6562396-1949_09_10.jpg
Digital In Arbeit

Ein Stundenbuch

19451960198020002020

Stundenbüdrer sehr verschiedener Art wurden in den letzten Jahrzehnten zur Mode. Oft waren es Preziositäten für literarische Feinschmecker. Heute wissen wir wieder, daß Kultur ohn Kultus sich nicht halten kann, daß auch Kulturfrömmigkeit nicht zu bestehen vermag ohne kultisch gebundenes Frommsein. Das gab es einmal geregelt und wohl organisiert in den Brudersdiaf- ten des Spätmittelalters, gepflegt in den Kreisen der Devotio Moderną, in zahlreichen karitativen Bünden, Vereinen, Genossenschaften der Neuzeit. Heute geht es darum, daß der Laie selbst in der Kirche, im Glauben, in der Herzmitte des Innenlebens der christlichen Gemeinschaft neu Fuß faßt. Es muß ihm, der in vielfachem täglichem Versagen um seine christliche Existenz ringt, ermöglicht werden, Wurzeln zu fassen. Tief, viel tiefer als das Gestern noch gedacht hat, weil es der Morgen gebieterisch fordert. Ein neuer, zeitnaher Frömmigkeitsstil wird verlangt, ersehnt, der Größe und Kühnheit, Weite und Schlichtheit, spirituelle Tiefe und warme Lebensnähe zu vereinen weiß. Man hat deshalb, und gewiß mit Recht, eine neue innere Annäherung des Laien an den Ordensstand gefordert, das heißt zumindest an gewisse Grundhaltungen desselben, und nicht zuletzt an sein Gebet. Tägliche Schriftlesungen, Tagzeiten, zumindest eine Art Laienbrevier wurden oft schon ils notwendige Stützmittel verlangt, für den christlichen Menschen, der im Wechselstrom gegensätzlicher Gefährdungen elektrisiert, paralysiert, zumindest abgestumpft und zerschlissen zu werden droht. Ein Gebetschatz für den modernen Menschen, als Netz der Sammlung, als Schutz der inneren Dichte, als Sicherung und Mehrung der seelischen Substanz.

19451960198020002020

Stundenbüdrer sehr verschiedener Art wurden in den letzten Jahrzehnten zur Mode. Oft waren es Preziositäten für literarische Feinschmecker. Heute wissen wir wieder, daß Kultur ohn Kultus sich nicht halten kann, daß auch Kulturfrömmigkeit nicht zu bestehen vermag ohne kultisch gebundenes Frommsein. Das gab es einmal geregelt und wohl organisiert in den Brudersdiaf- ten des Spätmittelalters, gepflegt in den Kreisen der Devotio Moderną, in zahlreichen karitativen Bünden, Vereinen, Genossenschaften der Neuzeit. Heute geht es darum, daß der Laie selbst in der Kirche, im Glauben, in der Herzmitte des Innenlebens der christlichen Gemeinschaft neu Fuß faßt. Es muß ihm, der in vielfachem täglichem Versagen um seine christliche Existenz ringt, ermöglicht werden, Wurzeln zu fassen. Tief, viel tiefer als das Gestern noch gedacht hat, weil es der Morgen gebieterisch fordert. Ein neuer, zeitnaher Frömmigkeitsstil wird verlangt, ersehnt, der Größe und Kühnheit, Weite und Schlichtheit, spirituelle Tiefe und warme Lebensnähe zu vereinen weiß. Man hat deshalb, und gewiß mit Recht, eine neue innere Annäherung des Laien an den Ordensstand gefordert, das heißt zumindest an gewisse Grundhaltungen desselben, und nicht zuletzt an sein Gebet. Tägliche Schriftlesungen, Tagzeiten, zumindest eine Art Laienbrevier wurden oft schon ils notwendige Stützmittel verlangt, für den christlichen Menschen, der im Wechselstrom gegensätzlicher Gefährdungen elektrisiert, paralysiert, zumindest abgestumpft und zerschlissen zu werden droht. Ein Gebetschatz für den modernen Menschen, als Netz der Sammlung, als Schutz der inneren Dichte, als Sicherung und Mehrung der seelischen Substanz.

Werbung
Werbung
Werbung

Ein solches Werk liegt hier nun vor. Es darf sich mit Recht „ein La ie n b r e v i e r" nennen, weil es neben einem festen Grundgerüst eine Gebetsfolge für jeden Tag: „Psalm",

„Lesung“ und „Gebet“, jeweils für Morgen und Abend bestimmt, enthält.

In „Lesung" und „Gebet" wird dem Laienchristen von 1949 der Schatz des zweitausendjährigen Betens, Betrachtens und Bedenkens „Des Wortes" der Christenheit dargeboten — in einer erstaunlichen und beglückenden Fülle, in einem Reichtum, der überwältigt. Der Chor, die große Polyphonie der betenden und beschauenden Geister und Seelen, umfaßt und umspannt räumlich und geistig so gegensätzliche Persönlichkeiten, wie: Origenes, Basilius der Große und Theresia vom Kinde Jesu, Dante und Pius IX, Katharina von Siena und die pietistisch-humani- täre Welt des „Gebetbuches für aufgeklärte Christen“, Chrysostomus und Pascal, Ephrem' der Syrer und Erasmus von Rotterdam, Augustin und Reinhard’ Johannes Sorge, Angelus Silesiui und Solowjew, Mechthild von Magdeburg und Ida Friederike Görres, Savonarola und Pius XI. — Dies bedeutet zunächst: diese nach seelischer Artung, nach Zeit und Frömmigkeitsstil so ver- sdiiedenen religiösen Naturen und Charakter vermitteln durch die hier wiedergegebenen Dokumente Einblicke und Einstiegsmöglichkeiten in die Tiefe des christlichen Glaubenslebens, die wohl jedem Temperament, jeder Personprägung, etwas zu sagen haben. Da sind Mystik — in ihren sehr verschiedenartigen Formen — und Rationalismus, Humanität und Pietismus, emotionales und intellektuell-betontes Beten, da stehen, besser knien Wüstenmönche und Feudalherren de Mittelalters, Gelehrte der Renais ance und des 19. Jahrhunderts, büßende Frauen und Bürger, Arbeiter und Bischöfe, Professoren und Päpste, junge Mädchen und Greise... — Fürwahr, ein schwieriges Unternehmen, aus diesem bunten Flor nicht eine Blütenlese für Feinschmecker und Genießer zu formen. Dieser Versuchung sind bekanntlich etliche der größten und bekanntesten deutschen Verlage in den Jahren zwischen 1910 und 1930 bei ihren „Auslesen“ geistlicher Texte oft und gern erlegen. Hier ging es aber darum, etwas anderes zu gestalten: ein Buch für Beter. — Das heißt, das fordert: eine innere Tektonik, die Architektur eines festen Planes, der in Selbstzudit und Demut auf d s Augenfällige und Genüßliche, das Reizende und Köstliche verzichtet, um das allein Kostbare herauszustellen: das körnige Brot für die Seele, die aus Alltagswüsten und -inebeln zu Gott fliehen will. Und so stehen harte, schwere, verpflichtende, einifordernde Worte — Gebete und Betrachtungen — in diesem Buch. Knapp gefaßt, ohne Umschweife, ohne Ausflüchte. Oft auf engstem Raum gedrängt, eine starke Hilfe für jeden Tag. Es muß gesondert vermerkt werden, daß dieser große Stil starke Unterstützung erfährt durch di Sprache der Bibelstellen, die fast zur Gänze Dillersbergers eigenwillig-herben Übersetzungen entnommen sind. Dadurch erfährt das Ganze eine innere Ausrichtung auf das Liturgische hin, auf das große gemeinschaftliche Beten, Opfern und Leben der ganzen Kirche! Und dies gehört wohl zum wertvollsten Eigengut dieses Buches. Der Beter wird weggeführt von seinen Eigensorgen, von seinem Eigenwillen, und wird eingegliedert in den großen Strom, der durch die Jahrtausende fließt, durch die Zeit in die Ewigkeit. In diesem Sinne will und kann das „Laienbrevier" mit- wirken, das tägliche Leben, dies graue, harte, verhangene Leben des Christemmenschen, auszuformen zur Liturgie, zum Lob- und Dankesdienst des Gottesvolkes. Ein großes Anliegen, ein hoher Ansatz des Gelingens.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung