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Einsame Zwiesprache
Martin Buber und das Christentum. Von Hans Urs von Balthasar. Verlag Jakob Hegner, Köln und Ölten. 130 Seiten. Preis 9.80 DM.
Martin Buber und das Christentum. Von Hans Urs von Balthasar. Verlag Jakob Hegner, Köln und Ölten. 130 Seiten. Preis 9.80 DM.
Dieses kostbare, inhaltschwere „kleine“ Buch ist nicht weniger als ein erster Versuch einer Theologie der Beziehungen zwischen Judentum und Christentum. Die „zweitausend Jahre räumlich-zeitlicher Koexistenz mit dem Volk der Juden“ (S. 17): Beginnen wir Christen allmählich zu erschrecken vor dem, was in diesen zwei Jahrtausenden offenbar geworden ist an Verfehlung? An einem Verfehlen christlicherseits, wo man im Banne von Volksangst und verkümmernder Theologie kaum je wagte, sich der Macht und Herrlichkeit, dem Abgründigen Und Ganz-Andeten jüdischer Gottes- und Selbsterfahrung zu stellen? Von paulinischen Stellen ausgehend,wagt es Hans Urs von Balthasar, das notwendige christlich-jüdische Gespräch auf seinen Ausgangspunkt zurückzuführen: Christen und Juden „leben seit Jahrtausenden aneinander vorbei, ohne sich in die Augen zu blicken. Und doch ist zwischen ihnen auf Grund ihres Daseins ein Gespräch im Gang, das abzubrechen nicht in ihrer Macht steht. Ein seins-haftes Gespräch, tiefer als alle Freiheit der einzelnen wie der Völker, ein Gespräch zwischen Himmel und Erde, da der verklärte Menschensohn mit Moses und Elias Zwiesprache hält: synlalountes. Petrus war Augenzeuge (2 Petr 1, 16), im Lauschen auf dieses Gespräch gewann das prophetische Wort für ihn seine entscheidende Sicherheit. Es war Gespräch über seinen Ausgang, den er erfüllen sollte in Jerusalem (Luk 9, 31). Was immer die beiden Völker einander zusprechen können, wird ein ferner Nachhall dieser Zwiesprache sein.“
Dem wirklichen Gespräch zwischen Judentum und Christentum setzen sich außerordentliche Schwierigkeiten entgegen. Schwierigkeiten beiderseits. Buber und Jaspers, die bedeutendsten Dialogisten unserer Zeit (S. 15) werfen dem Katholiken vor, auf Grund seiner unüberwindlichen dogmatischen Unduldsamkeit dialogunfähig zu sein. Dieser Vorwurf ist, nebenbei bemerkt, der ernsteste Vorwurf der globalen außerkatholischen Intelligenz auf der ganzen Erde gegen den Katholiken. Ihn in etwa zu entkräftigen, durch den Erweis der Kraft und der Liebe im wirklichen Gespräch, ist eine der schweren und schönen Aufgaben der Zukunft. Bis heute liegen Ansätze vor, und eben der hier vorgestellte großgeartete Versuch.
Balthasar zeigt nachdrücklich auf, wie zum anderen auch auf jüdischer Seite fast unüberwindliche Hindernisse diesem Gespräch entgegenstehen. Gerade deshalb wählt er sich Martin Buber als Partner: Keiner hat vornehmer, sachbezogener und härter als dieser große Jude auf einen Abgrund hingewiesen: je tiefer der Jude sich von den An-empfindungen an Christliches, wie sie in den letzten Jahrhunderten Mode geworden waren, entfernt, je näher er dem brennenden Dornbusch seiner Gotteserfahrung kommt, um so schärfer distanziert er sich vom Christentum, das er positiv nur als Heimkehr und Rückwendung zu urjüdischem Feuerquell und negativ nur als Abfall von der Urmacht jüdischer Gotterfahrung verstehen kann.
Die eigentümliche Verbindung des Eschatologi-'schen und Ganzgegenwärtigen in jüdischer Existenz, diese Ueberzeugung, daß Natur und Uebernatur zutiefst „identisch“ sind, verstärkt noch diese schwere Gegensätzlichkeit.
Balthasar stellt liebend vorsichtig dem Judentum anheim, doch seinerseits und im rechten Verstehen seiner wurzelstarken Gottes- und Geschichtserfahrung seine Absolutismen zu „sänftigen“. Wie das „Sänftigen“ der Absolutismen, der absolutistischen Ansprüche und Ideologien christlicherseits zu realisieren ist, zeigt vom ersten bis zum letzten Wort dieses Buch. Das den Leser nachdenklich entläßt: Wie soll der Mensch des Abendlandes fähig sein zum weltgeschichtlichen Zusammenleben mit Asiaten, Afrikanern und andersfarbigen Zeitgenossen, wenn die erste und wichtigste Koexistenz, zwischen Judentum und Christentum erst in den Anfängen einer positiven Erhellung steht...?
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