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Österreich: Vom Haus zur Republik

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64 Jahre nach dem Verlassen Wiens setzte Exkaiserin Zita dieser Tage ihren Fuß wieder auf Wiener Boden, von Tausenden respektvoll begrüßt. Am 20. November nun wird ihr Sohn Otto 70 Jahre alt: Anlaß zum Nachdenken ...

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64 Jahre nach dem Verlassen Wiens setzte Exkaiserin Zita dieser Tage ihren Fuß wieder auf Wiener Boden, von Tausenden respektvoll begrüßt. Am 20. November nun wird ihr Sohn Otto 70 Jahre alt: Anlaß zum Nachdenken ...

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Der Bundespräsident liebt es, seine Besucher gelegentlich durch die Räume der Präsidentschaft zu führen und künstlerische und historische Details zu erklären. So hat er auch kürzlich den Sohn des letzten Kaisers von Österreich, Otto Habsburg, durch das Schloß seiner Ahnen geführt.

Daß dies möglich war und in dieser Form möglich war, ist einer jener österreichischen Sonderheiten, um die uns die Welt manchmal beneidet. Otto Habsburg-Lothringen war als Präsident der Pan-Europa-Bewegung in Wien, als ihn der Bundespräsident zu einem Besuch in die Hofburg einlud.

Als Kind hat er mit Vater und Mutter die Heimat verlassen müssen und nach einem langen Leben, daß ihm manche Täuschung und Enttäuschung brachte, nach Wegen und Umwegen wurde es ihm erst vor wenigen Jahren möglich, in seine Heimat zurückzukehren — sicherlich in anderer Form, als er sich eine solche Rückkehr in seiner Jugend vorgestellt hatte. Er hat manches gelernt, und auch die Republik hat manches gelernt.

Die Republik ist stark genug, um in seiner Rückkehr keine Gefahr für ihren Bestand zu sehen. Und sie sollte auch selbstbewußt genug sein, in Otto und seinem Geschlecht Zeugen für eine jahrhundertelange Geschichte Österreichs zu sehen.

Dieser Otto Habsburg hat sicherlich kein leichtes Leben gehabt. Er dankt es wahrscheinlich dem eisernen Willen seiner Mutter, die in sich'Kraft und Würde eines alten. Geschlechts verkörpert, daß er sich nicht verlor, wie mancher seiner entmachteten Zeitgenossen, sondern hart an sich arbeitete.

Von Illusionen hat er sich aber nicht immer freimachen können, von Träumen, die in der Realität keine Deckung fanden. Die Illusion, er könnte als 26jähriger Österreich vor dem Untergang retten, als er 1938 Schuschnigg aufforderte, ihm die Regierung zu übertragen, darf man seiner Jugend zugutehalten. Aber schon hier zeigte sich, wie gelegentlich später auch, die nicht richtige Einschätzung der realen Gegebenheiten.

Eines muß man Otto Habsburg bescheinigen: Er hat sich immer zu diesem Österreich bekannt, auch zu einer Zeit, als manch andere prominente Emigranten in der Auslöschung Österreichs noch einen historischen Fortschritt sahen.

Den Traum einer Donauföderation haben andere auch geträumt, die es besser hätten wissen müssen. Auch seine Reserven gegen die Regierung Renner 1945 hatte er mit anderen geteilt, die gleich ihm später diesen Irrtum erkannten.

Es hat lange gedauert, bis er dann endlich den Schritt tat, den viele seiner Familienmitglieder schon vorher getan hatten, nämlich die im Habsburgergesetz vorgesehene Verzichtserklärung zu leisten und sich als Bürger der Republik zu bekennen.

Es mag sein, daß die Österreicher im Grunde ihres Herzen Monarchisten sind, aber sie sind nicht Legitimisten. Der würdige Herr in der Hofburg muß kein Kaiser und kein König, muß vor allem kein Habsburger sein. Alles hat seine Zeit - die Zeit der Habsburger Monarchie ist vorüber.Aus Verdiensten der Geschichte resultiert kein Anspruch für die Gegenwart.

Man kann die Habsburger aus der Geschichte Österreichs nicht streichen, aber Österreich war vor den Habsburgern und wird es auch nachher sein.

Man sagt, Bedrängnis führe zu Geduld. Otto Habsburg hat sicher viel Bedrängnis erlitten, die große Tugend der Geduld aber hat er nicht von seinen Ahnen geerbt. So kam es, daß er, der seinem Wesen nach auf Beschäftigung angelegt war, sich eine Aufgabe suchte, und da ihm das Vaterland keine bot, sich der Europaidee zuwandte. Er hat dann jenen Schritt getan, auf dem ihm viele nicht folgen konnten: Er wurde deutscher Staatsbürger (unter Beibehalt der österreichischen Staatsbürgerschaft) und ließ sich von der bayrischen CSU in den Europarat wählen.

Man kann sagen, er mußte ja schließlich von etwas leben und die Republik habe ihm nicht einmal eine minimale Existenzgrundlage gegeben. Mag sein, aber sein Bild wird durch diese Konturen nicht eindeutiger.

Otto Habsburg mag in seinem Äußeren wenig dem überlieferten Bild eines Habsburgers gleichen, die herrscherliche Gebärde und die nahbare Würde wurden bei ihm durch Wendigkeit, durch raschen und scharfen Verstand ersetzt. Er hat nach Uberwindung mancher Illusion den Frieden mit seiner Geschichte und den Zugang zu seiner Heimat gesucht.

Seine Kinder leben zum Teil hier, seine Söhne und Neffen dienen in der Armee der Republik. Für sie ist selbstverständlich, worum er zeit seines Lebens gerungen hat: Erbe eines großen Namens und Bürger der Republik zu sein.

Auch wer nicht alles versteht und nicht mit allem einverstanden ist, was dieser Otto Habsburg in seinem langen Leben getan oder nicht getan hat — die Republikaner vergeben sich nichts, ihn zu seinem 70. Geburtstag zu grüßen und ihm sein Geschlecht, dessen Name in der Welt immer war: „Haus Osterreich".

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