend anstaunte und dann wieder in ihren Alltag versank, ob sie es mit überklugem Wissen analysierte, kritisch beurteilte und zum Gegenstand selbstgerechter Spekulationen machte, ob sie versuchte, vor ihm die Augen zu schließen, und seinen Aufbruchsauftrag nicht erkannte, ob sie vor seiner Forderung zu fliehen versuchte, oder ob sie es mit Mauerwerk einzufrieden, mit Hochhäusern und neuen babylonischen Türmen zu verdecken unternahm.

Das alles ist möglich und wird von vielen unter uns -keiner ist da ausgenommen, weder der Bischof noch der geschäftige Organisator, der christliche Staatsmann oder der bürgerliche Alltagsspießer - auch in der kommenden Zeit versucht werden. Wir alle werden vor der Wirklichkeit dieses Konzils versagen, in unsere Enge zurückzukriechen trachten, in das wohlige, schummernde Dunkel der Traditionen, in die erlösende Anonymität einer Masse, die unser Dasein im biologischen Rhythmus zu erlösen verspricht. Wir alle werden während der Wüstenwanderung, zu der dieses Konzil nun aufgebrochen ist, nach den Fleischtöpfen Ägyptens rufen, die wir verlassen haben, nach den Sicherheiten eines problemlosen, undiskutierten Glaubens- und Sittengehorsams, dessen Anordnungen man sich je nachdem zurechtbiegen und auf eigene Faust „anpassen” konnte.

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