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Erziehung zur Elite

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Wegen Renovierungsarbeiten präsentiert sie sich derzeit im zarten Grün der engmaschigen Baunetze - die „Theresianische Akademie" in der Wiener Favoritenstraße, die heuer ihr 250jähriges Bestehen feiert. Gegründet wurde sie 1746 von der Erzherzogin, Königin und Kaiserin Maria Theresia mit dem Ziel, junge Menschen zu tüchtigen Beamten zu erziehen. Untergebracht wurde die Bildungsstätte in der damaligen kaiserlichen Sommerresidenz „Favorita", die bis heute Sitz der Stiftung der „Theresianischen Akademie" und des von ihr geführten Gymnasiums ist.

Die eng mit der habsburgi-schen und damit österreichischen und europäischen Geschichte verknüpfte „Favorita" wurde im Jahr 1614 von Anna, der Gemahlin Kaiser Matthias', zum Sommersitz der kaiserlichen Familie um- und ausgebaut. Das Schloß entwickelte sich bald zu einem weithin bekannten Ort für kulturelle Veranstaltungen - bis 1683, als die Türken vor den Toren Wiens standen.

Zu den ersten, nach der Türkenbelagerung in den verwüsteten Vorstädten wiedererrichteten Großbauten gehörte die „Favorita", die unter den Kaisern Leopold I., Josef I. und Karl VI. abermals zu einem Ort bedeutender kultureller und staatspolitischer Ereignisse wurde.

Am 20. Oktober 1740 starb Karl VI., der Vater Maria Theresias, in diesem von ihm sehr geliebten Schloß.

Bis 1746 blieb die Residenz ver-, waist - dann wurde sie samt dazugehörigen Gründen an die Gesellschaft Jesu verkauft. Im Vertrag wird neben den rechtlichen und finanziellen Bedingungen - der Kaufpreis betrug 30.000 Gulden in bar - auch die künftige Bestimmung der Favorita als „Seminarium Nobilium" festgelegt, das unter den „höchsten Schutz" der Kaiserin und Königin Maria Theresia gestellt, durch seine Erziehungsarbeit „zum besten des allgemeinen Wesens, besonders aber der adeligen Jugend" dienen soll. Bald wurde vom „Collegium Theresianum" oder kurz vom „Theresianum" gesprochen. Der Tag der Vertragsunterzeichnung, der 24. Februar 1746, ist damit der Gründungstag des Theresianums.

1783 löste Josef II. die Theresianische Akademie auf, doch 14 Jahre später, im Jahr 1797 genehmigte Franz II. (I.) die Wiedererrichtung der nunmehrigen „Theresianischen Ritterakademie". Geleitet wurde die Schule von den Piaristen.

Nach einem halben Jahrhundert ruhiger, fortwährender Weiterentwicklung wurde das Theresianum, als Folge der Revolution von 1848, umgestaltet.

Die Piaristen wurden von der Leitung der Schule enthoben, die staatliche Aufsicht eingeführt und der neue Gymnasiallehrplan übernommen; das Privileg der „Schule für adelige Jugend" wurde abgeschafft und die Zulassung von „Söhnen des Bürgertums" verfügt; die Aufnahme von externen Schülern sollte ermöglicht werden. Übrigens, einer der ersten bürgerlichen und zugleich externen Schüler war Karl Lueger, der spätere Wiener Bürgermeister.

Auch die Nationalsozialisten lösten das Theresianum auf. In die „Favorita" zog eine „Napola" ein.

1955, mit dem Staatsvertrag, wird das von sowjetrussischen Stellen besetzte Haus an das Kuratorium der Stiftung zurückgegeben. Im Schuljahr 1957/58 zogen wieder Theresianisten in die „Favorita" ein. Seit dem Schuljahr 1989/90 werden auch Mädchen in das Theresianum aufgenommen.

Leo Leitner, Kurator der Stiftung „Theresianische Akademie", beschreibt die heutigen Grundprinzipien der Schule so: „Im gültigen Sinne des Auftrages der Stifterin, der Kaiserin Maria Theresia, wird die pädagogische Arbeit in dieser Bildungsstätte als Förderung des einzelnen zur Verantwortung für die Gemeinschaft verstanden."

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