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Märchen 1910

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Als Molnar 1910 das „Märchen vom Wolf" schreibt, ist es ein amüsantes

Pläsierstück für eine Gesellschaft, die schon lange nicht mehr an Märchen glaubt, die innerlich aber immerhin durch Strindberg und Freud bereits soweit aufgescheucht ist, daß sie das Spiel mit und um das Un- und Unterbewußte interessant findet,.. AU Pfaudler im Sommer 1948 in der Josefstadt das „Märchen vom Wolf" neu inszeniert, entsteht eine Aufführung, die zu den besten Leistungen dieser Bühne in diesem Jahr gezählt werden muß. Alle spüren es, hier ist etwas los! Die Oberflächigen ergötzen sich an der kostbaren pointillistischen Feinmalerei dieser Bürgerwelt unseres Fin-de Siècle, die Tiefgängigeren wittern etwas, fast etwa Ungeheuerliches: Das vom Autor selbst mehr unbewußt als bewußt geschaffene See- lengemäld einer scheinruhigen und scheinsatten Welt, die sich anschickt, sich im eigensten Schöße zu zerfleischen

Die äußere Handlung — die Masken des Puppenspieles: Herr Dr. Kelemen lebt mit seiner kleinen und feinen Frau Vilma in glücklichster Ehe. Bis — eines Abends, rin Schatten sein Glück überlagert: Eine Jugendbekanntschaft Frau Vilmas taucht auf ; der Wolf, der ip die Hürde der Ehe einzubrechen droht. Im Traum erlebt Frau Vilma die Rückkehr des Gespielen als Kriegsheld, Diplomat, Opernsänger und Diener — Rollen, die der Genannte in seinem Abschiedsbrief vor sieben Jahren selbst angedeutet hatte Traumglück, Traumleid. — Als Vilma erwacht, findet sie sich in den Armen ihres Gatten wieder.

Dieser äußere Inhalt ist, an sich, kaum des Sehens oder Spielern wert; so scheint es zumindest. Was aber hat die Kunst der Josefstadt daraus gemacht! Ein Pandämo- nium, ein in grotesken, bunten Masken und wieder zartfärbigsten Ober- und Untertönen sich chaotisch auflösendes offenbares Rätselspiel um zwei gutbürgerliche Menschen, um ihre Lebensgemeinschaft! — Die Burleske dieses -Traumverwandlungsspiels erinnert in ihrem Humor manchmal an Weltbild und Weltzeichnung des großen deutschen Bürgerphilosophen des 19. Jahrhunderts, des Wilhelm Busch In den Eifersuchtsszenen des sich betrogen wähnenden Gatten (Erik Frey) des Advokaten, geht hilflos wie rin überaltetes Schiff eine Welt unter, die machtlos dem Aufbruch dunkler irrationaler Kräfte gegenübersteht: Eine gute, alte Welt, mit ihren Konventionen, mit ihren festgenormten Spielregeln Im Traümspiel der Frau Vilma (Liesl Kinast) steigt jedoch keine neue Welt herauf: Es bleibt bei leeren Masken (die Siegfried Breuer mit geringem Geschick trägt). — So steht am Ende des Stücks doch wieder Molnar, der Meister des Gesellschaftsspiels, des Trickfilms auf der Bühne; allein; mit seinem Erfolg!

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