„Wir leben in einer neuen Welt. . . Der Mensch unserer Zeit wird dabei zunächst an die rasch sich verändernde Welt um uns denken. Die zweite industrielle Umwälzung im Gefolge der Automation, die Zertrümmerung der Atome und die Bändigung ihrer Energien, der Vorstoß des Menschen in den Weltenraum, der sich mit den künstlichen Monden bereits ankündigt: All das sind Zeichen einer neuen Welt, die auf uns zukommt, die schon begonnen hat. Der Christ, der in dieser neuen Welt lebt, darf sie nicht einfach sich selbst überlassen. Der Auftrag Gottes an den Menschen in der Stunde der
Das Schauspiel „Der Trojanische Krieg findet nicht statt“ kam 1935 heraus. Heute wirkt es wie eine Vision mit zwei Gesichtern. Das eine, erste, sieht dem entgegen, was da in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg gesagt und nicht gesagt, getan und nicht getan wurde und sich dann zum Knäuel ballte, der den Krieg in sich trug. Das zweite Gesicht weist über 1945 hinaus, auf das heikle und schwere Geschäft des Friedens. Des Friedens, der vor uns liegt, der zu gewinnen, zu schaffen ist.„Der Trojanische Krieg findet nicht statt ist das bedeutendste Bühnenwerk von Jean Giraudoux; was nur dann
Es gibt ein Unvergeßliches, das an überpersönlichen Werken haftet, an Denkmalen der Weltgeschichte: Aere perennius, eherner noch als Erz ragen sie unerschüttert in den grauen Strom der Zeit und überwölben ihn. Und es gibt ein Unvergeßliches, das am Nahen, Persönlichem, Intimen haftet, am Zauberkreis einer Atmosphäre, die eine Persönlichkeit um sich bildet, reift.Die Persönlichkeit Dr. Friedrich Funders! Ihre Verbindung mit Oesterreichs Schicksal, Politik und Kultur, mit dem letzten Vierteljahrhundert Alt - Oesterreichs, der letzten Großmacht Mitteleuropas, und mit dem ersten
Film, Musik, Bildende Kunst, Theater; die Reihe der Erscheinungen der Kultur unserer Zeit ließe sich fortsetzen. So wie der Streit um die Moderne sich fortsetzen wird, ungeachtet der Tatsache, daß wir Kritiker immer wieder, trotz vieler kleiner und größerer „Nein“, unser großes ,Ja“ sagen werden. Unser Ja zur Mo-derne. Warum? Sind wir Snobs, Adabeis, die eben glauben, „mitmachen“ zu müssen, so wie andere Menschen bei anderen Sachen „mitmachen“ und mitgemacht haben (bei Sachen, die nicht selten viel blutrünstiger sind als die „Grausamkeiten“ der modernen Kunst, über
„Bernanos hat für den Menschen gekämpft. Gegen alles, was in der modernen Welt und Kirche das volle, gesetzte Maß des Menschen offen oder verborgen bedroht, steht er auf.“ Mit diesen Worten eröffnet Hans Urs von Balthasar seine „Studie“ über Georges Bernanos. Dieses Buch ist aber mehr als eine „Studie“ und ist mehr als eine sehr gewissenhafte Arbeit über das Denken des großen französischen Romanciers und Publizisten, obwohl sie sich äußerst behutsam dessen Gedanken anschmiegt, oft ganz zurückzutreten scheint hinter dem Werk dieses Mannes, das hier zu einer Selbstaüssage
Aufsehenerregend im guten Sinn des Wortes darf das Oktoberheft der Wiener Monatszeitschrift für aktives Christentum „Der Große Entschluß1' (10. Jahrgang, Oktober 1954, 48 Seiten und 8 Kunstdrucktafeln, Verlag Herold, Preis 5 S) genannt werden. Diese im ganzen deutschen Sprachraum einzig dastehende Zeitschrift scheut nicht davor zurück, die heißesten Eisen- anzufassen, die es im europäischen Christentum und besonders auch im österreichischen Katholizismus heute gibt. Wer die letzten Jahrgänge durchblättert und da etwa Wetters Betrachtungen über Kirche und Bolschewismus gelesen hat,
Die Wiener Vorstadtbühne. Alexander Girardi und das Theater an der Wien. Von Rudolf Holzer. Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien. 648 Seiten
Das neueste Werk Reinhold Schneiders ist soeben Im Inselverlag erschienen. Ein historisches Drama, es spielt im mittelalterlichen Europa des anhebenden 14. Jahrhunderts, in Italien, Frankreich, Deutschland. Schneider liebt die Geschichtei er erkennt in ihr die Wirklichkeit des Kreuzes. In unvergeßlichen Visionen hat er in seinem Philipp II. die Welt des Escorial heraufgerufen, in .Las Casas vor Karl V. die Tragödie der spanischen Eroberung Amerikas aufgezeigt, in seinem Hohenzollernbuch, dann in .Macht und Gnade“ die Jahrhunderte mit dem Flügelschritt des Dichters durchwandert.In dieser
Welche Stellung nimmt Österreich in der kulturellen Weltsituation von heute ein? Eine Vorbemerkung: Kultur ist nicht eine Ware wie andere, ihr Stand läßt sich demnach nicht ablesen etwa an Exportoder Importziffern für Bücher, Partituren, sie ist auch nicht einfach identisch mit Manifestationen der Reproduktion und Propaganda. Wir dürfen also die Konzert-, reisen unserer Sänger und Orchester, die Ausstellungen österreichischer Kunstschätze der Vergangenheit nicht in die Bilanz einbeziehen, wenn wir unseren Eigenstand innerhalb der kulturellen Neuschöpfung der Gegenwart erfassen
Unter diesem Titel erscheint also „Le Drame de l'Humanisme athee“ im österreichischen Blickfeldi ein Werk, das seit seinem Erscheinen 1943 in Frankreich zum Ereignis geworden ist: zahllos die Auseinandersetzungen in Zeitschriften, die Diskussionen, die hier anknüpfen. Es steht zu hoffen, daß es auch bei uns in die lethargische, müde Atmosphäre, in die Abgestandenheit der Geister frischen Wind einbläst und zum Auftrieb wird.Lubac, an der vordersten, gefährdetsten Front der französischen Theologie stehend, setzt sich hier mit den Vätern des weltanschaulichen, wissenschaftlichen und,
Die Ergänzung der Gesammelten Werke Franz Werfeis hat eine Neuauflage der „Geschwister von Neapel“ notwendig gemacht. Die Auflage (53- bis 57.000) beweist den hohen Rang, den dieser Roman Werfeis innerhalb des Gesamtwerkes und im Urteil der Leser einnimmt. Mit ihr wird ein Werk des Dichters, das einer früheren Generation binnen wenigen Jahren (ab 1913) zu einem unverlierbaren Erlebnis geworden ist, nunmehr auch einer jüngeren Generation erschlossen, die sich bisher vorwiegend an die letzten Prosawerke Werfeis („Erzählungen aus zwei Welten“, „Das Lied von Bernadette“, „Stern
In den letzten Jahrzehnten ist neben dem Historiker immer stärker der Briefschreiber Jacob Burckhardt in den Vordergrund des Interesses getreten. Ein richtiger Instinkt — und eine echte Sehnsucht führt das Publikum zu der Persönlichkeit dieses Mannes, die in ihrer schaubaren Größe und klaren Begrenztheit die Faszination des Klassischen ausübt. Als Humanist (man denkt an Erasmus), als Basler (vergleiche das Vorwort), als tief einsamer Mensch, der den Abstand zu seiner Umwelt kühl und schmerzlich zugleich in jeder Stunde erlebt, hat sich Burckhardt in seinen Briefen ein europäisches
Eine verkannte Kostbarkeit! Ja, das ist dieses Faustbüchl des Salzburgers Alois Gras-mayr. Nicht, weil er ein Leben darangesetzt hat, den Faust volkstümlich zu machen, seine Mären und Mysterien dem Volk zu sagen, dem er vortrefflich „aufs Maul zu sehen“ weiß. Nicht, weil viele zünftige und noch mehr unzünftige Kritiker ihn mit jener trefflichen Instinktlosigkeit abgelehnt und verurteilt haben, die eben im Lande Kraus', Fickers, Ebners beheimatet ist. Gewiß, nicht beim ersten Lesen erschließen sich Schönheit, Wesen und Wert dieses zauberhaften kleinen Büchleins. Vielleicht aber
Eine österreichische Uraufführung in der Insel: Emma Urbans Katharina von Medici“. Die schauervolle Mär vom mörderischen Großkampf der Hugenotten und der katholischen Liga im Frankreich der Religionskriege, die Pariser Bluthochzeit und Bartholomäusnacht stehen im Zentrum des Dramas. Die Medicäerin ist, soweit sich aus der hervorragenden Interpretation der Rolle durch Dorothea Neff erkennen läßt, ein kaltkluges Mannweib der Renaissance, eine virago, die mit spitzem Wort, Intrigue und Giftmord wohl zu fechten weiß, bis sie erkennt, daß sie verspielt hat. Hugenotten und Guisen, beide
Es gibt eine spezifische literarische Form, die sich der autonome Mensch der „neueren Jahrhunderte' Europas geschaffen hat: den Essay. Seinem Vater widmet der Romanist der Universität Freiburg i. U. ein ungewöhnlich kenntnisreiches, feinsinniges Buch (Hugo Friedrich: „Montaigne“, A.-Franke-Verlag, Bern, 512 Seiten), über den Meister des Unbestimmten und Unbestimmbaren, des Ganz-Persönlichen und Intim-Geschlossenen, über den von Voltaire und vom heiligen Franz von Sales, von Goethe und Gide geliebten, von Pascal, Mallebranche und Bossuet befehdeten Präger eines europäischen
Faschingspremieren in Wien! Im Volkstheater: Nestroys „Einen Jux will er sich mache n“. Neueingerichtet von Otto Basil und Alexander Steinbrecher. Dieses nicht nur durch Melchior, den „vazieren-den“ Hausknecht, „klassisch“ gewordene Stück verdankt seinen Erfolg seit dem „Freudenrausch“ des Publikums bei der Uraufführung der Tatsache, daß hier Nestroys Härte, Verzweiflung, Menschenverachtung und Nihilismus wundersam gemildert, in der Sonnkraft einer alles verstehenden, alles verzeihenden, wohlwollend scherzenden Ironie die Gestalten des Stücks in Wärme getaucht sind. Nur
Sprechen wir von den Konzentrationslagern.“ Unter diesem Titel nimmt das intellektuelle Haupt des österreichischen Kommunismus, Ernst Fischer, im .Tagebuch“ Nr. 2 vom 19. Jänner 1950 Stellung zu unserem Artikel „Die Welt ohne FenSter“ („Furche“ Nr. 49 vom 3. Dezember 1949). Ein Thema von Weltbedeutung, ein ernstzunehmender Verfasser. Sein Ziel: er will mit seinem Beitrag zu einer „ernsten Diskussion“ herausfordern, über das KZ im allgemeinen, über die sowjetischen Arbeitslager im besonderen.Fischer appelliert an den Historiker, von dem er glaubt, aussagen zu müssen, daß
Das Theater der Courage ist gegenwärtig die einzige Bühne Wiens, deren Spielplan einer scharfumrissenen Einstellung, einer echten Tendenz folgt: Kampf der Unterdrückung und Terrorisierung, der Vernichtung des Menschlichen — in allen Masken und Verkleidungen, in denen heute dieser Prozeß der Liquidierung durchgeführt wird. Kampf also vor allem der Lüge und dem Jasagen unserer allzu schnell zu stillschweigendem und offenem Einverständnis mit den Gewalttaten unserer Zeit bereiten Zeitgenossen. In diesem Sinn ist nun auch die Aufführung J. P. S a r-tres .Die ehrbareDirne“ zu verstehen.
Seit Jahr und Tag kehren in der Presse Nachrichten über den Stand unserer hohen Schulen und über die Situation der österreichischen Wissenschaft wieder, die alarmierend wirken müßten, falls die Öffentlichkeit diesem Bereich des öffentlichen Lebens jenes Augenmerk schenken würde, das er verdient. Die Enquete der österreichischen Wissenschaftler im November 1948 über den Notstand der österreichischen Wissenschaft brachte als Ergebnis einen Gesetzentwurf über die Schaffung eines österreichischen Forschungsrates, der im österreichischen Nationalrat des Vorjahres nicht mehr zur
Es ist etwas Eigenes im deutschen Sprachraum um patriotische Festspiele, im höheren Auftrag bei Dichtern bestellt. Goethe mußte bereits mit „Des Epimenides Erwachen“ den Tadel nationalbewegter Köpfe einstecken, sein Stück sei so ganz und gar nicht hinreichend „patriotisch“. Gerhard Hauptmann ging es nicht besser. Als Schnitzler 1909 mit seinem Gedächtnisstück für die Schlacht bei Aspern „Der junge Medardus“ herauskam, brach bei vielen der Unmut los. Wie, ein vaterländisches Schauspiel zu Ehren Österreichs? Wie, und dieses minderwertige, ganz und gar unheldische Gesinde der
Goethes Faust: seit hundert Jahren wissen nicht nur die Philosophen und Philologen, die Traumdeuter und Ästheten, die Weltanschauungsfabrikanten und Schulmeister, sondern auch die Theaterleute, daß hier dem Jahrhundert der Nachfahren eine große Aufgabe gestellt ist. Der ganze Faust, das erste .Gesamtkunstwerk“ nach dem Barock — diesem stärker verbunden und verpflichtet, als der dünne spiritualistische .Idealismus“ und .Klassizismus“ der ersten Epigonen ahnen wollte — dieser ganze Faust wurde „bühnentechnisch' nicht gemeistert in der Epoche, die den Aufstieg der Walhalla und
Die alte Komödie „C y p r i e n n e“ von S a r d o u und N a y a c, neuinszeniert im Akademietheater. Diese alten Komödianten, was für Kenner des Menschen waren sie doch oft! Sie, die Erben der mechanischen Psychologie, der aufgeklärten Philosophie vom 1'homme-machine, von der Maschine Mensch, wissen nicht nur alle Hebel, Rädchen und Webstühle aufs artigste in Bewegung zu setzen, um Spieler und Publikum auf das aufmerksamste zu unterhalten, sie wissen, sie haben noch mehr. Sie haben, verborgen unter tausend Masken und Redensarten, noch mehr Substanz. Weit mehr, als ihre
Die moderne Gesellschaft ist heute in großen Strukturwandlungen begriffen, vieles ist in Fluß, in den Malstrom der Zeit geraten: die Wanderungen von Völkern, Rassen Und Klassen bezeugen es auf ihre Weise ebenso wie die „friedlichen“ und kriegerischen Umschichtungen aller Art. Inmitten dieser vielfach noch nicht scharf akzentuierten, schwer durchsichtigen Erscheinungen ragt, ein düster-mächtiges Symbol neuer Gesellschaftsformen, ein Phänomen empor: l’univers concentrationnaire, wie es David Rousset genannt hat: die in sich geschlossene Welt der Konzentrationslager, eine gigantische
Aus den Wiener Premieren der letzten Tage ragt, nicht zum erstenmal, durch Eigenart, Tiefe und Bedeutung des Themas eine hervor: die des Theaters der Courage. Ein Spätwerk Georg Kaisers: „Das Floß der Medusa". Vorspruch: im September 1940 wurde der Dampfer, der Kinder aus bombardierten Städten von England nach Kanada bringen sollte, auf hoher See torpediert. Nur wenige Kinder entrannen im Rettungsboote dem Tode. — Die sieben Tage der zwölf Kigder im Boot: sechs Knaben, sechs Mädchen. Diese Kinder des 20. Jahrhunderts haben für ihre Lebensfahrt von den Erwachsenen mitbekommen: ein
„Der Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symbol der Zeit.“ Von Hans Sedlmayr. 256 Seiten. Otto-Müller-Verlag, Salzburg
Das 12. Jahrhundert darf mit vollem Recht als das erste Jahrhundert eines neuen Europa angesprochen werden. In ihm wird zum erstenmal die Wesensart der europäischen Geschichte augenscheinlich sichtbar: der Agon, das politische, religiöse, geistigkulturelle, soziale und wirtschaftlich bedingte Streitgespräch zwischen ebenbürtigen Partnern. Die außereuropäische Geschichte, die Historie Asiens, Afrikas, des vorkolum- bischen Amerika, soweit wir sie einsehen, gleicht Europa gegenüber großen Monologen, gehalten von den chinesischen, assyrischen, ägyptischen und anderen Gottkaisern,
Das Theater der Courage, das seinem Namen alle Ehre macht, eröffnet die neue Spielzeit mit einer Offensive für den Friedensgedanken. Das mit dem österreichischen Dramatikerpreis 1949 ausgezeichnete Drama „Die Patrouille“ von .Wilhelm Steiner und „Das Zeichen des Jona“ von Günther Rutenborn bauen einen Abend. Das Werk des Österreichers wird von dem des Deutschen ergänzt. — Steiner geht senkrecht aufs Ganze; er verbindet die Toten des ersten Weltkrieges mit den Toten des zweiten Weltkrieges durch eine Patrouille, die, von ersteren ausgesandt, in das Leben geriet — in das Leben
In einem kleinen Orte Niederösterreichs starb einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg, der Öffentlichkeit unbekannt, der wohl bedeutendste christliche Denker unseres Landes, Ferdinand Ebner. In einem kleinen Orte Tirols lebt heute, einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, der Öffentlichkeit unbekannt, die wohl bedeutendste christliche Denkerin, die in unserem Land weilt, Annie Kraus. Schwere und Not des Lebensweges, einsames Ringen um das Werk — mehr noch verbindet diese beiden Menschen, deren Schaffen Labsal und Trost den „Stillen im Lande“ zu gewähren vermag, allen jenen, die wider
Seit undenklicher Zeit, seit die Menschen Kriege führen, gibt es das Problem des Heimkehrers, des Mannes, der, aus einer andern, fremden Welt kommend, seinen Fuß wieder an die Gestade des Heimatlandes setzt. Nicht jedem Heimkehrer aber wird das Los des Odysseus zuteil, von Freundeshand empfangen, in, wenn auch hartem Streit, hohe Erfüllung zu finden und sein Leid in unsterblichem Lied verklärt zu sehen.Österraeich schickt sich in diesen Tagen an, ein großes Heimkehrerproblem zu lösen. Viel in unser aller Zukunft wird davon abhängen, w i e diese Lösung gelingt — nicht in Liedern,
Es geschieht heute nur mehr selten, daß im Wust der täglich auf den Markt geworfenen literarischen und wissenschaftlichen Publikationen ein Werk aufscheint, das beanspruchen darf, den Gesichtskreis jener, die um Europas innere Geschichte und Sinn- deutung wissen und dies als ein ihnen wesentliches Anliegen betrachten, bedeutend zu erweitern. Ein solcher Fall liegt nun vor.Soeben erschien im Otto-Müller-Verlag, Salzburg, Otto Brunners „Adeliges Landleben und europäischer Geist — Leben und Werk Wolf Helm- hards von Hohberg 1612—1688.“Dieses Werk des bekannten Wiener Historikers
Ein seltsames Stück, das je nach der Einstellung der Besucher die verschiedenartigsten Empfindungen weckt, läuft gegenwärtig in der J o s e f s t a d t. „Eduard, mein Sohn" von Robert Mo-rley und Noel Langley. Der an die Haustradition der Josefstadt, „Familienstücke“ — Buketts kleiner Nichtigkeiten — in gepflegter Atmosphäre zu kreieren, gewöhnte Gast sieht sich zunächst arg getäuscht. Gewiß, es bleibt auch hier alles, fast alles in der „Familie" beschlossen — im Aufstieg der Familie des Arnold Holt aus bescheidensten Anfängen zu einer wirtschaftlichen Führungsrolle im
Vierzehn Tage lang 6teht Wien im Zeichen von Kundgebungen „Christlicher Kultur“. Nach der „Internationalen Woche des religiösen Films“ bringen nunmehr die „Kulturtage christlichen Geistes“ weltangesehene Dokumente des Kulturschaffens und Männer europäischen Formats in die Stadt, die noch keine Großveranstaltung dieser Art gesehen hat. Besuch und Anteilnahme an den einzelnen Festveranstaltungen dürfen mit den Prädikaten lebhaft, bewegt, ja glänzend bedacht werden — dennoch verlangt die Behauptung unseres ersten Satzes eine nähere Untersuchung. Wie weit steht Wien wirklich
Die Stephansspieler im Stadttheater bringen nach der „Erlösung“, nach dem großen Passionsdrama, nun „O h, Tu ran do t“, eine Burleske nach G o z z i s Commedia-dell’-arte-Stück von W. Burggraf. — Die ganze Misere eines Geschäftsunternehmens, das mit „christlichem“ Firmenschild Reklame macht, wird an diesem Rösselsprung sichtbar. Als nächste Novität ist Ganghofers „Jäger vom Fall“ angekündigt, wobei, wie die Vormeldung berichtet, auch ein Zitherduo mitwirken wird. Noch sind wir nicht so weit, bleiben wir also bei der Turandot. Es ist an sich eine schwierige und oft
Die Stephansspieler im Stadttheater bringen nach der „Erlösung“, nach dem großen Passionsdrama, nun „O h, T u r a n d o t“, eine Burleske nach G o z z i s Commedia-dell’-arte-Stück von W. Burggraf. — Die ganze Misere eines Geschäftsunternehmens, das mit „christlichem“ Firmenschild Reklame macht, wird an diesem Rösselsprung sichtbar. Als nächste Novität ist Ganghofers „Jäger vom Fall" angekündigt, wobei, wie die Vormeldung berichtet, auch ein Zitherduo mitwirken wird. Noch sind wir nickt so weit, bleiben wir also bei der Turandot. Es ist an sich eine schwierige und
„Aurelie“ von Marcel Pagnol im Akademietheater. Das ist ein merkwürdig glücklich-unglückliches Spiel. Pagnol versteht es, die Landschaft seiner Heimat, der Provence, in breiter Buntheit zu malen. Ein Impressionismus, der nicht die Hintergründigkeit van Goghs besitzt, der in und vielleidit an diesem Lande starb, der aber immerhin Lichter tieferer Bedeutung durchscheinen läßt im Gewände sonnverschlafener Alltäglichkeit. Ein Dorf, noch in halber Erbuntertänigkeit unter einem Marquis, mit all seinen farbigen Typen, aus denen der aufgeklärte junge Lehrer, der heißspornige Herr
Der deutschsprachig historische Roman des 19. Jahrhunderts hit verschieden zeitgeschichtliche Wurzeln. Da steht zunächst das didaktische Interesse des professoralen Historienmalers, Georg Eberts „Ägyptische Königstochter“ — lehrsame Bereicherung des „Weltbildes“ eines Bürgertums, das sich gleichzeitig gefällt, seine Salons mit „historischen“ Garnituren zu zieren. Die Didaktik ist nicht ganz uneigennützig, wie etwa Professor Dahns „Kampf um Rom“ zeigt, ein Werk, dessen Wirken und Einfluß auf vier teutschtümelnde, germanenschwärmenide und romfeindiliche
Shakespeares „Julius Caesar“ im Burgtheater. Regie Josef Gielen. Dieses Stück erregt seit je das Entzücken der Schau-Spieler und sehr gemischte Gefühle bei den Freunden hoher Dichtung, hoher Kunst. Der Autor ist auf seine Weise und in seinem Fach ein mindestens ebenso gewalttätiger Herr wie sein Titelheld. Er kennt keine Rücksichten — der Dramaturgie, eines inneren einheitlichen Bauplans, logischer Konsequenz, psychologisch sauberer Motivierungen. Ist Caesar, ist Brutus der Held des Stückes? Oder vielleicht gar jener Falschmünzer und Geck Marc Anton, der, vielleicht sehr edel,
Es verdient vermerkt zu werden: auch das zweite Erfolgsstück des Burgtheaters nach Zuckmayers „Des Teufels General“ ist ein Zeitstück: „D er öffent liche Ankläger“ von F’r i t z Hochwälder. Diese Tatsache muß festgehalten und will von zwei Seiten besehen werden: von der Zeit und vom Stück selbst her. Unter „Zeit“ ist die Gegenwart zu verstehen, denn die historische Fabel ist nur Maske. Es geht hier nicht um eine Legende der Französischen Revolution, sondern um ein Geschehen, das wir am eigenen Leibe verspüren, um ein Erdbeben, das im letzten nichts anderes als ein
Stundenbüdrer sehr verschiedener Art wurden in den letzten Jahrzehnten zur Mode. Oft waren es Preziositäten für literarische Feinschmecker. Heute wissen wir wieder, daß Kultur ohn Kultus sich nicht halten kann, daß auch Kulturfrömmigkeit nicht zu bestehen vermag ohne kultisch gebundenes Frommsein. Das gab es einmal geregelt und wohl organisiert in den Brudersdiaf- ten des Spätmittelalters, gepflegt in den Kreisen der Devotio Moderną, in zahlreichen karitativen Bünden, Vereinen, Genossenschaften der Neuzeit. Heute geht es darum, daß der Laie selbst in der Kirche, im Glauben, in der Herzmitte des Innenlebens der christlichen Gemeinschaft neu Fuß faßt. Es muß ihm, der in vielfachem täglichem Versagen um seine christliche Existenz ringt, ermöglicht werden, Wurzeln zu fassen. Tief, viel tiefer als das Gestern noch gedacht hat, weil es der Morgen gebieterisch fordert. Ein neuer, zeitnaher Frömmigkeitsstil wird verlangt, ersehnt, der Größe und Kühnheit, Weite und Schlichtheit, spirituelle Tiefe und warme Lebensnähe zu vereinen weiß. Man hat deshalb, und gewiß mit Recht, eine neue innere Annäherung des Laien an den Ordensstand gefordert, das heißt zumindest an gewisse Grundhaltungen desselben, und nicht zuletzt an sein Gebet. Tägliche Schriftlesungen, Tagzeiten, zumindest eine Art Laienbrevier wurden oft schon ils notwendige Stützmittel verlangt, für den christlichen Menschen, der im Wechselstrom gegensätzlicher Gefährdungen elektrisiert, paralysiert, zumindest abgestumpft und zerschlissen zu werden droht. Ein Gebetschatz für den modernen Menschen, als Netz der Sammlung, als Schutz der inneren Dichte, als Sicherung und Mehrung der seelischen Substanz.
Zu dem Buche: Die Welt des Schweigens. Von Max Picard. S.-E -Rentsch-Verlag, Erfenbach-Zürich. 248 SeitenPicard ist durch seine zeitkritischen Bücher weit über sein Schweizer Heimat hinaus bekannt geworden. Mit Recht. „Die Flucht vor Gott“, „Das Mensch engesicht“, „Die Grenzen der Physiognomik“ haben ihn als ernsten, bedachtsam wägenden Beschauer des Menschen der sogenannten Moderne erwiesen, als Kerfner seiner Suibstarazverluste, seiner Undichte, seines Verrates am Göttlichen und Humanen, seiner letzten Selbstpreisgabe. E ann kam noch „Hitler in uns selbst“, das
„Gott ist das Schrecklichste auf der Welt.” Dieser Satz steht in Ödön von Horvaths großem Zeitroman „Jugend ohne G’ott”, der erstmals 1938 in Amsterdam erschien und 1948 in Wien neu aufgelegt wurde. Dieser Satz schwebt als Richtsatz auch noch hinter Horvaths Zeitstück „G’s chichten aus dem Wiener w a 1 d”, die ihre österreichische Erstaufführung im Volkstheater erleben. Ein Verdienst, ein großes Verdienst des Volkstheaters — wir betonen dies gegenüber einem allerdings nur in einer Vorstellung randalierenden Publikum und auch gegen randalierende Kritiker. — Diese
„Heute, in einer Zeit, da der große Strom schwächer wird, da die europäische Kultur zerfällt und das menschliche Bewußtsein aussetzt und sich verdunkelt, soll noch einmal das, was wir zu vergessen beginnen, kurz aufgezeichnet werden, als Flaschenpost für die unbekannte Zukunft.” Mit diesen Worten beschließt Michael B a b i t s das einleitende Kapitel seiner „G e- schächte der europäischen Litera- t u r” (Europa-Verlag Wien, 600 Seiten). Eines der eigenwilligsten, kultiviertesten und gepräg- testen Bücher, die seit “Jahnen auf den Büchertisch gekommen sind. Reflexionen
Im letzten Kriege proklamierte das Regime einen „Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften”. Auch diese sollten also an der totalen Mobilmachung teilnehmen. 1943, 1944 begannen die ersten Publikationen — zu gewichtigeren, großen Veröffentlichungen ist es nicht mehr gekommen. Inzwischen war aber bereits 1941 in München im Verlag des Deutschschweizers Ernst Reinhardt ein Werk erschienen, das ein Ruhmesblatt deutscher Geistforschung und objektivier Wissenschaft darstellt, das Werk von Alfred v. Ma r t i n „N ietzsche undBurckhardt — zwei geistige Welten im Dialo g”. 1 9 4 5
Zu den großen ungelösten Aufgaben einer Geschichtsforschung, die es sich zur Aufgabe stellt, den wahren Ursprüngen und Entwicklungstendenzen der Entstehung des Abendlandes nachzugehen, gehört der Problemkreis der frühmittelalterlichen Kunst. Jener Kunst vor dem Sieg der Gotik, die, zumal in den Epochen des Karolingischen und Ottonischen, Werke von einer Größe, Monumentalität, inneren Dichte und Inhaltsschwere geschaffen hat, die im ganzen folgenden Jahrtausend vielleicht nicht wieder erreicht worden ist. — Wer den Engel der Verkündigung im Perikopenbuch Heinrichs II. auf sich
„Die Bhil in Zentralindien.“ Von Wilhelm Köppers, Jahrgang VII1948 der Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik. Verlag Ferdinand Berger, Horn-Wien, 1948, 352 Seiten und XVI Tafeln
Ergriffen verlassen wir den kleinen Raum. Hier, wenige Schritte vom Lueger-Denkmal entfernt, im unterirdischen Lokal des „Lieben Augustin“ wird erregendes, zeitnahes Theater gespielt. Das „Theater der Courage“ bringt von Siegfried Freiberg, uns wohlbekannt als Autor feinsinniger Romane und Erzählungen, „d a s kleine Weltwirtshaus“ zur Erstaufführung. Der Prospekt vermerkt: „Dieses Stück spielt" nach dem zweiten Weltkrieg in einem Gasthaus an der Grenze.“ Otto Renner, der Wirt, verkörpert leibhaftig die Grenze, um die es hier geht. Ein Schlaganfall hat eins Körperhälfte
Das Burgtheater eröffnet seinen Spielplan 1948 49 mit Carl Zu ckmayers „Des Teufels Genera 1". Zum erstenmal seit 1945 legt die Bühne unseres Staates in einem zeitpolitischen Stück Zeugnis ab für das, was mitten unter uns, und ob viele es auch nicht wahrhaben wollen, in uns, an uns, aus uns, geworden ist: Schrek- ken und Elend des Dritten Reiches …Der Inhalt des Stückes, unseren Lesern aus einer längeren Besprechung („Furche“ Nrt.,.i.8 .19 7) bekannt, bedarf nur kurzer Erinnerung. Der Fliegergeneral Harras (hinter dem die Gestalt Udets steht) hat sich, aus Ehrgeiz, Leichtsinn,
Als Molnar 1910 das „Märchen vom Wolf" schreibt, ist es ein amüsantesPläsierstück für eine Gesellschaft, die schon lange nicht mehr an Märchen glaubt, die innerlich aber immerhin durch Strindberg und Freud bereits soweit aufgescheucht ist, daß sie das Spiel mit und um das Un- und Unterbewußte interessant findet,.. AU Pfaudler im Sommer 1948 in der Josefstadt das „Märchen vom Wolf" neu inszeniert, entsteht eine Aufführung, die zu den besten Leistungen dieser Bühne in diesem Jahr gezählt werden muß. Alle spüren es, hier ist etwas los! Die Oberflächigen ergötzen sich an der
In einer Sondervorführung der Französisch-Österreichischen Gesellschaft wurde nun Wien endlich mit dem französischen Spitzenfilm „M onsieur Vincent” bekannt. Höchste Preise (Grand Prix de Cinema 1947, Paris, und 1. Preis für den besten Darsteller auf der Biennale Venedig 1947) schmücken ihn, mehr: die Ergriffenheit des Publikums, das sich unter seiner Wirkung aus einer gestaltlosen Masse zu einer Gemeinde persönlich angesprochener Menschen wandelte. — Hier wird eine letžte Möglichkeit des Films, dem sooft ein beträchtlicher Anteil an der Förderung des modernen
Es gibt Bücher, die aus Liebe geschrieben sind. Adalbert Stifters Werke nehmen im Kosmos dieser Bekenntnisse der Liebe hohen Rang ein. Es gibt Bücher, die in Haß geschrieben wurden. Hitlers „Mein Kampf” steht in der vordersten Front dieser Brandblätter des Bösen. Stifter und Hitler: wie sehr ist beider Zeugnis für, beziehungsweise gegen Österreich in die Waagschale der Weltgeschichte gefallen! Des ersteren Wort klang in die leise innere Geschichte der Menschheit ein, er hat diese um manchen Ton, nm manchen süßen Klang bereichert; des letzteren schriller Schrei erfüllte die
Die Bürg hat es gewagt, Hofmanns- thals Trauerspiel „DerTurm”zur Uraufführung zu bringen; ein lobenswertes Unternehmen, wenngleich Zeit und Form nicht ganz glücklich gewählt erscheinen. Dem „Turm” liegt die alte, uns von Calderon und Grillparzer vertraute „Traum-ein- Leben-Fabel” zugrunde. In einem mythischmittelalterlichen Polen hält König Basilius, geängstigt durch Prophezeiungen, verwirrt durch böse Ratgeber und die noch bösere Stimme seines verderbten Herzens, seinen einzigen Sohn Sigismund seit seiner Geburt gefangen — in einem finsteren Verließ, fern der Welt, dem
Grillparzers „Medei” in der Burg, Ferdinand Bruckners „Timon” in der Josefstadt. Zwei große Dramen, zwei Antikebilder.Medea : die antike Fabel von der kol- ehischen Königstochter, die sich von Jason, dem Griechenjüngling, nach Hellas rauben läßt und in der Fremde zugrunde geht. Griechische Antike in ihrem Ringen mit dem Barbarentum. — Wie verhält sich moderne sensible Subjektivität zum objektiv-großen weltenfernen Mythos der Antike? Aus dieser Spannung erwächst sowohl das Werk Grillparzers, wie auch die Lebenskraft dieser einmaligen Aufführung.Wiedergeburt der Antike?”
Eine Überraschung bringt allen Theaterfreunden die „Insel” mit einer sorgfältig herausgebrachten Aufführung der mit Recht hochgerühmten Diebskomödie Gerhard Hauptmanns „D er Biberpel z”. Dieses Stück will heute neu gesehen werden. Nicht einfach als eine Drollerie, eine Burleske um das Schel- menstück einer guten Sünderin — dieser Waschfrau Wolff. Einst lachte die vornehme Welt am Kurfürsten- wie am Alsterdamm, im kultivierten Berlin und Hamburg, in Düsseldorf und München über das große Glück, das kleinen, vom Schicksal scheel angesehenen Leutchen so seltsam krumm ins
Es muß der Renaissancebühne als Verdienst angerechnet werden, das Wiener Publikum mit dem amerikanischen Erfolgsstück „Anna Lucasta” von Philip Yordan bekanntzumachen. Der deutsche Titel „Schwarzer Markt der Liebe” (die Übertragung ins Deutsche stammt von Fritz Habeck) wirkt leider stark irreführend: es handelt sich hier nämlich keineswegs um einen modernen Sketch oder Kitsch, sondern um die Darstellung eines der schwersten und schwierigsten inneren Probleme, mit denen die Vereinigten Staaten zu ringen haben, in der sehr lebendigen Legende eines Menschenlebens. — Das Leben
Die Erstaufführung des historischen Schauspiels „E u g e n i e“ von Hans Müller- Einigen im Burgtheater verpflichtet jeden aufmerksamen Beobachter, den Ruf des Einspruchs, der Mahnung und Warnung zu erheben.Nein, so geht es nicht weiter, so sollte, dürft es nidtt weitergehen — wenn wir unsere erste Staatsbühne nicht mit dem Verruf der Lächerlichkeit eines falschen Popanzwesens belastet sehen wollen.Nach der letzten Premiere, dem abgeschmackt unseligen „Münchhauscn“ Hasen- clevers, nun diese hochaufgedonnerte Nichtigkeit, die eine Sünde wider den besten Geist der Burg
Während die Wiener Tagespresse voll von gewichtigen Hauptartikeln über die Wiener Theaternot ist, während das Rathaus mit den Direktoren der Wiener Bühnen über Maßnahmen zur Lösung der Theaterkrise verhandelt, ist in Wien eine neue Bühne entstanden.Ein außerordentliches Ereignis, das die Anteilnahme aller jener verdient, die noch Augen um zu sehen und Ohren um zu hören haben.Aus jenem Arbeitskreis, der soeben erst in der Scala in einer sehr beachtlichen zügigen Aufführung Simonows „Russische Frage“ herausbrachte, hat sich nun eine Werkgemeinschaft von Schaur Spielern,
Der früh ergraute Mann, der seinen krankmüden Leib durch die Einsamkeit des schwäbischen Dorfes Ustersbach schleppt, wo er im Haus der Magd letzte irdische Raststätte findet, trägt ein Leben, das vom Schmerz großer, in Zucht verhaltener Einsamkeit gezeichnet ist, seinem Ende zu. Tiefflieger schwirren über dem Ort, sein Geist aber schwebt über die Not des letzten Augenblicks in die Ferne. Zuerst dem einzigen siebzehnjährigen Sohne zu, der in den letzten Todeskrämpfen des „ewigen Reiches“ noch zum Einsatz kam; nie mehr wird er, wird ein anderer Mensch von ihm hören... Inzwischen
In das kleine kühle Haus in der Dingelstedtgasse hat „Der Pfarrer vom blühenden Weinberg“ seinen Einzug gehalten. Felix Timmermans bei den Stephansspielern. Der warmherzige Flame darf sich über die herzliche Zuneigung freuen, die ihm hier von seiten der Schauspieler wie des Publikums entgegenkommt. Dies vorzubemerken, ist wichtig: denn „Der Pfarrer vom blühenden Weinberg" gedeiht als Stück nur in einem Klima, das aufnahmsbereit offensteht den linden Wechselwinden, welche die Atmosphäre dieses Stückes in sanftem Wehen formen.Da ist zuerst eine bittersüße Liebes- geschichce: vom
Raoul Aslans Neuinszenierung der „I pH i- genie auf Tauris“ im Akademie t h e a t e r bringt dieses Bekenntniswerk Goethes als ein Oratorium, ein Weihespiel. Beetliovensdie weltlich-geistliche Sakralmusik umkleidet gedampft die heilige Handlung mit schweren, dunklen Tönen. Die streng stilisierte (nur leise an Caspar David Friedrichs romantisches Fernweh gemahnende) Landschaft, die sdiöne Enthaltsamkeit und innerlich-klassische Stilisierung der Kostüme (Bild und Kleidung: ein Kunstwerk Erni Knie- perts, deren Kostüme im „Sommernachtstraum“ auf fielen), das reine Weiß der Fliesen,
Die neue Faust“ -Tn s z.c nie r u n.g des Burgtheaters durch Ewald Baiser gibt zu manchen Überlegungen Anlaß.Goethes „Faust“ als Ganzes: ein Schauspiel von den Versuchungen des deutschen Volkes. Des Volkes, dessen unstet gärende Seele seit den Tagen der deutschen Mystik hungrig durch die Welt schweift. Imperialismus des Geistes: von Eckehart bis zu Hegel und Nietzsche. Imperialismus des Herzens: die hohe Stunde der deutschen Musik, die Stunde der Lyrik, Georges und Rilkes. Größe und äußerste, weil innerste Gefährdung dieses Volkes: der Kampf mit seinen Versuchungen, mit seinen
Die Verwirrung der nach geistiger Orientierung Suchenden wurde in den vergangenen Jahren systematisch gefördert durch die sehr einseitige und höchst willkürliche Ausrichtung, welche nicht nur die Forschungen, sondern auch die Quellensammlungen, und Nachschlagewerke im Deutschen Reich erhielten. Eine Durchsicht der seit 1933 erschienenen Lexika zeigt die Verheerungen, welche hier ein bösartiges Totschweigen, Ausmerzen, zumindest arges Entstellen im geistigen Raum eines großes Volkes verursacht hat, eines Volkes, dessen großer Ruhm einst eben gerade die Weite, Größe, Freiheit und
Die Insel bringt, als österreichische Erstaufführung „Die Mutter” (Wassa Shelesnowa) von Maxim GorITi j. Dieses 1910 verfaßte Stück (das nicht zu verwechseln ist mit Gorkijs bekanntem Roman „Die Mutter”) hat den Dichter innerlich nicht aus seinem Bannkreis entlassen. Noch 1935, ein Jahr vor seinem Tode, arbeitet er es zu einem neuen Stück „Wassa Borisowna” um. Gorki), der „Bittere”, lebt, zehrt von den Bitternissen seiner Jugend: wie ein schwerer Alp liegt das „alte Rußland” auf seiner Seele: es ist nicht mehr das „heilige Rußland” der Pilger und Starzen, der
In Kürze wird im Gallus-Verlag, Wien, ein Werk von Professor Othmar Spann erscheinen: „Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlag e”.Vom Wesen des Menschen, den innersten Notwendigkeiten des religiösen Lebens ausgehend, will der viel gefeierte und viel umkämpfte Sozialphilosoph „untersuchen und zeigen, wie im Laufe der Zeit und bei den verschiedensten Völkern die religiöse Frage gestellt war und wie man ihr begegnete”. Nicht weniger gehe es — sagt der Prospekt — um die Aneignung der höchsten religiösen Begriffe durch den neuzeitlichen Menschen, um seinen Weg zu Gott.
Eine Stelle ist zu vergeben: vom Staate Österreich. Es geht um die Führung des Wiener Burgtheaters. Wie viele Kämpfe und Intrigen haben in der Vergangenheit diesen Hochstuhl umwittert — wie viele Beamten und Künstlernaturen, Dichter und Schauspieler, Adelige und Bürgerliche, grundgescheite Leisetreter und genialische Kraftnaturen haben diesen Thronsitz eingenommen — ihn umworben und durch Kabale und Liebe und andere Dinge verloren! Um die Führung des Wiener Burgtheaters sind nicht weniger Schlachten geschlagen worden als um die Herrschaft über dieses und jenes Reich unseres
Die Nachfolge Christi. Oder das Buch vom inneren Trost. Von Gerrit Grote In dem Text von 1384 tunlichst wiederhergestellt, verdeutscht und erklärt von F. Kern. Verlag Otto Walter A. G., Ölten. 418 Seiten.
Als erste Weihnachtspremiere bringt das Thea, ter der Stephansspieler heuer ein „M a r i e n s p i e 1 nach altflämischen Motiven“ von A. Miller. Schade, der Erfolg des vorjährigen Weihnachtsspieles findet diesmal keine Wiederholung. An den Schauspielern liegt es nicht: Sie spielen mit einer Hingabe, Wärme und inneren Anteilnahme, die eines besseren Stückes würdig wäre. Ein Marienspiel — nach altflämischen Motiven? Man denkt an die innige Größe der alten Maler Flanderns, an die Schau Timmer. manns, der die heilige Familie, die Armut und Innigkeit dieses Landes eigenständiger
Pausenlos rollt auf der Bühne der Ronacher-Burg Shakespeares „Som-mernachtstrau m“ ab. — Das englische, höfisch-mittelalterliche Athen des Herzog Theseus, der danteske Wald der Irrungen ijnd Wirrungen, das keltische Zauberreidi Oberons und Titanias, die Backstubenwelt der kleinen Handwerker. Wand hebt sich, Wand senkt sich. Kluge Worte, angstverwirrte, liebesbefangene Herzen, bescheidene Narrheit. Und Elfen tanzen überall.Es ist nicht ganz eine Revue in der Art Reinhardts geworden: ein rein filmischer Schmaus der Sinne, der vergessen macht, daß die Augen nidit nur zum Gaffen und die
Die Erschütterungen der letzten Jahrzehnte haben uns eine Einsicht in Zusammenhänge des Geistigen, Seelischen, Materiellen und Machtmäßigen vermittelt, ohne deren Kenntnis nichts vom Geschehen unserer Epoche zu verstehen ist. Enge Zusammenhänge zwischen Geist, Seele und Macht werden heute selbst dem Manne von der Straße auf Schritt und Tritt offenbar: jede Partei hat ihre Ideologie, jeder Stand seine Weltanschauung, der letzte große Krieg war, wie Michel de Pange herausgestellt hat, ein Kreuzzug der Ideologien und wieder droht sich aus dem Gefälle der Machtinteressen und
Während neue Demontagen von Industrieanlagen in der Bizone Deutschlands bevorstehen, während aus dem Ostraum dieses umstrittenen Volkes nur wenige und widersprechende Nachrichten an die Weltöffentlichkeit dringen, während der Süden— Bayern — einer immer stärkeren Sonderentwicklung zustrebt und in London die Vorverhandlungen über einen deutschen Friedensvertrag in der Pressung der Weltgegensätze kaum ihre bescheidenen Keime entfalten können, mag es fast vermessen, zumindest aber reichlich kühn erscheinen, Erwägungen über den Neubau Deutschlands anzustellen. Aus dem „Volk ohne
Die Menschen der Gegenwart sind harthörig geworden — nicht ganz nur aus eigener Schuld. Bittere Erfahrungen haben die Kranzgefäße der Herzen verengt. Jeder Volksmann, jeder Prediger weiß heute, wie schwer es ist, den Menschen unserer Zeit wirksam anzusprechen. Und doch: auf eine Stimme hören sie. Ist es nicht überraschend, zu sehen, was für gewaltige Bewegungen entstehen, wenn die machtvolle Stimme der Wirklichkeit, einer neuen Wirklichkeit gelebten Christentums die Seelen trifft,'eines gelebten Christseins in Freude, Frieden und brüderlicher Zusammenarbeit?Seit den zustimmenden
Tausend Meter über dem Genfer See, hoch über Montreux, liegt Caux; die Savoyer Berge, die Gletscher des Dent du Midi und des Montblancmassivs grüßen herüber, sonnüberstrahlt schmiegt sich die reiche Kulturlandschaft um die blaugrünen Wasser des Sees. Die Trauben reifen an allen Hängen, Feigen glänzen im Unterholz, Edelkastanien klettern den Berg hinan ... Es ist das Land, in dem seit vielen Jahren die glücklichen Vertreter der Völker dieser Erde sich zu treffen pflegen, um bei Tee und Tanz, in Kongressen und Meetings über das Unglück ihrer Völker zu plaudern oder auch in hartem,
Ein Sammelband, der aus Grillparzers Prosa-werk drei Stücke vereinigt: „Der irmo Spielmann“, „Das Kloster bei Sendwmir“ und die „Selbstbiographie“, dazu eine Einleitung von Max Meli: „Grillparzer, der österreichische Erzähler“.- Leichthin und oft leichtfertig haben die vergangenen Jahre Einzelwerke den großen Österreichers zum Abdruck gebracht, der große Name der Vergangenheit mußte das Geschäft der Gegenwart decken. Nicht einzusehen war oft der tiefere not- und zeithafte Bezug dieser Editionen. Hier aber, und deshalb freut es nns, diese Neuausgabe anzeigen zu dürfen,
Die Theater der Gegenwart haben es nicht leicht. Wer Spielpläne und Aufführungen der nun in Wien zu Ende gehenden Saison 1946/47 überblickt, wird ein sehr buntes Gemisch vielfarbiger, oft minder-, halb-, nur selten hochwertiger Stücke fest? stellen müssen. Die scheinbar äußerlich bemerkenswerte Reichhaltigkeit der Themen beruht jedoch nicht auf wahrem inneren Reichtum, echter Fülle, vielmehr — wenn wir hier von den reinen „Geschäftsstücken“, den kaltschnäuzig aufgezogenen Kassenschlagern, absehen wqllen, — auf einem nervösen Tasten und Suchen, dem nur selten ein
Es ist immer, subjektiv betrachtet, ein Unsinn, wenn'man gegen ideale Anschauungen mit brutaler Gewalt, Kerker und Schwert ins Feld rückt. Man unterliegt jedesmal, muß unterliegen. Die größten Kanonenkugeln können geistige Wesen nicht verwunden. Dr. J. Scheicher: „Erlebnisse und Erinnerungen“1 9 3 8. Hitler besetzt Österreich und schickt sich an, tief in den slawischen Raum einzubrechen. Rußland — der Osten — die große Unbekannte — vom Dritten Reich hybrid unterschätzt, vom Westen zögernd unter vielen Rückzügen umworben. In den geistigen Raum der kommenden
Als vor zwei Jahren, kurz nach Beendigung des Krieges, die „ersten internationalen Hochschulwochen des österreichischen College“ in Alpbach-Tirol ^tattfandeil, schüttelten 'viele, selbst, wohlmeinende Beobachter den Kopf; war es nicht zu früh, war es nicht überhaupt gewagt, was hier eine kleine Schar von Studenten und Dozenten versuchte — angesichts der Zerklüftung Europas —, ein neues „Gespräch junger Europäer“ zu beginnen, ein Gespräch' der' Begegnung der Gegeißätze, um wesentlich drei große Problemkreis: Heranführung der jungen Studenten an die erregende Nahsicht und
Wie das kurze Vorwort besagt, widmete Zuckmayer den ersten Entwurf dieses Stückes * im Jahre 1942 „Dem unbekanntenKämpfer“, 1945 widmet er es ,.Dem Andenken meiner von Deutschlands Henkern aufgehängten Freunde Theodor Haubach, Wilhelm Leuschner, Graf Helmut von Moltke.“ Dies Vorwort zu kennen, ist für die Beurteilung des ganzen Werkes bedeutsam. Um es vorweg zu nehmen: Zuckmayers neues Drama, das vom Burgtheater zur Aufführung vorbereitet wird — ängstlich fragen wir nur: wo wird die Burg die Schauspieler hernehmen, um diese Gestalten zu „spielen“, nein, zu neuem Leben
Die „Burg“ bringt als österreichisdie Uraufführung Fritz Hochwälders Schauspiel „Das heilige Experiment“. Hochwälder, der vor 1938 bereits in dem strebsamen kleinen „Theater der 49“ in Wien aufschien, ist jenen Weg gegangen, auf dem ein Österreicher hoffen darf, in der Heimat Anerkennung zu finden: Nach Erfolgen in der Schweiz, in England, Frankreich und den Vereinigten Staaten kehrt er nun in der „Burg“ heim. Mit. einem Stück, dessen Stärke in der Größe des Themas und in der Meisterung dieses Themas durch den Autor liegt. „Das heilige Experiment“ spielt an einem
Die österreichische Kulturvereinigung hat Wien in einer Lesung das Becket-Spiel des bedeutenden englischen Didners T. S. Eliot unter dem Titel: „Mord in der Kathedrale“ zum erstenmal vorgeführt. Das 1934 für die Festspiele von Canter-bury verfaßte Stück hat in den letzten Jahren auch auf dem Kontinent starken Eindruck in Freilichtaufführungen erzielt, sc„in^Frankrekh- .und-.. Ita letzten- Jahr-, auch in Deutschland (und zwar in der Übertragung durdi Ida Friederike Görres unter dem Titel: „Mord im Münster“, der passender ist als die von Werner Riemerschmid gewählte