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Opposition im Schlupfwinkel

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Schuld an der gähnenden Langeweile bei der Wahl war aber aucl die von der Opposition ausgegeben! Parole: Stillschweigen. Keine De monstrationen in den Straßen Lissabons, keine Flugblätter, nur absolut« Ruhe. Die Opposition wandte dami die einzige wirksame Waffe an, übei die sie noch verfügt. , Die beschränkte Rede- und Ver Sammlungsfreiheit, die die Opposition In Wahljahren genießt, wurdi dieses Mal kaum benutzt. Wozu auch wenn ihr öffentliches Betätigungsfeld auf eine halb verfallene Schuh aus den Zeiten der demokratischer Republik, gelegen in einer schwer zi findenden Gasse der Alf am, dei Lissaboner Altstadt, beschränkt ist: Wie vor vier Jahren, bei den letzter Abgeordnetenwahlen, sprach in den gleichen ärmlichen Klassenzimme; der ehrwürdige Acevedo Gomes einst Landwirtachaftsminister, heut« Führer der Sozialdemokratischer Aktion, einer Organisation, die di« demokratischen Oppositionskräft« des Landes zusammenfaßt. Wähle] waren keine anwesend, da die Opposition die Vorgänge des 25. Juli nichl als Wahl betrachtet. Nur einige Vertreter der Auslandspresse, denen Acevedo Gomes in seiner akademischen Sprechweise, jeglicher Vehemenz eines Oppositionsführers bar, auseinandersetzte, daß die Opposition nach dem jetzt gültigen Gesetz nicht an der „Wahl“ teilnehmen könne, die Wahlmänner daher nicht repräsentativ für das Volk seien und die Opposition die Aufstellung eines eigenen Kandidaten als sinnlos angesehen habe.

Dieser Argumentation, die das offizielle Portugal erwartet hatte, hielten die Salazarlsten entgegen, daß das jetzt angewandte Wahlgesetz von der ersten demokratischen Regierung erlassen und damit mit den Prinzipien der heutigen demokratischen Opposition, die zum Großteil aus den Regierungsreihen von damals hervorgeht, gerecht werde. Dabei haben die Salazaristen allerdings übersehen, daß die Staatsgrundlagen von damals mit dem „Estado Novo“ Salazars so gut wie nichts gemein haben und sämtliche Parteien die gleichen legalen Freiheiten genossen.

Doch selbst wenn die Opposition die gesetzliche Möglichkeit zur Wahlteilnahme gehabt hätte, einen zugkräftigen Kandidaten hätte sie darum auch nicht gefunden. Del-gados Platz ist verwaist, die Popularität der Oppositionsführer gering, ihre Uberzeugungskraft ist durch die 38jährige Diktatur zu resignierter Rhetorik reduziert worden. Sie sind kampfmüde und alt. Die jungen Oppositionsführer, die noch keine Ermüdungs- und Zermürbungser-scheinungen aufweisen, füllen Portugals Gefängnisse. Politische Prozesse sind an der Tagesordnung, wirtschaftliche Repressalien machen selbst den größten Enthusiasten mundtot.

Wie müde Portugals Opposition ist, zeigt sich auch darin, daß die Demokraten das gleiche Parteiprogramm wie im Wahljahr 1961 unverändert weiterführen und es auch so bei den kommenden Parlamentswahlen im Herbst verwenden wollen. Rückkehr zur Demokratie und stufenweise Gewährung der Autonomie für die überseeischen Provinzen sind die von keinerlei Illusionen über eine absehbare Realisierung begleiteten Hauptforderungen dieses Programms. Die Wahlaktivität, die die Opposition im Herbst zu entfalten beabsichtigt, wird von Regierungsseite zweifellos noch strikteren Restriktionen als 1961 unterworfen werden, und so dürfte es wiederum zu einer Zurückziehung der oppositionellen Kandidatenlisten für den Nationalrat kommen. Es fehlt nicht an Oppositionellen Stimmen, die bezweifeln, daß die Regierung überhaupt die Aufstellung von Gegenkandidaten dulden wird; denn die geringen Freiheiten, die die Opposition bei den Nationalratswahlen von 1961 genoß, wurden mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung des Auslands gewährt. Heute bedeutet die Auslandsmeinung keine Schützenhilfe mehr für Portugals Opposition, denn mehr als ein Regierungsvertreter erklärte bei der Präsidentschaftswahl: „Uns ist es völlig gleichgültig, was man im Ausland von uns denkt!“

Präsident Thomaz' große Verantwortung

Mit seiner Wiederwahl wurde Präsident Thomaz eine Verantwortung aufgebürdet, die kaum ein Portugiese mit ihm zu teilen wünscht. Als Staatsoberhaupt obliegt ihm die Ernennung des Ministerpräsidenten, eine Funktion, zu deren Ausübung in den vergangenen sieben Jahren seiner Amtszeit kein Anlaß bestand. Doch seit einiger Zeit mehren sich die Gerüchte, daß es mit den Kräften des seine Gesundheit der Arbeit opfernden 76jährigen Salazar nicht zum Besten bestellt ist. Daher könnte Präsident Thomaz bald die Aufgabe zufallen, einen Nachfolger für Salazar zu bestimmen. Eine Aufgabe, für die der populäre Thomaz sogar nach Ansicht der verbittertesten Oppositionellen der bestgeeignete Mann im Staat ist.

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