Otto von Habsburg ist im Alter von 98 Jahren verstorben. Die Beisetzung erfolgt am 16. Juli in der Kapuzinergruft in Wien. Er war 20 Jahre lang EVP-Abgeordneter, auch Alterspräsident des Europäischen Parlaments.
Otto Habsburg hinterlässt eine Lücke in Europa. In einer Zeit, in der nationale Egoismen in der EU wieder stärker werden, brauchen wir Politiker, die gegen die Versuchung nationaler Kleinlichkeit immun sind. In einer Zeit, in der technische Probleme in der EU überhandnehmen, brauchen wir Persönlichkeiten mit Weitblick, die das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren. In einer Zeit, in der vielen der Mut für die nächsten Integrationsschritte fehlt, brauchen wir Visionäre, die aus ihrer Verankerung in der Geschichte die Kraft zum Handeln schöpfen. In einer Zeit, in der tagespolitische Schnellschüsse oft mehr zählen als Überzeugungen, brauchen wir Politiker, die dem Wähler nicht hinterher rennen, sondern kraft ihrer Glaubwürdigkeit die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. - Otto von Habsburg war all dies. Deshalb wird er uns fehlen.
Otto von Habsburg war ein Brückenbauer - geografisch, ideologisch und zeitlich. Am 13. Jänner 1997 formulierte er im Europäischen Parlament: "Wir stehen in einer Zeit des geschichtlichen Umbruchs, der uns neue Dimensionen eröffnet. Distanzen, Raum und Zeit haben eine ganz andere Bedeutung als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Bedingungen unseres Lebens haben sich tiefgreifend gewandelt. Die Beziehungen zwischen Menschen und Nationen sind anders als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wir sind demnach berufen, Politik neu zu überdenken.“
Eine Lehre aus der Geschichte
Was ist Otto von Habsburgs Botschaft an die EU von morgen? Dass unsere Grenzen, die politischen Zwangsläufigkeiten von heute, kein Grund sind, zu resignieren. Dass stille Glaubwürdigkeit länger währt als lauter Populismus. Dass die Verwurzelung in der Geschichte nicht Hindernis, sondern Ansporn ist, die Zukunft zu gestalten. Dass die Vielfalt der europäischen Länder uns verbindet, ja vereint. Dass Politik gestaltbar ist. Dass Österreichs reiche Geschichte uns alles mitgegeben hat, damit wir Motor und Vordenker der europäischen Integration sein können. Dass jede Nation nur in einer starken EU den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein wird. Dass die EU kein technisches Konstrukt zur besseren wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist, sondern eine Lehre aus der Geschichte und die einzige Möglichkeit, glaubwürdig die Zukunft zu gestalten. Dass die EU und die Regierungen der Mitgliedsstaaten keine Angst haben sollten, die nächsten Integrationsschritte zu setzen.
Meine Beziehung zu und Begegnungen mit Dr. Otto von Habsburg sind vielfältig, waren immer lehrreich und bereichernd. Mein Schwiegervater, Bundespräsident Dr. Kurt Waldheim, war der erste Bundespräsident, den der Sohn des letzten österreichischen Kaisers in der Hofburg besuchte. Sie schätzten einander. Als amtierender Bundespräsident der Republik Österreich setzte Kurt Waldheim aus Respekt gegenüber der großen österreichischen Familie Habsburg ein nicht unumstrittenes Zeichen und nahm bewusst am Begräbnis von Kaiserin Zita teil. Anlässlich des 80. Geburtstags von Dr. von Habsburgs richtete ich ein Schreiben an alle Klubobleute im österreichischen Parlament mit der Bitte die Habsburg-Gesetze aufzuheben. Ich fand, dass es an der Zeit war, Frieden mit der Familie Habsburg zu schließen und einen Akt der Versöhnung zu setzen.
Ulrich Habsburg-Lothringen
Aristokrat, Demokrat, Grüner.
Von Janko Ferk, Styria Regional 2011
173 Seiten, gebunden, e 24,95
Die Habsburger
Mythos & Wahrheit.
Von Katrin Unterreiner,
Styria Premium 2011
237 Seiten, gebunden, e 24,95
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