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Habsburgische Heiratspolitik

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Die am kommenden Sonntag stattfindende Hochzeit von Karl Habsburg-Lothringen mit einer deutschen Milliardärstochter aus dem Hause Thyssen stößt nicht nur bei einem Teil der kaiserlichen Familie und bei dem Hause Habsburg Wohlgesinnten, sondern auch in einer weiteren Öffentlichkeit auf Kritik.

Das nicht so sehr wegen des großen Aufwandes und Pompes, mit dem diese Vermählung in Mariazell und anderwärts zelebriert wird, obwohl auch dieser Aufwand angesichts des Schicksals der Bosnier und anderer Kriegführender einen Mangel an Feinfühligkeit und Bescheidenheit verrät, der sich nicht gut mit dem Grundsatz „noblesse oblige” verträgt. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Partnerin, die als nicht zu der Würde das Hauses passend empfunden wird und deren Akzeptanz durch den bisherigen Chef des Hauses, Otto, umsomehr überrascht, als Otto qualifiziertere und ebenbürtigere Anwärterinnen auf die Rolle nicht zum Zuge kommen ließ.

Es fällt angesicht der Realitäten, mit denen man es hier zu tun hat und um die es geht, schwer, an die Romanze einer großen Liebe zu glauben. Vielmehr dürfte es sich bei dieser Verbindung um den vorläufig letzten Fall einer weit zurückreichenden habsburgischen Heiratspolitik handeln. Während es sich aber bei den früheren Fällen des „tu felix Austria, mibe” um Heiraten zur Vermehrung des Territoriums unter Wahrung der moralischen Integrität handelte, scheint es sich im gegenständlichen Falle um eine Haupt- und Staatsaktion zur Sanierung eines notleidenden Hauses unter Infragestellung traditioneller moralischer und Ebenbürtigkeitskriterien zu handeln. Viele gewinnen den Eindruck, daß der formellen Verzichtserklärung nun die moralische Abdankung um einen hohen Preis folgt.

Jedenfalls wird Karl Habsburg-Lothringen mit den ihm zugeflossenen Mitteln viel Gutes tun und stiften müssen, um die Bedenken, die sich gegen diese Verbindung richten, zu zerstreuen und die moralische Autorität, die das Haus Habsburg auch nach dem Verzicht auf die Restauration in den Augen vieler noch hatte und hat, vom Verdacht des Opporti-nismus und der Käuflichkeit zu befreien.

Gelingt dies nicht, so könnte sich diese Verbindung trotz, ja gerade wegen der blendenden Auspizien, die sie zu verheißen scheint, auch im Sinne der persönlichen und politischen Ambitionen des Bräutigams und des Hauses Habsburg als Fehlschlag und Danaergeschenk erweisen.

Es könnte sein, daß sich dem ehrgeizigen Sproß des altehrwürdigen Hauses Habsburg mehr Türen verschließen als öffnen, was nicht nur für ihn persönlich bedauerlich wäre, sondern für alle, denen der Name Habsburg noch etwas Positives bedeutet und verspricht.

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