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Vertanes Theresianisches Erbe

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Am 3. Januar 1854 beging die k. k. Orientalische Akademie ihre Jahrhundertfeier, bei der Fürsterzbischof Rauscher als ehemaliger Direktor dieser Anstalt die Festrede hielt. Er wies auf die gestaltenden, belebenden Geistesmächte hin, die im Morgenland aufgestiegen seien, auf die zunehmende Entkräftung des Osmanischen Reiches, in das der europäische Gedanke vom Norden und Süden gedrungen sei, auf die Pflichten der Monarchie, ihren Einfluß zugunsten der Schutzverwandten in der Türkei geltend zu machen. Die Orientalische Akademie bilde ihre Zöglinge für eine Amtswaltung, welche hohen und umfassenden Zwecken dienen soll; sie sende ihre Kinder aus, um ferne unter fremden Völkern zwischen Trümmern der Vergangenheit und einer heranschreitenden Zukunft gegenüber für Gott und das Vaterland, für die Monarchie und die katholische Wahrheit tätig zu sein.

Damals war noch der Gedanke lebendig, der Maria Theresia auf den Rat ihres Staatskanzlers Kaunitz veranlaßte, das bei der Internuntiatur in Konstantinopel bestehende „Sprachknaben-Institut" in eine in Wien zu errichtende Pflanzschule für den Dolmetschendienst bei der Internuntiatur in Konstantinopel sowie in den Grenzstationen des Türkischen Reiches umzuwandeln. Mit dem 1. Jänner 1754 trat die neugegründete „K. k. Akademie der orientalischen Sprachen“ unter der Direktion des gelehrten Jesuiten P. Josef Franz, vormals Erziehers des Kaisers Joseph II., ins Leben.

Es waren zehn junge Leute, die hier in der philosophischen Stube der alten Universität auf Staatskosten vor allem in den orientalischen Sprachen Türkisch, Arabisch, Persisch Armee bis zu Generalen gebracht haben, daß daneben auch die Wissenschaft durch eine von den Kennern geschätzte persische Anthologie und durch die Bearbeitung der zweiten Auflage von Meninskis großem arabisch-persischtürkischem Wörterbuch Rühmliches geschaffen habe.

ausgebildet wurden. Unter den ersten Zöglingen befinden sich bereits zwei berühmte Orientalisten, Bernhard von Jenisch und Joseph von Hammer-Purgstall, mehrere ausgezeichnete Diplomaten, Franz Maria Thugut, Ignaz von Stürmer dessen Sohn Bartholomäus als österreichischer Kommissär den nach St. Helena verbannten Napoleon von 1816 bis 1818 zu bewachen hatte, Franz Freiherr von Ottenfels-Gschwind u. a.

Die Akademie übersiedelte 1770 in das Konvikt zu St. Barbara, 1775 in das Profeß- haus der Jesuiten von St. Anna, 1785 in den Jakoberhof, wo sie bis 1883 verblieb. Sie war Diplomatenschule, neben die Sprachstudien traten unter der Direktion Rauscher 1832 bis 1849 gleichgewichtig juristisch-diplomatische Lehrkurse, die auf sechs Jahre verteilt waren. Die Zöglinge blieben in der Akademie, bis sich eine passende Anstellung bei der Internuntiatur in Konstantinopel oder bei den Agentien in der Moldau und Walachei oder bei der Legation in Athen fand. Im Jahre 1848 tauchte zum erstenmal die Frage auf, ob bei der ungünstigen Finanzlage des Staates die Akademie nicht etwa aufgelassen werden sollte. Damals wurde diese Gefahr glücklicherweise abgewandt, die Zahl der Stiftungsplätze 1850 sogar von acht auf zehn vermehrt und die Besetzung von drei Konsularelevenstellen in der Levante den absolvierten Zöglingen zugesichert. Bei der Jahrhundertfeier von 1854 stellte der Festredner, einer der letzten Jünger später Direktor des Instituts, Julius Freiherr von Zwiedinek- Südenhorst, fest, daß die ehemaligen Pfleglinge der Akademie allenthalben achtbare Stellungen einnehmen, viele im Staatsdienst es zu Gesandten und Staatsministern, in der Auch nach der dualistischen Umgestaltung der Monarchie setzte sich das Ministerium des Aeußeren 187071 für den Fortbestand der Akademie ein, die in der Folgezeit immer mehr die eigentliche Pflanzschule für den Konsulardienst wurde. Eine Erweiterung des Betätigungsfeldes der absolvierten Akademiker wurde 1883 festgesetzt, als ihnen außer dem diplomatischen und Konsulardienst mit spezieller Berücksichtigung des Orients auch der Verwaltungsdienst in Bosnien und der Herzegowina eröffnet wurde. Damals brachten Schmerling und Gautsch die Uebernahme der Orientalischen Akademie in die Verwaltung des Theresianums zustande, woraus ihr mancherlei Vorteile in verwaltungstechnischer Beziehung erwuchsen. Ein Kaiserpreis sollte alljährlich dem ausgezeichnetsten Zögling des letzten Jahrganges zufallen. Für ungarische Zöglinge der Akademie wurden 1896 zwei ungarische Staatsstipendien gestiftet. Um weitere Kreise der studierenden Jugend zur Bewerbung um die Aufnahme zu ermuntern, erfolgte eine Ausdehnung der Staatsdotationen auch auf die unteren Jahrgänge.

Der steigende Konkurrenzkampf aller Länder veranlaßte den Minister Goluchowski in der ungarischen Delegation ein Reorganisationsprogramm für die Akademie anzuregen, deren geänderte Bestimmung schon in dem neugewählten Namen „K. u. k. Konsular-Akademie“ hervortrat. Der von einer Enquete im Ministerium des Aeußeren entworfene neue Studienplan für die staatswirtschaftlichen, kommerziellen, juristischen, historisch-politischen, linguistischen Fächer fand die kaiserliche Genehmigung und kam mit Beginn des Studienjahres 189899 zur Anwendung. Durch ein kaiserliches Handschreiben vom 23. Dezember 1901 erhielt die Akademie aus den Erträgnissen der deutschen Ausgabe des Kronprinzenwerkes „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ ein eigenes neues Gebäude nach den Plänen des Oberbaurats Ludwig Baumann auf einem geeigneten Baugrund in der Waisenhausgasse jetzt Boltzmanngasse 16. Der schöne und sehr zweckmäßige Bau, 1902 begonnen, 1904 fertiggestellt, für Unterrichtszwecke und als Internat eingerichtet, konnte mit Beginn des Studienjahres 190405 bezogen werden.

Es ist das Verdienst des Sektionschefs Anton Winter, daß auch nach dem unglücklichen Ausgang des ersten Weltkrieges die Akademie als vielbesuchte internationale Bildungsstätte weiter im Betrieb blieb und das ihre zur Völkerverbindung und Völker- --.rständigung Oesterreichs mit aller Welt neitrug. Das Aufhören der staatlichen Selbständigkeit Oesterreichs 1938 schien dem Institut das Lebensbedürfnis zu entziehen, die Aspiranten des diplomatischen Dienstes sollten fortan ihre Ausbildung in Berlin finden. Bedauerlicherweise hat die wiederhergestellte Republik 1945 geglaubt, keiner Ausbildungsschule für ihren diplomatischen Dienst zu bedürfen, ohne daß sie eine entsprechende Neueinrichtung schuf. Die sehr wertvolle Bibliothek der Akademie wurde verteilt, das Gebäude selbst den USA um fünf Millionen Dollar für ihre Botschaft verkauft. So entfiel denn auch die Zweihundertjahrfeier, die im Jänner 1954 zu begehen gewesen wäre, aber noch immer erhoffen die alten Zöglinge und Lehrkräfte der Akademie, deren Wiederauferstehung zu erleben, weil sich Ersatzkurse an der juristischen Fakultät der Wiener Universität nicht so recht bewährt haben und unsere Vertretungen im Ausland denn doch geschulter Kräfte auf die Dauer nicht werden entraten können.

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