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Das Leben eines Kaisers

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Es gibt nicht sehr viele wissenschaftliche Abhandlungen, die sich mit Kaiser Ferdinand I. von Österreich (1793-1875; Herrscher von 1835 bis 1848) beschäftigen, wie das Literaturverzeichnis des vorliegenden Bandes zeigt (auch wenn dort etwa eine Arbeit von K. A. Schimmer, veröffentlicht 1849, nicht vorkommt). Somit erscheint eine Betrachtung auf biographischer Basis nicht uninteressant.

Der Badener Arzt Gerd Holler, der schon mit Arbeiten über das „Mayer ling-Rätsel“ (Schwangerschaft der Vetsera?) und zum Krankheitsbild des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand an die Öffentlichkeit trat, beleuchtet diesmal die Persönlichkeit Kaiser Ferdinands „des Gütigen“ aus der Sicht des Mediziners. Mit großem Fleiß trug der Autor im österreichischen Staatsarchiv alle nur möglichen Schriftstücke zusammen, die sich mit Ferdinand beschäftigen. Dieses Material hat Holler chronologisch geordnet und den Lebensweg des Erzherzogs, des Kaisers und des abgedankten Regenten an Hand von dessen sehr wechselhaft verlaufender Krankheit nachgezeichnet. Ferdinand litt, wie etwa auch sein Onkel Erzherzog Carl, der Sieger von Aspern, an Epilepsie.

Daß Krankheit überhaupt auf Entscheidungen Einfluß haben kann, ist wohl allgemein bekannt. Kaiser Franz I. wußte um dieses Problem, wollte aber vor allem aus Gründen der Legitimität an der Nachfolge durch seinen Ältesten festhalten.

Wesentlich wäre bei einer solchen Biographie gewesen, diese Beweggründe, die massiven Interessen Metternichs und überhaupt die politische Situation jener Vormärz-Zeit viel genauer zu analysieren, als dies hier geschehen ist. Eine Biographie darf, auch wenn sie auf dem Krankheitsverlauf aufgebaut ist (vierzehn Seiten sind allein der Epilepsie allgemein gewidmet), nicht das Geschehen außerhalb des Krankenzimmers vernachlässigen. Es werden aber lediglich die bekannten Ereignisse des Jahres 1848 ausführlicher behandelt.

Wenn der Umschlagtext mitteilt, „Ferdinand führte keinen Krieg, er schlug keine Schlachten, er vollbrachte überhaupt nichts Außergewöhnliches. Bis auf eines: Er rettete die Monarchie. Ein falsches Geschichtsbild wird korrigiert“, so fragt sich der Leser: Warum überhaupt diese lange Biographie, wenn der Kaiser nichts „Außergewöhnliches“ vollbrachte? Es werden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden.

Daß der Kaiser krank war, daß das Schwierigkeiten hervorrief, daß er keine Kriege führte, ist längst bekannt. Ein Aufsatz über den Krankheitsverlauf hätte hier genügt. Trotzdem darf die erstellte „Chronologie eines Lebens“ begrüßt werden: eine wissenschaftlich fundierte Biographie Kaiser Ferdinands steht noch aus.

GERECHTIGKEIT FÜR FERDINAND. Von Gerd Holler. Amalthea Verlag, Wien-München 1986. 318 Seiten, geb., öS 268,-.

Der Autor ist Oberrat am österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Verwaltungsarchiv.

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