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Besonnte Vergangenheit

19451960198020002020

Dey M39n»it deni goldenen Schlüssel. Die Geschichte meines Lebens. Von G. K. Chesterton. Verlag Herder, Freiburg. 377 Seifen. Preis 14.5Q DM

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Dey M39n»it deni goldenen Schlüssel. Die Geschichte meines Lebens. Von G. K. Chesterton. Verlag Herder, Freiburg. 377 Seifen. Preis 14.5Q DM

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„Besonnte Vergangenheit", dieser Titel des bekannten Erinnerungsbuches von Carl Ludwig Schleich könnte auch als schirmendes Dach stehen über dieser Autobiographie des „großen alten Mannes" der neueren ' englischen katholischen Literatur, G. K. Chesterton. Der deutsche Titel, „Der Mann mit dem goldenen Schlüssel", scheint uns viel besser zu passen als der des englischen Originals, das schlicht und nicht ganz richtig „Autobiography"heißt. Chesterton gibt nämlich keineswegs einen autobiographischen Bericht über sein Leben, sondern erzählt, in blühenden romantischen Farben, von großen und kleinen Leuten Altenglands, jenes besonderen Kontinents Alteuropas, der wohl schon im ersten Weltkrieg unterging. Donald yon Hirsch hat vor kurzem in einem interessanten Bericht .über den Katholizismus Englands im „Hochlapd", Februar 1954, nochmals festgehalten, daß Chesterton noch durchaus beheimatet ist in der Welt vor dem ersten Weltkrieg. Man mag das als Enttäuschung buchen, wenn man yon diesem bedeutenden Konservativen Aufschlüsse über die Welt von heute suchen will — man wird aber reichen Gewinn davontragen, wenn man anderes bei ihm sucht: eine reiche Menschlichkeit, die Geschlossenheit -und Sicherheit eines MeOsch?ptums, wie es eben gewachsen war in der englischen bürgerlichen und adeligen Gesellschaft vieler Jahrhunderte (Harold Nicqlson hat in seinen „Betrachtungen an englischen Kaminen" dieser WeR einen Nachruf gewidmet). Chesterton selbst erkenpt die Spuren des Unterganges dieser alten Welt bereits im Viktorianischen Zeitalter: „Die Menschen des Viktorianischen Zeitalters waren die erste Generation, dję von ihren Kindern verlangte, den Herd zu ehren ohne den Altar" (S. 22). Nicht zufällig steht das „Haus" immer wieder im Mittelpunkt seiner Be-

trachtungen: für diesen alten Mann ist die Welt noch ein Kosmos, ein herrlicher Palast; im Mittelpunkt dieses Kosmos liegt England; im Mittelpunkt Englands wohnen Englands gebildete Kathp- liken und ein Dutzend kluger Köpfe, die ißre Gegner sind, aber mit ihnen eng zusammengehören (wie Chestertons Gegenspieler Shaw); im Mittelpunkt der gebildeten Engländer haust „Der Mann mit dem goldenen Schlüssel", G. K. Chesterton hochpersönlich, der Poet, der Zeitkritiker, der mit dem Wort und seinem Witz die Welt der Erscheinungen entschlüsselt. — Etwas von der ungeheuren Egozentrität, die Alteuropas alte Männer so ruhmredig, so selbstgefällig und so überaus eitel werden ließ, wie in Frankreich etwa Paul Claudel, in Italien Papini (im deutschen Raum muß man schon vor die Jahrhundertwende zurückgehen), steckt auch in G. K. Chesterton. Mit welcher Delikatesse weiß dieser kluge Mann sich jedoch zu kleiden, seine Bonmots, seine Betrachtungen über alle guten Dinge der Welf, und einiges andere mehr! — Freunde Alteuropas — und wer dürfte es wagen, sich seinem Scharm zu entziehen? —, Frpunde des Dichters, Humanisten und Christen werden gleichermaßen auf ihre Rechnung kommen, wenn sie ihr Ohr dem Abgesang des Poeten, diesem Schwanengesang Altenglands leihen. — Di sorgfältige Uebersetzupg dürfte, bei Neuauflagen um einige Korrekturen bereichert werden. So gehf es nicht gut ąn, Maitre Jeap Calvin, den Begründer des Calvinismus, als John Cąlvin vorzustellen (S. 202), als wäre er bereits ein schottischer Puritaner, die weltberühmte Fabian-Society Splite auch nicht in eine „Fabier- Gesellschaft" (S. 244) verwandelt werden. — Das aber sind kleine Ausstellungen an einem reichen, schönen Bande …

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