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O Nacht, du Holdgesinnte!

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Auch die Nachkriegszeit seit 1945 hat, wenn auch nicht in der gleichen - Stärke wie nach 1918, ein neues Sehnen nach tieferer Einführung in die’ Wunder und Geheimnisse christlichen Betens geweckt. Auf mancherlei Weisen wurde in literarischen Publikationen auf dieses Sehnen geantwortet. Die zweifellos beste Antwort wird es immer sein, jeder Christengeneration jeweils neu die klassischen Werke christlicher Gebetsmystik zu erschließen. Es ist nur zu verwundern, daß eine Auswahl aus Johannes vom Kreuz, der wie ein weithinragender Gipfel in der Gebirgslandschaft der christlichen Mystik die meisten anderen überragt, erst so spät kommt. In der erlesenen Sammlung Sigillum des Johannes-Verlages wird sie uns nun, mustergültig übersetzt und fachkundig eingeleitet von Irene B e h n geboten, einer Autorin, der spanisches Geistesleben aus jahrelangem Umgang vertraut wurde. Wenn auch denj Umfang hach die Texte aus dem „Geistlichen Gesang” überwiegen, so scheint uns doch das Entscheidende zu sein, was aus der „Dunklen Nacht” geboten wird. Wenigstens diese Auswahl, wenn schon nicht das ganze Werk, sollten, alle lesen, die gefahrlos raten oder auch nur mitteden wollen bei diesem Thema!

Ebenso dankbar muß man Herausgeber und Verlag für das andere Bändchen sein, die erste deutsche Uebersetzung (mit einigen zusammenfassenden Kürzungen!) des hochberühmten, aber leider trotzdem wenig gelesenen anonymen englischen Werkes aus dem 14. Jahrhundert „Die Wolke des Nichtwissens” (übersetzt von Elisabeth Strakosch, eingeleitet von Endre von I v a n k a). Hier ist der Geist der spanischen Mystik („negative Theologie”) und das, was wir aus der „Nachfolge Christi” kennen („Devotio moderną’) in einer ungemein sympathischen Art vereinigt, vielleicht in dieser glücklichen Form wirklich nur dem angelsächsischen Geiste möglich! Mögen die kräftigen Warnungen des .Prologes (S. 18) jene Leute fernhalten vom Lesen, die auch solche Tiefenweisheit über die wahre Kontemplation nur billig einordnen: mögen sie aber niemand ab- schrecken, der allzu bescheiden über Christenleben und Christenbeten denkt und damit Gott unrecht tut, der über und hinter und in allem irdischen „Nichts” und „Nirgends” den Kleinen und Einfältigen Unsagbares bereit hält. — Und auch wer nur die eine große, heute so allgemein vergessene Wahrheit wieder lernte, daß nichts kostbarer ist als die Zeit und daß die Zeit für den Menschen geschaffen ist und nicht der Mensch für die Zeit: auch der hätte nicht umsonst gelesen. — „Sigillum”, das mag gerade bei diesen Bändchen ein Anreiz sein zum geduldigen Entsiegeln; es muß aber auch (und ist wohl vom Herausgeber der Sammlung auch so gemeint) ein Schutz sein und eine Warnung!

Mitgenannt sei hier gleich ein weiteres Bändchen dieser Sammlung, das mit seinem Thema scheinbar weit abliegt vom obigen: „Griechische Apologeten des zweiten Jahrhunderts.” In Auswahl übertragen von Berthe W i d m e r. Einleitungen von Hans Urs von Balthasar. Aber gerade solche Spannung gibt dieser inhaltsschweren Sammlung jene katholische Weite, die vor Einseitigkeiten schützt. „Unterscheidung und Nichtunterscheidung des Christlichen” könnte man über diese Auswahl schreiben. Es ist nach dem Schrifttum des Neuen Testaments, das seine Eigenbedeutung hat, der erste Versuch, christlichen Glauben „abzuheben” und „einzuordnen”. Es sind daher mit Geschick jene Schriften geboten, die das bloß apologetische Schema überbieten (Theophilus von Antiochien, Athenagoras von Athen, D -r Brief an Diognet). Besonders der letztere verdient ei; immer wieder weiteren Kreisen zugänglich gemacht zu werden, da er in seltener Klarheit die in allen Zeiten gleiche christliche Spannungssituation zwischen „In-der-Welt” und „Nicht- von-der-Welt” dar’.egt (vgl. bes. S. 97 f.). — Auch die andere Sammlung des Johannes-Verlages wächst: ..Christ heute.” Vielleicht wird es die bisherigen Leser dieser Sammlung überraschen, wenn ihnen diese Gedichte von Rolf Schott „Lebensbaum” (Vierte leihe, 9. BändchenX vorgelegt werden. Die drei Teik fügen sich zu einer Einheit, ln „Brücke ins AU” öffnet sich der weite Horizont dieses „innewerdenden Dichtertums” (vgl. S. 52), die „zwölf Sonette an Gott” erschließen sein inneres Geheimnis, und in „Festliche Fügung” rundet sich der schöne Ring. Ueber dem Ganzen liegt jene verhaltene Schwermut, die allem echten Singen von Liebe und Schönheit eigen ist. Man darf wohl als besinnlicher Leser und Horcher anerkennen, daß kein falscher Laut dabei ist, wenn man auch, verwöhnt durch griechische, lateinische Verse und vor allem durch Hölderlin, die alkaischen Strophen des (etwas mysteriös Apokata- stasis genannten) Gedichtes S. 16 rhythmisch nicht als überzeugend empfindet. (Daß die mehr als ulkige, um nicht zu sagen blasphemische, „quaestio” einzel ner dekadenter Spätscholastiker, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz hätten, einmal von einem Dichter in „Reime” gebracht werden würde, hätten diese Ueber-Theologen selber nie erträumt. Wir nehmen es mit Humor zur Kenntnis!) Dagegen erhebt sich das Gedicht „Die Namen des Ewigen” (S. 57) zu imponierender Höhe aus der übrigen Landschaft. Ebenso ist menschlich überzeugend das Sonett X. mit der Dichterklage um versagten Ruhm und der christ- lich-positiven Resignation: „Gib, Herr, daß mein Gesang zu Dir entschwebt…” — Wir wünschen diesen Versen eines reifen Lebens jene Ohren und Herzen, die sich auch heute noch auftun können für ungewohnte, nicht alltägliche Klänge.

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