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SP-KP, Portugal - anderswo

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Auf dem Kongreß, den im Februar 1919 die Zweite Sozialistische Internationale in Bern abhielt, erfolgte der Bruch zwischen den demokratischen Sozialisten und den Kommunisten. Lenin gründete ein paar Wochen später in Moskau die Dritte Internationale.

Seither blieb dos Verhältnis zwischen diesen beiden Parteien in allen Ländern gespannt. Ihre Anhänger und Wähler rekrutierten sich aus den gleichen Bevölke-rungsschichten, ihre Ziele waren teilweise ähnlich, ihre Methoden und Auffassungen aber entgegengesetzt. Um die Ideologie, die den Arbeiterparteien und verwandten Bewegungen zugrunde liegt, entspannen sich seit mehr als fünfzig Jahren endlose und zu keiner Einigung führende Kontroversen.

Heute ist nicht nur das Verhältnis zwischen Sozialisten und Kommunisten in verschiedenen Ländern verschieden; auch innerhalb dieser beiden Parteien gibt es Unterschiede der Haltung und Zielsetzung in den Ländern Westeuropas — in Osteuropa herrscht die Disziplin des Sowjet-Kommunismus. Es besteht aber auch ein Unterschied zwischen den Linksparteien in Nord- und Mitteleuropa einerseits, in West- und Südeuropa anderseits. Der skandinavische Sozialismus läßt die wirtschaftlichen Strukturen und das freie Spiel der Demokratie bestehen, wobei er sein Programm des Sozialstaates weitgehend verwirklichen konnte. Es ist bezeichnend, daß die schwedischen Sozialisten wegen dieser Politik von ihren französischen Genossen getadelt werden. In der Bundesrepublik Deutschland bewirkt der Gegensatz zur kommunistischen DDR, daß die Sozialdemokraten sich zur sozialen Marktwirtschaft bekennen und parlamentarisch mit den Liberalen regieren.

Das hat zur Folge, daß zwischen den deutschen Sozialdemokraten und den französischen Sozialisten ein gespanntes Verhältnis besteht, indem in Frankreich die Sozialisten mit den Kommunisten verbündet sind. Die auf ein gemeinsames Programm verpflichteten Linksparteien in Frankreich bekennen sich zu einem Ziel, das sich eine radikale Umstrukturierung der Wirtschaft und Gesellschaft vornimmt. Ihre Opposition gegen das liberale Regime ist grundsätzlicher Art. Sie ist anders als in England, wo die beiden Parteien das politische Regime — die parlamentarische Demokratie — nicht in Frage stellen. Allerdings gibt es auch in England eine starke radikale Tendenz, jedoch mehr in der Gewerkschaftsbewegung als innerhalb der Labour-Partei, deren linker Flügel sich in der Unterhausfraktion in der Minderheit befindet.

Noch anders ist die Lage in Italien. Programm und Taktik der italienischen Kommunisten sind von Moskau viel unabhängiger als die Haltung ihrer französischen Genossen. Die Führung der italienischen Kommunisten lehnt auch die Bildung einer Volksfrontregierung mit den Sozialisten ab, die das Ziel der französischen Linken ist; sie glaubt nicht, daß mit einer Mehrheit von 51 Prozent das Land regiert werden könne. Die italienischen Kommunistenführer streben ein Bündnis mit den Christdemokraten — den sogenannten „historischen Kompromiß“ — an, der von den Christdemokraten bisher abgelehnt wurde. Aber diese haben mit ihrer antikommunistischen Parole eine Niederlage bei den Regional- und Kommunalwahlen erlitten, so daß jetzt in einigen Regionen und Städten Italiens Linksmehrheiten herrschen.

In diesem Zusammenhang hat die Entwicklung in Portugal die Frage des Verhältnisses zwisehen Sozialisten und Kommunisten wieder aktuell werden lassen. Der schwere Konflikt zwischen diesen beiden Parteien in Portugal hat in allen Ländern Europas Rückwirkungen auf die Zielsetzung, Ideologie und Taktik der beiden Linksparteien gehabt und die Kontroverse neu angefacht. Es ist sehr wohl möglich, daß in absehbarer Zeit ähnliche Konflikte in Spanien entstehen und wegen der Wichtigkeit dieses Landes sogar die portugiesische Szene in den Hintergrund rük-ken werden.

Was am 12. Juli bei einer Kundgebung in Livorno die Führer der italienischen und spanischen Kommunisten, Berlinguer und Carillo, im Namen ihrer Parteien erklärt haben, zeigt jedoch, daß auch die Kommunistische Partei in verschiedenen Ländern verschieden denkt. Während die französischen Kommunisten die portugiesische Schwesterpartei vorbehaltlos unterstützen, wird diese von ihren italienischen und spanischen Genossen für ihre Haltung ausdrücklich getadelt. Berlinguer und Carillo erklärten, daß das antidemokratische Spiel der portugiesischen Kommunisten „das Los der. Revolution ernstlich gefährde“ und daher zu Bedenken und Beunruhigung Anlaß gebe.

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