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Wiens Theater im Fasching

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Faschingspremieren in Wien! Im Volkstheater: Nestroys „Einen Jux will er sich mache n“. Neueingerichtet von Otto Basil und Alexander Steinbrecher. Dieses nicht nur durch Melchior, den „vazieren-den“ Hausknecht, „klassisch“ gewordene Stück verdankt seinen Erfolg seit dem „Freudenrausch“ des Publikums bei der Uraufführung der Tatsache, daß hier Nestroys Härte, Verzweiflung, Menschenverachtung und Nihilismus wundersam gemildert, in der Sonnkraft einer alles verstehenden, alles verzeihenden, wohlwollend scherzenden Ironie die Gestalten des Stücks in Wärme getaucht sind. Nur vom Rande her, als ein letztes Nachbeben aus dunkler Tiefe, merkt man, daß dieser Zangler, der Gewürzkramer, daß selbst Weinberl, Hupfer und das Fräulein vom Blumenblatt wohl noch ganz anders sich gebärden könnten, wenn ihr Schöpfer alle Anlagen des Zwiespalts in Ihnen entbinden würde. Er tut es aber nicht! Das ist ein Sieg Nestroys über sich selbst und über diesen freut sich unbewußt heute noch das Publikum. Es gibt keine Bösewichter. Auch Rabs, „ein Gauner“, ist nur ein armer Schelm — Schelme aber sind sie alle, difese Herren und Helden ihrer Schwäche, Eitelkeit und runden Torheit, sie werden deshalb rechtmäßig — mit Ehefrauen — bestraft. — Die Neuaufführung des Volkstheaters ist glücklich beschwingt, in den Hauptrollen auch gut besetzt, mit einer Ausnahme: Hans Olden als Weinberl ist nicht ganz disponiert. Die neuen „Lied'-Texte fügen 6ich gut ein, wieder mit einer Ausnahme: die „Scherz“strophe über die künstliche Befruchtung bei Mensch und Tier paßt einfach nicht, in keiner Weise, und schon gar nicht zu diesem Nestroy ohne Bitterkeit und Ranküne.

Das Faschingsstück der Insel: „Der Weg nach Dover“ von A. A. Milne, inszeniert von Mirjam Horwitz-Ziegel. Der bekannte Mitarbeiter des „Punch malt hier~ ein modernes Märchen. In Nacht und Nebel jagen aus London, der Weltstadt, junge Menschenpaare: Paris, dem Süden, dem Kontinent zu, wo sie „ein neues Leben“ beginnen wollen. Zu zweit, in neuer Bindung. Männer, die ihre Ehefrauen verließen, Frauen, die vor ihrem Gatten in ein neues Glück fliehen wollen, Mädchen, die allzu rasch den Worten dieser Männer Glauben schenkten. Da hat sich nun, etwas abseits von der Straße, Mr. La-timer auf einem Gutshof niedergelassen, ein richtiger feiner Märchenonkel, der durch seinen Fahndungsdienst diese schwärmenden Paare in sein Haus locken läßt, um sie hier nach einem einfachen Rezept zu kurieren: er zwingt sie, sich hier eine Woche lang einmal recht gründlich gegenseitig kennenzulernen. Der Erfolg ist überraschend, nach A. A. Milne garantiert: die verwirrten Frauchen kommen wieder zur Bewußtheit, die Herren suchen beschämt und erleichtert das Weite. — Die Insel spielt diese Komödie amüsant, heiter, sehr warmherzig in einem lückenlos guten Zusammenspiel ihres Ensembles.

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