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Sa Carneiros Etappensieg

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ndernorts im demokratischen Europa hätte man ein Parteienbündnis, das miteinergefestigtenabsoluten Mehrheit aus Parlamentswahlen hervorging, erst einmal kräftig gefeiert. Und dann wä-* ren die erfolgreichen Koalitionspartner vermutlich gemächlich darangegangen, Tür die kommenden Jahre ein Regierungsprogramm auszuarbeiten.

Nicht so in Portugal. Dort betrachtet der amtierende Premier Francisco Sa Carneiro seinen Wahltriumph vom 5. Oktober, den er mit der aus rechtsliberalen Sozialdemokraten, Christdemokraten und Monarchisten gebildeten „Demokratischen Allianz" zustandebrachte, lediglich als Etappensieg.

Denn die Würfel über die politische und wirtschaftliche Zukunft Portugals sind mit dem Wahlsieg der konservativen Mitteparteien nicht endgültig gefallen. Die entscheidet sich Anfang Dezember, wenn die Portugiesen erneut zu den Urnen gerufen sind, um einen neuen Staatspräsidenten zu wählen.

Dem Staatspräsidenten steht nach der portugiesischen Verfassung viel mehr politische Macht zu als den meisten anderen Staatschefs in westeuropäischen Ländern. Er hat zusammen mit dem aus Militärs gebildeten Revolutionsrat etwa auch darüber zu wachen, daß der in der Verfassung von 1976 ausdrücklich festgeschriebene „sozialistische Entwicklungsweg für Portugal" von den jeweils regierenden Parteien auch konsequent eingehalten, die „Sozialisierung von Produktion und Vermögen" vorangetrieben wird.

Und Staatspräsident General Antonio Ramalho Eanes, der sich als Kandidat der Sozialistischen Partei von Mario Soares erneut um dieses Amt bewirbt, hat bislang genauestens darauf geachtet, daß die Verfassung in diesem Sinne auch eingehalten wird.

Uber kurz oder lang mußte er sich also mit Premier Sa Carneiro in die Haare geraten, dessen erklärtes Ziel eine „Entsozialisierung" der Verfassung ist und der seinem Land moderne marktwirtschaftliche Strukturen nach mitteleuropäischem Vorbild geben möchte.

Ändern ließe sich die Verfassung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament; eine solche aber besitzt die „Demokratische Allianz" nicht. Ein weiterer Ausweg wäre ein Plebiszit über eine Verfassungsreform; einem solchen aber haben sich Staatspräsident Eanes und der Revolutionsrat bislang widersetzt. Und also ist für Sa Carneiro die letzte Chance ein anderer Staatspräsident, der für seine Anliegen Verständnis zeigt und ihm bei der politischen Neuorientierung des Landes hilft.

Deshalb auch die Alles-oder-Nichts-Devise Sa Carneiros, deshalb sein Ausspruch, daßdie Parlamentswahlen lediglich als erste Runde für die Präsidentschaftswahlen anzusehen seien.

Ob der Kandidat der „Demokratischen Allianz", der noch relativ unbekannte konservative General Soares Carneiro, gegen den in der portugiesischen Bevölkerung hoch angesehenen General Eanes bei der Dezember-Wahl allerdings eine reelle Chance hat, ist eher unwahrscheinlich. '

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