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Gut gemeint

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FAMILIE HABSBURG. 1273 bis 1918. Von Dorothy Gies M c G u 1 g a n. Aus dem Amerikanischen übertragen von Lore v. Stiller. Titel des Originals „The Habsburgs“. Verlag Fritz Molden, 1967. 456 Seiten, 32 Seiten Kunstdruckbilder, 2 Karten. S 192.—.

Warum hat man „The Habsburgs“ nicht einfach mit „Die Habsburger“ übersetzt? Damit der Leser sieht, wie — die Einleitung sagt es — die Kaiser „vom Piedestal herabsteigen“. Nun gut! Man bann sehr wohl über das persönliche Leben von Menschen schreiben, die eine öffentliche Aufgabe hatten. Es gibt ja Arbeiten über die Lieblingsgerichte Napoleons, über Richard Wagners Liebesleben, über die Brunnenkuren Goethes; warum soll es nicht ein Buch über das Familienleben der Habsburger geben? Oder vielmehr

— da es ja schon solche Bücher gibt —, warum soll eine Amerikanerin nicht ein neues schreiben? Die Frage lautet nur, wie das Buch geworden ist.

Das kann man nicht so leicht beurteilen; denn zwischen dem Autor und dem Leser steht wieder einmal

— die Übersetzung. Die Fürstenhäuser, über die Rudolf IV. sein Haus erheben wollte, heißen „prinzliche Familien“; da stand wohl im Original „princely families“. Statt

des verbürgten und so österreichischen „Sei nur brav“, sagt Kaiser Ferdinand zu seinem Nachfolger „Sei gut“ — nun ja, im Original steht offenbar „Be good“, und soll der Übersetzer noch in den Quellen nachsehen? Und der letzte Ritter war „ein wenig Angeber“ — das heißt nicht etwa Denunziant, sondern Prahler — im Deutsch von 1967 ... Wenn sein Text so traktiert worden ist, wird man gegen den Autor leicht ungerecht. Sehen wir also genau zu.

Die Einleitung versichert uns, die liebenswürdige Autorin habe sich in das Herrscherhaus „buchstäblich vernarrt“. Sonderbar! Gleich nach obenstehendem Satz heißt es dann: „Mühsam kritzelte Ferdinand seinen Namen unter das Abdankungsschreiben“ — hat die Autorin die unzähligen, gleichmäßigen kaiserlichen Namenszüge Ferdinands betrachtet? Ja freilich, sie weiß für ihre Erzählung einen Beweis: Ferdinand hat gesagt (in der Rückübersetzung; der Urtext der Anekdote ist

eh anders): „Regieren ist leicht, nur Unterschreiben ist schwer.“ Es ist ihr nicht eingefallen, daß der gütige Kaiser eben über die Menge seiner Unterschriften geklagt hat — was auch kerngesunde Staatsoberhäupter getan haben...

Um es also deutsch zu sagen: hier liegt ein Buch voll der besten Absicht, aber voll von Fehlern. Autorin und Übersetzerin haben beide ihren Teil daran; es sind die verschiedensten Kleinigkeiten, die immer wieder falsch sind. Schon der simplifizierte Kaiseradler am Einband. Auch sind es gar nicht immer Kleinigkeiten. Franz Ferdinand war „ein moroser, cholerischer, humorloser, Mann“. Cholerisch — ganz gewiß! Aber humorlos? Hat die Autorin seine Briefe gelesen? Und im Jahre 1918 „waren es die Sozialdemokraten, die das Leben des fast hoffnungslos darniederliegenden Landes retteten“. So, so! Jedenfalls begannen sie damit, es für einen Teil der Republik Deutschland zu erklären.

Aber auch in der Disposition bleibt einiges zu wünschen übrig. Ist es denn zulässig, von Rudolf dem Stifter stracks auf Friedrich III. überzuspringen, als ob Albrecht II. nie im Reich geherrscht, Ladislaus Postumus nie sein kurzes, abenteuerliches Leben durchgemacht hätte? — Es ist bei einer amerikanischen Autorin vielleicht unvermeidbar, daß Pauschalurteile über den Adel gefällt werden. Rudolf und Stephanie „hatten noch weniger gemeinsam als die meisten Paare der Hocharistokratie“. Wenn die amerikanische Durchschnittsehe halb so gut ginge wie die aristokratische, gäbe es kein Reno! Könnten wir uns wenigstens damit trösten, daß an den Abbildungen nichts auszusetzen ist! Doch was müssen wir auch da“ feststellen? In der Beschriftung von P. Batonis bekanntem Bild von 1769 wird Joseph II. als „späterer Kaiser“ bezeichnet; für Kaiser Karl wird ein Bild gewählt, welches ihn noch als Generalmajor darstellt.

Und bei alldem müssen wir uns über das Erscheinen des Buchs doch freuen, insofern es auf Englisch erschienen ist. Da mag es bei manchem Leser, der sonst gar nichts über das Erzhaus weiß, ein Interesse an dem Gegenstand wecken. Hoffentlich liest dann ein solcher Leser über den letzten regierenden Kaiser etwas mehr als die fünf Seiten, die hier Kaiser Karl gewidmet sind. Wie beschließt Dorothy -McGuigan seinen

Lebenslauf und ihr Buch? „Vielleicht war es an der Zeit zu sterben.“ Ja gewiß, da wollen wir ihr recht geben; denn wie Saint-Simon ein berühmtes Kapitel schließt: „Schon war er reif für die glückselige Ewigkeit.“

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