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Um ein Feindbild ärmer

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Mit großem Erfolg wird seit Anfang dieses Jahres ein Filmporträt über den 76jährigen Otto Habsburg in Budapest öffentlich vorgeführt. Der Film wurde vom bekannten ungarischen Doku- mentarfilmer Pėter Bokor realisiert, der sich in den letzten Jahrzehnten vornehmlich mit zeitgeschichtlichen Themen beschäftigte.

Der Regisseur suchte Habsburg oft in seinem Haus in Pöcking am Starnberger See (Bayern) auf und interviewte ihn dort über das Schicksal des „letzten Habsburger Kronprinzen“, aber auch über die sehr bewegte Epoche, die der heutige Abgeordnete des Europa- Parlamentes in diesem Jahrhundert miterlebt hat.

Otto Habsburg ist der älteste Sohn des einstigen Kaisers und Königs von Österreich-Ungarn, Karl, der zwischen 1916 und 1918 in Wien residierte und 1922 in Madeira im Exil in jungen Jahren starb.

Dem ungarischen Zuschauer wurde jetzt — entgegen der früheren kommunistischen Bewertung — ein weltoffener, demokratischer

und menschlich sympathischer Otto Habsburg vorgestellt. Auch durften die Ungarn nunmehr erfahren, daß der so vorgestellte Mann ein aktiver Gegner Hitlers war und daß er, auf der Fahndungsliste der Gestapo stehend, noch rechtzeitig vor den Schergen

der Nationalsozialisten in die USA flüchten konnte.

Immer wieder werden Wochenschau- und Dokumentarfilme in das Interview eingeblendet. Somit ist das ganze Geschehen - aufgebaut auf die Person Otto Habsburgs — lebendig und äußerst informativ gestaltet.

Auch heikle Fragen bleiben im Film nicht unbeantwortet. So die Bemühungen Otto Habsburgs nach 1945, mit Österreich und Ungarn, eventuell auch mit anderen Staaten, einen Staatenbund zustande zu bringen, die dann letztlich am Veto Stalins in Potsdam scheiterten. Der sowjetische Diktator hatte nämlich insofern „Be

denken“, als er die „Unabhängigkeit“ der eventuell betroffenen Länder „gefährdet“ sah.

Otto Habsburg brauch bei dem Interview keinen Übersetzer. Er spricht tadellos und akzentfrei ungarisch, was das Publikum in Ungarn mit Wohlwollen quittiert. Auch die Presse rühmt den Film, trotz seiner nicht unproblematischen politischen Aussagen. Die Medien spenden Otto Habsburg und dem Filmemacher Peter Bokor Lob — für die geschickte Gestaltung des Films, einschließlich dessen dokumentarischer Teile.

Das führende Filme-Magazin Ungarns, „Filmviläg“, bemerkt in seiner ausführlichen Kritik zum Bokor-Streifen: „Nun sind wir wieder ärmer geworden: ein Feindbild wurde abgetragen. Es ist bewiesen worden, daß eine Person, die vor kurzer Zeit noch als verächtliche Figur gegolten hatte, viele beachtenswerte Eigenschaften besitzt. Und es erfüllt uns mit Freude, daß all dies durch einen so niveauvollen Dokumentarfilm zum Vorschein gekommen ist.“

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