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Kuriositäten

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Seltsames Unterfangen: in Österreich, wo etliche hunderttausend Menschen während der letzten Jahre Dr. Otto Habsburg persönlich kennengelernt haben und wo in jedem Bundesland einige hundert Menschen mit ihm seit Jahrzehnten befreundet sind, mit Hilfe einer ,J>anorama”-Sen- dung den Fernsehern suggerieren zu wollen, ebendieser Dr. Habsburg sei, wie die offizielle Sčhe- matik es gerne haben möchte, ein weltfremder, ewig erfolgloser Träumer — und daher so zu tun, als wisse man nicht, welchen Rang er in der internationalen Diplomatie, auf westeuropäischen Akademien und auf überseeischen Universitäten einnimmt; vorzugeben, Dr. Habsburg sei erst unlängst einmal nach Österreich gekommen, um hier ein halbes Dutzend andächtiger Wichtigtuer zu treffen — und dabei so zu tun, als wisse man nicht, daß in den Bundesländern die größten Säle nicht ausreichen, wenn Dr. Habsburg über Europafragen spricht; anzudeuten, die Beschäftigung Doktor Habsburgs bestehe in der Erledigung seiner (tatsächlich sehr umfangreichen) Korrespondenz — und dabei so zu tun, als habe man noch nie etwas von seinen Büchern, seinen Vortragstourneen durch vier Kontinente und von seiner Mitarbeit an 250 ausländischen und einzelnen österreichischen Blättern gehört; durch das Vorführen der Probe für einen Fernsehauftritt den Eindruck zu erwecken, Dr. Habsburg sei bestenfalls ein publizitätssüchti ges Objekt für sentimentale Illustrierte — und dabei so zu tun, als würden Fernsehauftritte mandatswerbender und daher tabuisierter Lokalgrößen nicht ebenfalls vorher abgesprochen und geprobt; die Töchter Dr. Habsburgs zu fragen, ob sie „auch einen Bürgerlichen” heiraten würden (ausgerechnet; warum keinen Bauern, Industriearbeiter, Großgrundbesitzer oder Intellektuellen? Meine Gegenfrage an die ebenfalls minderjährigen Töchter auch einen Habsburger heiraten?” wäre nicht weniger naiv). Kurz und gut: sowohl die Idee, dieses Habsburg-,Panorama” teils mit einem Qualtinger-Chanson zu untermalen, das in völliger Unkenntnis des Milieus Aristokraten verulken möchte und daher danebentrifft, teils mit einem noch wesentlich dümmeren amerikanischen Schlager über Familienphotos — als auch die Formulierungen des ironisch tuenden kommentierenden Begleittextes sind unter dem Niveau von Pod- gorski-Pissecker, dazu sind diese beiden zu intelligent. Wofür also das Ganze? Um sich vor der westlichen Kulturwelt und vor etlichen hunderttausend österrei-

chern (siehe oben) zu blamieren? Schade um die beiden.

Wesentlich erfreulicher, weil eben ganz ohne die kuriose Absicht, sich an der eigenen Infamie zu befriedigen, \war das jüngste „Zeitgeschehe n”, das sich mit den nicht immer zielführenden Versuchen der Bantu in Kongo-Brazzaville befaßte, ihre Urwaldnachbarn, die Pygmäen, zu zivilisieren. Allein die französische Sprache scheint solche’Absichten zu fördern, ihr fließender Gebrauch die Ausbreitung der Vernunft über den Erdball und in seine letzten Winkel zu erzwingen. Daß diese echte Kuriosität, die spannend dargeboten war und unter dem Titel „Freiheit für Zwerge” lief, von dem in Brazzaville ansässigen Österreicher Herbert BAisz entdeckt und vom „Furche”-Redaktionsmitglied Hellmut Butterweck mitgestaltet worden ist, sei, da ja alles zum besten gelang, hier nicht verschwiegen.

Kurios, aber durchaus nicht unbedeutend, was das Publikum „In eigener Sach e”, diesem nunmehr vom ORF dankenswerterweise eingerichteten Hyde Park Corner, vorzubringen hatte. Es war keine Überraschung, daß es dabei nicht um die großen, drängenden Gefahren, die erdumspannenden Ängste und die weltbewegenden Hoffnungen ging, sondern, unter verschobenem Horizont, um die kleinen Dinge, die sich allerdings bemerkbar machen können wie Zahnweh. Darüber süffisant zu grinsen, sei Dummköpfen Vorbehalten. Für die Klugen war’s eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hielt.

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