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Nachlaß österreichischer Geschichte

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Für jeden Freund österreichischer Geschichte ist es eine lebhafte Freude, die „Aufsätze und Vorträge“ des verewigten Prof. Lhotsky zu sehen. Der Band III hat einen so verschiedenartigen Inhalt, daß es kaum einen Sinn hat, sich in dessen Reichtum anders denn als Leser zu orientieren. Band II dagegen hat eine eigene Bedeutung für das staatliche Selbstbewußtsein Österreichs; behandelt er doch „Das Haus Habsburg“. Es versteht sich, daß hier eben jene Fürsten besprochen werden, die selbst einen besonderen Sinn für die Stellung ihres Hauses — ihres Staates — ihres Kaisertums hatten. Bereichert durch ausgedehnte Quellenanführung, durch anziehende Illustration, werden beide Bände zahlreichen Geschichtsfreunden als Nachschlagewerke dienen. Doch ein selbständiger Band ist unentbehrlich, um die Entstehung des Staatenkörpers kennenzulernen der fast vierhundert Jahre lang den österreichischen Namen getragen hat.

„Das Zeitalter des Hauses Österreich“ soll „Die ersten Jahre der Regierung Ferdinand I. (1520—1527)“ besprechen — die Jahre also, als der jüngere Bruder Kaiser Karls V. unter seinem Zepter die österreichische Monarchie des Donauraumes wiederhergestellt hatte. Wiederhergestellt! — denn König Albrecht II. hatte sie schon einmal hergestellt. Doch warum nennt Prof. Lhotsky eben die Jahre bis zur Vollendung dieser Wiederherstellung „das Zeitalter des Hauses Österreich“? Eben darum, weil diese Jahre über den Bestand der zweifachen Monarchie des Hauses Österreich und das Verhältnis dieser zwei Monarchien entschieden haben. Deuten wir den Inhalt dieses Zeitalters, wie es Professor Lhotsky schildert, mit wenigen Worten an!

Der Erstgeborene des Hauses Österreich, Karl, war der natürliche Erbe des unvergleichlichen burgundischen Staats der Niederlande, wo er aufgewachsen war, und der spanischen Kronen; mochte auch sein Bruder Ferdinand, in Spanien erzogen, der Lieblingsenkel König Ferdinands von Aragon sein, so wollte man doch das spanische Erbe weder dem Erstgeborenen entziehen noch gar zerreißen. Auch zum Kaiser wurde der Erstgeborene gewählt, und nachmals sogar von päpstlicher Hand gekrönt; zwei Kaisertümer, in Mexiko und Peru, wurden auch für ihn erobert. Schrittweise entschloß sich nun der Kaiser, bei ausdrücklichem Vorbehalt gegenseitiger Erbrechte, dem Nachgeborenen das Erbe von Österreich und Tirol abzutreten; es

war ein gar mühevolles Erbe. Nur die Tatsache, daß sich das Kaiserhaus eben von Österreich nannte, hat es verhindert, daß hierzulande nicht, wie in Ungarn und Böhmen, chauvinistische Geschichtsschreiber die Habsburger als die bösen Feinde des vaterländischen Staates geschildert haben. Ja, Prof. Lhotsky muß sich auch damit auseinandersetzen, daß kaisertreue Autoren den Habsbur-gern eine nur allzu österreichische Politik zugeschrieben haben. „Nur einem Trugschluß muß entgegengetreten werden“ — betont er in „Das Haus Habsburg“, S. 337, indem er die auch in „Das Zeitalter ...“ besprochene, von Bidermann vor etwa 100 Jahren aufgestellte Rechtsauffassung kritisiert, „daß die Königskronen Ungarns und Böhmens dem Erzherzogtum Österreich gewissermaßen inkorporiert worden seien; davon kann aber keine Rede sein.“ Die Geschichtsschreibung hat vielmehr darzustellen, wie nach dem Tod König Ludwigs auf dem Schlachtfeld von Mohäcs sein österreichischer Schwager es vermocht hat, die eigenen Erbrechte und die Wahlrechte der Herrenstände so zu verbinden, daß der militärisch lebensfähige Staatenkörper bei allem Widerstand dennoch gebildet wurde. Ein so berufener Schilderer der Entstehung dieses Staatenkörpers weiß dem Leser auch dessen komplizierten, umstrittenen, jahrhundertelang sich entwik-kelnden Aufbau begreiflich zu machen. (Notabene: Staatenkörper nennt die Monarchie Kaiser Franz in der Kundgebung, worin der für sie den Kaisertitel annimmt.)

Alphons Lhotsky: Aufsätze und Vorträge II: DAS HAUS HABSBURG. Verlag für Geschichte und Politik 1971. 346 S.

Aufsätze und Vorträge III: HISTORIOGRAPHIE, QUELLENKUNDE, WISSENSCHAFTSGESCHICHTE. Verlag für Geschichte und Politik 1972. 296 S.

DAS ZEITALTER DES HAUSES ÖSTERREICH. Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. (1521—1527).

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