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Wahlkampf mit Feigenblatt

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Vier Wochen vor den Wahlen für die portugiesische Abgeordnetenkammer wurde soeben am ersten Jahrestag der Machtübernahme des Ministerpräsidenten Marcelo Caetano die Kampagne eröffnet. In seiner aus diesem Anlaß gehaltenen Rede legte er Rechenschaft über die vergangenen zwölf Monate ab: „Ich bin nicht ganz zufrieden mit dem von mir Geleisteten. Ich wünsche, es wäre mehr gewesen!”, bekannte er vor den Portugiesen. Mit dieser äußerst geschickt auf die Mentalität des Volks abgestimmten Rede hat er eine Welle der Sympathie einerseits, anderseits aber auch heftige Proteste erzeugt.

Zweierlei Maß für die Opposition

Die Opposition wirft dem Ministerpräsidenten vor, das bei seinem Amtsantritt gegebene Versprechen einer gleichen Teilnahme aller Portugiesen an den Geschicken des Landes nicht eingelöst au haben. Die sozialistische Partei des Lissaboner Anwalts Mario Soares — der derzeit wohl der profilierteste Oppositionsführer ist — gab in einer Pressekonferenz bekannt, daß sie solange keine Wahlversammlungen abhalten werde, bis die linkskatholische Oppositionsgruppe CED, der von der Regierung der Stempel des Marxismus aufgedrückt wurde, die Erlaubnis zur Abhaltung von Propaganda- meetings erhält. Auch die Monarchisten, die in Lissabon einen Kandidaten aufgestellt haben, erklärten, daß sie „das Opfer von Willkürlich- keiten” sind.

Niemand in der Opposition zweifelt an dem überragenden Sieg der Uniaö Nacional, obzwar erstere Kandidaten für hundert der insgesamt 130 Parlamentssitze aufgestellt hat. Es sind hauptsächlich Rechtsanwälte. Architekten, Angestellte und auch einige Hausfrauen, deren Namen Portugals Zeitungen zum erstenmal seit Bestehen des Estado Novo veröffentlichen durften. Doch dieser leichte demokratische Anstrich, den die Wahlen erhalten haben, täuscht nicht darüber hinweg, daß das Rennen der Opposition völlig aussichtslos ist. Selbst wenn sie die Erlaubnis zu Propaganda- und Wahlversammlungen erhält, Manifeste drucken und verteilen darf, so wird sie kaum die Wählermasse durch die vorher zensurierte Propaganda anzulocken vermögen Vierzig Jahre Furcht unter dem Regime Salazars haben bewirkt, daß der Durchschnittsportugiese politisch desinteressiert ist und widerspruchslos den Weisungen der Regierungspartei folgt.

Außerdem ist die Regierungspartei bemüht, den Wähler von einer Lok- kerung des Systems durch die Aufstellung von Kandidaten, die außerhalb der Reihen der Salazaristen stehen und vor allem Technokraten der jüngeren Generation sind, zu überzeugen. Ihr Durchschnittsalter liegt unter vierzig, sie verfügen meistens über keine parlamentarische Tradition und auch über keine politische Verdienste. Die Uniaö Nacional ging in dieser Bemühung so weit, sogar bekannte Persönlichkeiten des Estado Novo von ihren Listen zu streichen. Die neue Abgeordnetenkammer wird sich von ihrer Vorgängerin also wesentlich unterscheiden.

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