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Dr. Adelhaid Habsburg-Lothringen f

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Ein Leben, das bis zum letzten Atemzug dem Dienst am Nächsten gehört hat, ist zu Ende gegangen. In den Nachmittagsstunden des 2. Oktober wurde die älteste Tochter Kaiser Karls, Dr. Adelhaid Habsburg-Lothringen, von jahrelangem schwerem Leiden erlöst. Gepflegt von, ihrer, Mutter, starb sie in der Villa ihres Bruders in Pöcking am Starnbergersee.

Ein Stück Geschichte in Stichworten: Geboren am 3. Jänner 1914 als Erzherzogin von Öster reich, königliche Prinzessin von Ungarn und Böhmen, in Wien- Hetzendorf. Dann: Schönbrunn, Wartholz, Laxenburg, Baden bei Wien, Gödöllö. 11. November 1918: Abschied von Schönbrunn; Eckartsau. März 1919: Die deutsch- österreichische Regierung will eine formelle Abdankung Kaiser Karls erzwingen und droht an, ihn und seine Familie im Weigerungsfälle für vogelfrei zu erklären. Kaiser Karl weigert sich und begibt sich mit seiner Familie unter englischem Schutz in die Schweiz. Die Regierung beschlagnahmt das Familienvermögen. Wartegg, Prangins, Her- tenstein. 1921: Nach zwei mißglückten Rückkehrversuchen werden die Eltern auf die portugiesische Insel Madeira deportiert; die Kinder dürfen im Februar 1922 nachkommen. 1. April 1922: Kaiser Karl stirbt. Weitere Stationen: El Pardo bei Madrid, Lequeitio an der nordspanischen Küste. Gymnasialstudien österreichisch und ungarisch parallel, österreichische und ungarische Matura. Steenockerzeel bei Brüssel, Belgien. Studium der Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität Louvain-Löwen. Doktordissertation (Französisch) „Die unga rische Tänya“. Hiezu Vasari: „Während Horthy in der königlichen Burg zu Buda die Notwendigkeit der Bodenreform noch immer nicht erkannte, studierte Erzherzogin Adelhaid die ungarische Bodenfrage und schloß geistige Bekanntschaft mit der neuen revolutionären ungarischen Literatur.“ 1935: Vorübergehende Aufhebung der Exilgesetze. Adelhaid übersiedelt nach Österreich, beginnt hier eine umfassende karitative Tätigkeit und bereist das ganze Land. 1938: In der Nacht des 11. März rettet Markgraf Alexander Pallavicini Adelhaid und ihren an der Neustädter Akademie studierenden Bruder Felix im Auto über die Grenze. 1940: Die steckbrieflich verfolgte Familie flieht vor der einrückenden Wehrmacht aus Belgien über Frankreich, Portugal, Kanada in die Vereinigten Staaten. Adelhaid wird Professor der Soziologie an der Fordham-Universität, New York. Zugleich beginnt sie unter der Leitung ihrer Mutter Hilfsgüter für die Notzeit nach dem Kriegsende zu sammeln. 1945/46: Schiffsladungen erbettelter Hilfsgüter werden an karitative Stellen in Österreich expediert und gelangen hier zur Verteilung; öffentlicher Dank unterbleibt. Adelhaid arbeitet hauptamtlich für die amerikanische Flüchtlingsfürsorge in Paris; da sie die notwendigen Sprachkenntnisse besitzt, sind ihr die Flüchtlinge aus den Oststaaten anvertraut. 1954: Übersiedlung nach Pöcking, Adelhaid leitet das Sekretariat ihres Bruders. Ihr Arbeitstag beginnt um 5 Uhr morgens und endet meist erst um 23 Uhr. 1967: Der Hauptausschuß des Nationalrates anerkennt die Verzichtserklärung Dr. Adelhaid Habsburgs. Von nun an verbringt sie ihre freien Tage in Österreich, vor allem in Tirol. Ein schweres Leiden meldet sich an. Adelhaid arbeitet auf dem Krankenbett, noch drei Tage vor dem Ende erledigt sie Post.

Doktor Adelhaid Habsburg- Lothringen wurde, ihrem Wunsch entsprechend, auf dem Bergfriedhof von Tulfes, in der Erde Tirols beigesetzt, das sie so sehr geliebt hat. Beschämende und längst sinnlos gewordene Gesetze hindern die Mutter daran, unsere Grenzen zu überschreiten und das Grab ihrer Tochter zu besuchen.

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