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VON NEUEN BÜCHERN

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Ein Sammelband, der aus Grillparzers Prosa-werk drei Stücke vereinigt: „Der irmo Spielmann“, „Das Kloster bei Sendwmir“ und die „Selbstbiographie“, dazu eine Einleitung von Max Meli: „Grillparzer, der österreichische Erzähler“.- Leichthin und oft leichtfertig haben die vergangenen Jahre Einzelwerke den großen Österreichers zum Abdruck gebracht, der große Name der Vergangenheit mußte das Geschäft der Gegenwart decken. Nicht einzusehen war oft der tiefere not- und zeithafte Bezug dieser Editionen. Hier aber, und deshalb freut es nns, diese Neuausgabe anzeigen zu dürfen, liegt er eindrucksvoll vor.* Die Zusammenstellung der beiden berühmten Erzählungen mit der Selbstbiographie ergibt keine willkürliche Lese, sondern den geschlossenen Bau eines Denkmals österreichischen Lebens — ein Mahnmal für um, aber auch für unsere europäischen Nachbarn. Was ein österreichisches Leben ist, kann hier in ewigen Lettern abgelesen werden: ein Ertragen vieler Gegensätze, deren Duldung und Heimholung. Sicherlich auch Verfehlung, Lsiden-schaft, Wirrnis der Herzen, aber überwölbt durch Buße, durch den Bogen des demütigen Dienstes — Versöhnung, Friede dos Abends, Musik. Ergreifend ist für den Menschen der Gegenwart, wie Grillparzer ein persönlichste Schicksal objektiviert, umfaßt und leidend, liebevoll umfängt in großen Bildern, getragen von der Leidenschaft und Sdiwermut de Osten, von der Kargheit und Bangnis der Mitte, der Weite des Westens und der Traum fülle des Südens.

Mit Recht weist Max Meli in seiner Einführung darauf hin, daß „Der arme Spielmann“ neben Stifters Erzählungen das erste Meisterstück der österreichischen Erzähler-k u n s t, die Geschichte eines Bettlers ist. Mit dieser Erzählung präludiert Grillparzer die große Symphonie der russischen Dichtung des 19. Jahrhunderts, deren tiefstes und einziges Motiv „von den Erniedrigten und Beleidigten“ handelt! Erniedrigt und beleidigt — von wem? Gewiß auch von äußeren Mächten — die schildert Grillparzer hart und herb in seiner Selbstbiographie —, zunächst und zutiefst

Hundsmühle. Roman. Von Rudolf H e n b. Verlag Albrecht Dürer, Wien, 1947. 239 S.

Ein echtes Heimatbuch, nicht nur, weil es seinen Stoff aus der österreichischen Heimat nimmt, sondern aus allen seinen Spalten auch das österreichische Wesen seines Dichters spricht — jene schlidite Erzählkunst, die mit nüchterner Tatsachenschau das Schöpfen aus reichem, tiefem Gemüt verbindet und darum das' innere Erleben im Glcichschwung mit dem Unwägbaren, das in Luft und Landschaft der Heimat schwingt, so überzeugend und ergreifend darzustellen weiß. Prachtvoll ist herausgemeißelt, wie sich hier ein Mensch aus überspannter Daseinsangst und Fehl-orientierung, hineingeworfen in den Lebenskampf dieses Jahrhunderts, der Souveränität der Menschenseele und seiner eigenen Kraft, das Leben zu meistern, bewußt wird. Die äußere Handlung läßt Spannung und Steigerung keineswegs vermissen, doch bleibt sie stets nur die Begleitmelodie zu dem stark schwingenden Rhythmus der inneren Entwicklung. Viel Tröstliches. Befreiendes geht von dem Buch aus. Dem Werk folgt ein biographischer Abriß über Henz, der kurz und übersichtlich ein Bild von des Dichters bisherigem Schaffen gibt. Dr. Alma M o t z k o

Beethoven. Seine Beziehungen zu Wiens Kunst und Kultur, Gesellschaft und Landschaft, Mit 52 Bildbeigaben. Von Karl K o b a 1 d. Airulthea-Verlag, Zürich.

Das gründliche und gut lesbare Werk eines der besten Beethoven-Kenner, welches 1927 zum erstenmal erschien, wird hier in einer schönen, des Gegenstandes würdigen Neuauflage vorgelegt. Nach zwei einleitenden Kapiteln untersucht Kobald Beethovens Beziehungen zu seinen Wiener I ehrern, zur Wiener Aristokratie, zum Wiener Kongreß und zur Landschaft. Eine sehr wichtige Frage wird gestellt und beantwortet: Ob der Aufenthalt dieses Meisters in Wien für

* Franz Grillparzer: „österreichischer Lebenslauf.“ Verlag „Albrecht Dürer“, Wien.

aber — und hier zeigt sich Grillparzer als echter Österreicher, als wahrer Humanist und Christ: durch eigene Schuld. Grillparzer rang lebenslänglich — wie alle wirklich Großen, von Dante über Michelangeo zu Beethoven — mit der Schuld seines Lebens, das in eigenwilligster Selbstverwahrung die Harmonie echter Selbst-bewahrung niemals rein und ganz erringen konnte. Im „Kloster bei Sendomir“ hat er nun — bedeutsam wieder in den Ostraum projiziert (wir denken an „Libussa“, an „Witiko“ und Hofmansthals „Turm“) — ein gewahiges dramatisches Gemälde vom Ringen der Leidenschaften in seiner Brust gemalt. Diese Erzählung ist eine seiner stärksten Dramen, die bekanntlich Gerhart Hauptmann zu einer „Elga“ inspirierte. Leidenschaft, jehnende Schwermut, Schuld, Sühne und Sichbescheiden. Dies war für Grillparzer der „Osten“ — Westen und Süden traten ihm als Phantasie und ihre herrscherliche Bändigung, als Maß und Gesellschaft, als Ratio und geklärtes Gefühl entgegen. Zum reinen Norden hatte er kein Verhältnis, wohl aber zu dem Menschen, der Nord und Süd, Ost und West in der Mitte seines Wesens vereinigte, der die Worte schrieb: „Gottes ist der Orient, Gottes ist der Okzident, Nord und südliches Gelände ruhn im Schatten seiner Hände.“ In der geistigen und leiblichen Begegnung mit Goethe erfühlt Grillparzer die Erfüllung des eigenen Daseins. In der Luft Weimars, in der Umgebung des großen Europäers schmilzt seine Härte, bricht das künstliche Eis, durch das er sich vergeblich gegen das Übermaß der auf ihn von allen Seiten her eindringenden Gegensätze zu verteidigen gesucht hatte. Grillparzer bricht in Tränen aus, er verläßt Weimar, ohne Abschied zu nehmen.

„ö sterreichischer Lebenslauf“ — schwer dunkle Melodie — Strombett, in dem die verschiedenen Ströme des Abendlandes um echte, reine Mischung ringen. Wer etwas vom Hochklang und vom wahren Tiefgang österreichischen Wesens erfahren will, der greife zu dieser neuen Sammlung — zu diesem „Grillparzer 1947“.

ein Wirken vorteilhaft oder schädigend gewesen ist? Gern folgen wir der Beweisführung des Verfasser und schließen uns dem Urteil von Beethovens Famulus und ersten Biographen Schindler an, daß Wien und seine Kultur „auf die Entwicklung des Talents bei unserem Beethoven nicht anders denn fördernd einwirken konnten sowie daß dies für Kunst und Künstler als golden gepriesene Zeitalter auch in Beziehung auf seine äußeren Verhältnisse das goldene genannt werden darf“. Dr. H. A. Fiechtner

Alte Märchenbücher in neuer AusRabe. Dem Bande Gulivers Reisen, den der Verlag U eberreute r, Wien, herausgebracht hat, ist ein graphischer Geschmack zu Pate gestanden, der jedem Kenner der Buchtechnik Freude bereiten muß. Die zahlreichen Illustrationen des 156 Seiten umfassenden Bandes lieferte Ernst Schrom. Mit Recht hat auch diese Ausgabe auf die Wiedergabe des 3. und 4. Teiles der Originalfassung verzichtet, doch wohl nicht nur deswegen, weil Swift sich hier in einer geifernden Kritik seiner Zeit ergeht. — Der Verlag kündigt ein reiches Arbeitsprogramm, unter anderem eine Sammlung von Märchenerzählungen großer deutscher, englischer und russischer Dichter „Im Zauberreich der Phantasie“ an. — Im Verlag Rohrer, Wien, I., Kohlmarkt 7, ist ein tadellos ausgestatteter Sammelband Märchen von Grimm, herausgegeben von Albert Wesselski, mit 40 hübschen Federzeichnungen, erschienen (308 Seiten, Preis S 15.50). In die Hand von Kindern gehört dieser Band nidit. Schade, daß der Herausgeber aus seiner vor einigen Jahren erschienenen ähnlichen Erstveröffentlichung nicht Herkunftserläuterungen mitgegeben hat. Eine Neuauflage dieser Sammlung verdient jedenfalls einen kurzen wissenschaftlichen Appendix.

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